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Spam International

Unverlangt zugestellte Werbemails verstopfen die Postfächer. Sie lotsen Kinder auf Pornoseiten im Web, sie stehlen Kreditkarteninformationen und pflanzen Viren in die PCs der Opfer. Spams kosten die Betreiber von Internetgeschäften Milliarden. Aus dem lästigen Übel ist ein internationales Problem geworden, was nun international koordiniert bekämpft werden soll. Den Auftakt dazu gab eine Konfernz der Internationalen Kommunikations Union ITU in Genf.

Von Maximilian Schönherr |
    Im Januar dieses Jahres haben wir uns hier im Deutschlandfunk ausführlich mit Spam beschäftigt. Damals stellten wir fest, dass etwa die Hälfte aller zugestellten elektronischen Briefe Massenwerbungen sind. Heute liegt die Zahl statt bei 50% eher bei 80%. Damals war ein US-Gesetz nagelneu, dessen Auswirkungen wir nur abschätzen konnten; inzwischen wissen wir: CAN-SPAM hat die Flut an Massenemails in und aus den USA nicht eingedämmt. Im Gegenteil: Heute stammen drei von vier Spam-Mails, die ganz gleich in welchem Land ankommen, aus den USA. Nicht mehr aus Ländern wie China. In China gibt es inzwischen große Anstrengungen, Spams einzudämmen. Australien und Südkorea haben vor kurzem Gesetze und flankierende Maßnahmen gegen Spam verabschiedet, die erste Wirkungen zeigen. Auf ein Deutsches Anti-Spam-Gesetz, angekündigt fürs Frühjahr 2004, warten wir noch immer.

    Spams waren viele Jahre hinweg Werbemails gewesen, die lästig waren, die man aber ignorieren konnte. Inzwischen tragen Spam-Mails – wie kein anderes Phänomen – zur massenhaften Verbreitung von Viren, Würmern und Trojanischen Pferdenbei, also kleinen Programmen, die mit unseren Computern Dinge tun, ohne uns zu fragen. Und auch das Phishing gehört inzwischen zum Alltag. Beim Phishing lockt der Spammer sein Opfer auf eine vermeintlich seriöse Webseite, wo er dann in Ruhe persönlicher Informationen ausspäht. Diese betrügerische Form von Spam hat Internet-Nutzer vor allem in der englisch sprachigen Welt so verschreckt, dass über die Hälfte dem e-Commerce nicht mehr trauen, also nicht mehr so gern online Bankgeschäfte und Einkäufe tätigen wie früher. Die Rechenzentren müssen weltweit mit Milliardensummen aufgerüstet werden, um nicht von der Spamflut überrollt zu werden. Schließlich haben sie die Pflicht, gewünschte Mails zuzustellen und können nicht einfach sagen, wir machen den Hahn zu, es wird uns zu viel. Japan kämpft nicht nur mit Spams in Email-Postfächern, sondern vor allem vermeintliche Kontaktanzeigen, die millionenweise per SMS in die Handys von Kindern und Jugendlichen versandt werden. Und selbst Entwicklungsländer haben Spam-Probleme: Die elektronische Vermüllung droht dort, das zart aufkeimende Internetpflänzchen zu ersticken.

    Heute finden globale Konferenzen zu Spam statt, weil man begriffen hat, dass sich das Problem nicht lokal in den Griff bekommen lässt. Und, das verraten wir schon jetzt: Es könnte gut sein, dass das Problem in zwei Jahren nicht aus der Welt, aber im Griff ist.

    Email ist elektronische Post, ein übers Internet zugestellter Brief, zu lesen am Bildschirm. Email gibt es, seit es das Internet gibt, seit über 30 Jahren. Ende der 1990er Jahre verlor die Email ihre Unschuld. Unter die persönlichen Briefe zwischen Mensch und Mensch mischten sich Werbemails. Inzwischen machen diese unverlangt zugesandten Massenmails in Deutschland knapp die Hälfte, in den USA über 80% aller Mail aus. Sie müllen Datenleitungen zu, lassen Systemadmistratoren graue Haare wachsen, bringen Pornographie in die Email-Postfächer von Kindern, zwingen Gesetzgeber zum Handeln. Die elektronische Pest heißt nach einem amerikanischen Dosenfleisch kurz "Spam".

    Bob Horton ist Vorsitzender der Australischen Kommunikationsbehörde. Er gilt als der Mann, der den als vorbildlich geltenden Australischen Weg gegen Spam bereitet hat. In Australien ist seit April ein Gesetz in Kraft, welches jede unaufgefordert zugesandte Werbemail für illegal erklärt. Die Regierung hat eine zentrale Anlaufstelle für Spam eingerichtet, die nicht nur sammelt, sondern auch in der Lage ist, Spams zu ihren Ursprüngen zurückzuverfolgen. Damit das funktioniert, hat man die Firmen, die den Zugang zum Internet bereitstellen, also die Internet Service Provider mit an den Tisch gebracht. Und klärt die Bevölkerung auf – über Schutzmaßnahmen, über Gefahren, über Rechte. Für den alten Email-Hasen Bob Horton waren Werbemails anfangs harmlos.

    Klar, waren Spams zunächst eine Irritation. Wen irritieren solche Mails nicht? Inzwischen aber sind Spams zu einer sehr üblen Sache herangereift. Es spielt dabei nicht nur die Menge eine Rolle - in Deutschland sind zur Zeit 40% aller Mails Werbemüll, in den USA 85%! Diese Mengen bedeuten, dass man mehr Hardware und mehr Personal braucht, was natürlich alles immens viel Geld kostet. Viel schlimmer ist der Diebstahl persönlicher Informationen durch Spams. Da fordern die Spammer die Emfänger ihrer Mails auf, ihnen ihre Bankzugangsdaten offenzulegen. Dieses "Phishing" nimmt epidemische Ausmaße an, und wir müssen da sehr aufpassen. Unser Bankensystem beruht heutzutage schließlich auf dem elektronischen Datenaustausch. Und nicht nur Bankengeschäfte, auch unsere Privatgeschäfte erledigen wir in zunehmendem Maße übers Internet. Spams sind also keine Irritation mehr, sondern sie bedrohen direkt unser soziales Zusammenleben und unsere Finanz-Abläufe. Wenn die Menschen ihr Vertrauen in E-Business verlieren, müssen wir mit Schäden im Bereich von Billiarden von Dollars rechnen.

    Die wenigsten EU-Länder haben Gesetze gegen Spam, obwohl die EU-Kommission das eigentlich seit Herbst 2003 eingefordert hat. Auch Deutschland kaut noch immer daran herum. Der Leiter des Internetressorts beim Verbraucherschutzministerium in Berlin, Jürgen Karwelat:

    Um dieses Problem der unverlangt zugesandten elektronischen Kommunikation in den Griff zu kriegen, wird zur Zeit das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb verändert. Damit wird eine Datenschutzrichtlinie auf EU-Ebene umgesetzt. Im § 7 ist auch ausdrücklich vermerkt, dass unverlangt zugesandte elektronische Botschaften unzulässig sind, mit der Folge, dass diejenigen, die das tun, auf Unterlassung verklagt werden können, durch Verbraucherschutzorganisationen oder andere Wettbewerbsinstitutionen.

    Ähnlich wie in Australien und übrigens auch Südkorea soll in EU-Landen die Opt-In-Regelung gelten, wonach jede unverlangt zugesandte Werbemail illegal ist. In den USA hat die starke Industrielobby für die Opt-Out-Regelung gesorgt: Demnach dürfen Werbemails so lange zugestellt werden, bis der Empfänger sagt: Mir reicht’s. Die Erfahrungen aus den USA zeigen, dass die Empfänger Spams nicht abbestellen, weil sie zu Recht Angst haben, dass die Abbestellung in die falschen Hände gelangt. Hinterlegt Eure Email-Adressen in treuhänderisch verwalteten Registraturen, schlug das "Can Spam" genannte Gesetz vor. Inzwischen hat die FTC, die US-Handelskommission die Endverbraucher davor gewarnt, ihre Email-Adressen irgendwohin, also auch nicht zu vermeintlich seriösen Sammelstellen zu geben. Zudem fehlt es in den USA an Anlaufstellen, wo man Spams melden kann. Und an Aufklärung der Bevölkerung. Also eigentlich an allem, was zum Funktionieren eines Gesetzes wichtig wäre. Und so versenden Spammer aus den USA mehr Spams denn je in alle Welt.

    Zwar ist die Opt-In-Regelung Europas strenger, aber es fehlt auch hier an Aufklärung, an Kompetenz und Einigkeit. In Italien hat man große Bedenken mit dem Datenschutz – schließlich muss man, um Spammer zu fassen, das Recht auf Anonymität im Netz einschränken. Frankreich fing kürzlich damit an, probeweise Spams zu sammeln und ihnen nachzugehen. Nach drei Monaten war vorerst Schluss damit. Frankreich und Italien waren auf der ersten großen internationalen UN-Konferenz über Spam im Juli in Genf gut vertreten. Auch Japan und die Volkrepublik China, der Sudan und Syrien. Vom deutschen Wirtschafts- oder Verbraucherschutzministerium dagegen fehlte jede Spur.

    Wenn sich die Ordnungswidrigkeit in Deutschland auswirkt, ist natürlich deutsches Recht anwendbar. Es stellt sich natürlich die Frage, ob ein Bußgeldbescheid in Taiwan zugestellt würde. Die meisten E-Mails, die hier Deutschland erreichen, sind nicht aus Deutschland abgeschickt, sondern laufen über irgend einen Server in Südostasien oder Lateinamerika, auch noch mit einer gefälschten Adresse. Das zeigt, dass wir in dieser Angelegenheit unbedingt internationale Zusammenarbeit brauchen, auf OECD Ebene, auf UNO Ebene.

    Genau darum ging es in Genf: Um die internationale Zusammenarbeit; darum, dass jedes Land einen für alle anderen Länder ansprechbaren Spam-Beauftragten installiert. Bei der Konferenz in Genf hätte der Leiter des Internet-Ressorts im Verbraucherschutzministerium in Berlin auch erfahren, dass die bösen Mails nicht mehr primär aus Südostasien und Lateinamerika, sondern aus Nordamerika, Russland und, ja, aus Deutschland stammen. Die Chinesen etwa legten Wert auf die Feststellung, dass sie mit erheblichem Aufwand gegen Spam vorgegangen sind und dass viele ihrer inzwischen sauberen Zentralrechner immer noch auf internationalen schwarzen Listen auftauchen und damit zu Unrecht vom internationalen Email-Verkehr ausgenommen seien.

    Den prokativsten Vortrag bei der Konferenz in Genf hielt der amerikanische Rechtsanwalt Jon Praed. Praed behauptet, jeden Spammer fassen und in jedem US-Bundesstaat vor Gericht bringen zu können. Seine Erfolge geben ihm recht. Seine Auftraggeber freilich sind keine Kleinfamilien, die sich über Pornowerbung im Emailpostfach der Tochter aufregen, sondern Firmen mit einem großen Budget wie AOL oder Verizon. Hören wir Praed ein wenig zu:

    Denken Sie so einfach wie möglich über Spam nach. Im Kern ist Spam ja der Diebstahl einer Sache, die jemandem anderen gehört. Und es gehört doch zu den grundlegenden Gesetzen aller Staaten, dass sie ihre Bürger darin unterstützt, wenn sie sagen: Das ist mein Grundstück, und da hast du nichts zu suchen!

    Schon vor dem Can-Spam-Gesetz konnte man kriminelle Handlungen wie das Verschicken von Spam-Mails in den USA mit dem Gesetz des Computermissbrauchs strafrechtlich verfolgen. Untersuchen Sie also sorgfältig, welche Werkzeuge Sie jetzt schon haben, um gegen Spammer vorzugehen. Nutzen Sie bestehende Gesetze, um diese Kriminellen in Trab zu halten. Sie müssen es schaffen, den Spammer von einem Land mit einer anderen Gesetzgebung vor Ihre Gerichte mit Ihrer Gesetzgebung zu bringen.

    Weil das bei mir in allen Fällen funktioniert hat, stellt sich die Frage, ob man sich die Mühe machen muss, überhaupt ein umfangreiches Anti-Spam-Gesetz auf den Weg zu bringen? Es wäre sicher nützlich. Aber denken Sie nicht nur über solche Gesetze, sondern auch über die bestehenden nach.

    Ich habe einige Profile von Spammern sammeln können. Die meisten sind Betrüger, die Computer entdeckt haben. Nie in ihrem Leben waren sie so erfolgreich wie jetzt, da sie durch das Verschicken von Spams sehr viel Geld machen. Sie sind meist sehr jung, männlich. Und für mich war am interessantesten, wie erregt diejenigen wurden, die ich vor Gericht brachte. Viele sind einfach Verlierer im Leben, die mit dem Versenden von Spam-Mails plötzlich die Fahrkarte für ein erfolgreiches Leben sahen. Wenn sie während des Prozesses einsehen, dass ihnen das jetzt das Kreuz bricht, werden sie sehr emotional.

    Wieviele Spammer meinen Sie gibt es? Ich habe keine genaue Statistik, aber meiner Erfahrung nach würden 90% aller relevanten Spammer dieser Welt in diesen Saal passen.

    Ein typischer Spam:

    Thema: IN GOD WE TRUST
    Von: Frau M Sese-Seko

    Lieber Freund,

    Ich bin die Witwe des früheren Präsidenten Mobutu von Zaire, dem heutigen Congo. Die Wirtschaftskammer von Marokko hat mir Ihre Firma als Ansprechpartner genannt. Wir sind aus dem Congo nach Marokko geflohen, wo mein Mann an Krebs starb. Wir haben daraufhin die Milliarden an Dollar meines Mannes auf geheimen Konten in der Schweiz und anderswo untergebracht. Nachdem die EU anfing, diese Konten einzufrieren, habe ich begonnen, 100 Millionen US-Dollars in die Hände einer sicheren Firma zu legen und meinen Namen zu ändern. Um mit diesem Geld arbeiten zu können, benötige ich Ihre diskrete Hilfe. Bitte verstehen Sie diese Mail als vertraulich, und nehmen Sie Kontakt mit meinem Sohn auf, indem Sie auf die oben genannte persönliche Email-Adresse antworten. Es wird sich lohnen.


    Wie kommt der Absender, eine vermeintliche mariam seko @ familykose.com zu meiner Email-Adresse? Sebastian Hagedorn, Spam-Experte am Rechenzentrum der Universität Köln:

    Es ist so, dass bestimmte Leute deutlich mehr Spam bekommen als andere, nämlich diejenigen, die mit Ihrer E-mail-Adresse besonders öffentlich auftreten, die also Ihre E-Mail-Adresse auf Web-Seiten veröffentlichen oder viel im Internet unterwegs sind und sie da verwenden, sei's in Newsgroups oder sonst wo. Solche Leute haben deutlich mehr damit zu kämpfen. Und bei manchen nimmt das in dem Maße überhand, dass sie entweder ihre Adressen wechseln, was allerdings nur temporär Erfolg bringt, oder wirklich schon fast dazu übergehen, E-Mail gar nicht mehr zu nutzen.

    Es gibt auch die Methode von Spammern, so genannte Dictionary Wörterbuchattacken zu machen, wo einfach zufällig Buchstaben-Kombinationen zusammengesetzt werden. Die Server werden dann bombardiert mit wirklich Hunderttausenden von Zustellversuchen. Es gibt halt Listen mit gängigen Nachnamen, und selbst wenn einer seine Adresse noch nie irgendwo veröffentlicht hat, kann es sein, dass er auf Grund so einer Attacke trotzdem erwischt wird.

    Von: Sabrina @ uni bielefeld.de

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    Dazu ein Bild von einem erigierten Penis. Wie alle Spams kommt auch diese Mail von einer falschen Adresse; ihr einziger Zweck besteht darin, dass der Empfänger – vermutlich Millionen von Empfängern – auf das Bild klicken. Dann springt der Browser auf, zeigt ein Glas mit Pillen, einen vertrauen erweckenden Mann im weißen Kittel, dazu einen Text, in dem von natürlichen kanadischen Heilkräutern die Rede ist, und nur einen Link, nämlich zur Abgabe der Kreditkarteninformationen und Adresse. Kein Impressum, keine Adresse der Firma, nichts.

    Die meisten dieser Spams dienen nur dem Zweck des Kreditkartenbetrugs. Sie belasten die Kreditkarte des Opfers, ohne dass er dafür solide Ware erhält. Vermutlich sind in den letzten Jahren Millionen von nichts ahnenden Spam-Empfängern auf diese Weise abgezockt wurden. Es geht nicht um Viagra, es geht nicht um billige Software oder Pillen zum Abnehmen und auch nicht um Risikokapital aus Afrika – Spams bedienen sich genau solcher Tabuthemen, damit der Betrogene sich nicht traut, anschließend zur Polizei zu gehen.

    Ganz anders die Menschen, die – vor allem in den USA – so genannten "Phishing Spams" auf den Leim gehen. Phishing, wie das englische Wort für angeln gehen, to go fishing, nur statt mit F mit Ph am Anfang. Diese Leute gehen zur Polizei, die dann aber in der Regel nicht in der Lage ist, zu handeln. Was sollen sie auch tun?

    Richard Cox, englischer Computerforensiker und Mitarbeiter bei der internationalen Selbsthilfegruppe gegen Spam "Spamhaus", spamhaus.org:

    Wenn sie eine Mail bekommen, die angeblich von einer Bank, von AOL oder Ebay kommt, mit der Aufforderung, Ihre Zugangsdaten zu aktualisieren, können Sie sich sicher sein, dass hier Schwindel im Spiel ist. Ihre Bank würde nie auf diese Weise mit Ihnen in Verbindung treten. Den meisten Opfern fällt das nicht auf – schließlich sieht die Webseite, zu der der Spam führt, exakt so aus wie die der Bank.

    … und sie geben dort brav ihre Kontodaten und Passwörter ein, die dann freilich nicht bei der Bank, sondern direkt beim "Phisher" landen, der damit das fremde Konto unter seine Kontrolle bringt.

    So dummdreist das wirken mag – Es fielen viele darauf herein, und das schlug sich in einer Statistik nieder, der zu Folge über 50 Prozent der Amerikaner ihr Vertrauen ins Online-Banking und –Shopping verloren haben. Für die Köche des amerikanischen CAN-SPAM-Gesetzes ist das eine Bankrotterklärung. Für die Wirtschaftsexperten ist es eine alarmierende Statistik. Zur Politik ist das noch nicht so ganz vorgedrungen.

    Richard Cox erhält täglich Hunderte von Spam-Mails, und es gelingt ihm in den meisten Fällen, sie bis zu der Stelle zurückzuverfolgen, genau gesagt, bis dorthin, wo der Spammer sozusagen ins Internet aufgesprungen ist, nämlich bei dessen Internet Service Provider.

    Wir müssen die Internet Service Provider, die den Zugang zum Netz zur Verfügung stellen, dazu bewegen, endlich mit uns zusammenzuarbeiten. Gerade einige der größten Provider weltweit halten das aber für unter ihrem Niveau. Sie meinen, sie haben mit diesem Spam-Dreck nichts zu tun. Ich spreche von sehr großen Firmen, zu denen auch die Deutsche Telekom gehört. Es ist äußerst schwer, diese Leute überhaupt zu erreichen, was sehr schade ist, denn sie haben es in der Hand: Sie könnten Spam morgen stoppen, wenn Sie sich die Mühe gäben. Sie müssten nur auf die Meldungen reagieren, woher der Spam kommt. Reports von uns und anderen Selbsthilfeorganisationen gegen Spam. Aber sie ignorieren uns einfach.

    Dabei leisten nicht kommerziell arbeitende Gruppen wie das Spamhaus eine Arbeit, die Regierungsbehörden nicht und Verbraucherschutzorganisationen nur schwerlich leisten können. Manche Internet Service Provider sind außer – wie Richard Cox andeutet – arrogant auch noch einem hohen Gut verpflichtet, nämlich dem Datenschutz. Sie dürfen die so genannten Verbindungsdaten, wann wer online war, nicht ohne richterliche Anordnung offen legen. Cox verlangt das aber auch nicht. In den meisten Fällen, meint er, sollte es genügen, dem Internet Service Provider zu sagen, es hat einer mit der IP-Nummer Soundso dann und dann von deinem Rechenzentrum aus Massen an Emails versandt, dreh dem mal den Hahn zu.

    Ein durch einen nichts sagenden Blindtext getarnter und deswegen von Spamfiltern schwer zu enttarnender Spam:


    Von: Gale Bridges

    An: primus@ uni-koeln.de

    Durchschläge an: rakowski, postmaster, soft, eilers, dworsky, aosv1, aosv2, aosv3,
    aoz03, aoz09, arc01@rrz.uni-koeln.de

    Thema: Galgen

    Wehrpflichtige Konzert Endlich hab ich’s geschafft, abzunehmen. Stiefel_schnüren blasen negroid Renaissance harmonisch detonieren krokodilisch belesen biaxial Nordhoff Staub Appalachen Kolosseum vierpolig Unglaublich, wie leicht das plötzlich ging.unlösbar Küstenreinigung Picasso Wertschätzung autosuggestiv Pullmann kaukasisch hinten ambitiös administratix erwerblich Mitose Erstaunliche Methode, die Pfunde loszuwerden! Ankara entzündet Labrador Farbmeter Opa Geld zurück, wenn es bei Ihnen nicht klappt!
    Anna deluxe Proton Quarantäne Brust Kamearmann Canterbury Postbote Aspirin Umgebung Delphi Gewehrsalve Essenszeit grünlich Nicht interessiert. fies absurd bösartig heterosexuell Zyklone Datum Trauer Zentraurus träumt Algorithmus harmonische Glocken


    Das Internet hat vieles überstanden, weil es von Natur her adaptiv ist, sich quasi selbst organisiert. Es gibt zwar Leitbehörden wie die ICANN, die das Internet ein wenig regulieren, aber im wesentlichen reguliert es sich selbst. Wenn der US-Anwalt Jon Praed meint, die bösesten Spammer dieser Welt würden alle zusammen in einen großen Konferenzraum passen, schießt man da mit all den Diskussionen über Gesetze und Regelungen nicht mit Kanonen auf Spatzen? Warum vertraut man nicht auch in diesem Fall darauf, dass sich das auch hier wieder das Internet selbst organsiert, sich die Sache quasi irgendwie von selbst erledigt, z.b. dadurch, dass alle die Schnauze voll von Spam haben? Der Australier Bob Horton:

    Dass sich das einmal von selbst erledigt, war natürlich die Hoffnung. Und ich möchte Deutschland in diesem Zusammenhang meine Bewunderung ausdrücken, wie man bei Ihnen auf die Selbstregulierung des Internets setzt und damit auch Innovationen fördert. Aber manchmal im Leben ist es angesagt, einige besondere Vorsichtsmaßnahmen, einige Regeln einzuführen, um größeren Schaden abzuwenden, Schaden, der durch Menschen verursacht wird, die diese Basis unseres sozialen Zusammenlebens zerstören wollen. Hier geht es um den globalen Missbrauch eines globalen Mediums. Es kann gut sein, dass 98% der Emails, die Sie erhalten – egal in welchem Land Sie leben – aus dem Ausland stammen. Wir müssen also unsere bestehenden Landesgesetzgebungen überprüfen, sie mit denen anderer Länder vergleichen, um zu neuen Gesetzen zu kommen, die dann international kompatibel sind.

    Jedes Land sollte irgend ein Gesetz gegen Spam haben, ob das nun Opt-Out, Opt-In, Opt-Up oder Opt-Down heißt. Mit der Zeit und mit zunehmender Erfahrung wird sich herausstellen, welches Mittel am besten wirkt. Wir werden die Ergebnisse miteinander vergleichen, und es wird sich dann ganz natürlich ein Standard, eine weltweit einheitlich Regelung herauskristallisieren.

    Das Australische Opt-In Gesetz hat schon nach wenigen Monaten dazu geführt, dass vom eigenen Land deutlich weniger Spams in die weite Welt hinausgehen. Bob Horton war prädestiniert, die ITU-Konferenz gegen Spam in Genf zu leiten. Die Abschlusserklärung wird nun in mehrere Konferenzen, unter anderem auch der OECD eingehen. Sie legt den Schwerpunkt auf internationale Zusammenarbeit und nimmt dabei insbesondere die Entwicklungsländer ernst.

    Was die Entwicklungsländer am meisten brauchen, ist irgend eine Form der nationalen Gesetzgebung sowie einen Ansprechpartner, einen Spam-Beauftragten, der den Kontakt mit den anderen Ländern hält. Diese Regelung muss nicht zu kompliziert sein. Dann könnten wir sehr leicht zu einem internationalen "Memo of Understanding", einer konreten politischen Absichtserklärung aller Länder gelangen. Diese würde technische Hilfe ebenso mit einschließen wie gemeinsame Nachforschungen über die Herkunft von Spam und die Verfolgung von Betrugsfällen. In dieser Kooperation würden sich dann Länder finden, die mehr oder weniger Erfahrungen mit dem Spam-Problem haben. Die Entwicklungsländer bekämen so den Anschluss an ein internationales Niveau.

    Schließlich steht für diese Länder viel auf dem Spiel. Sehen wir uns Afrika an. Dort hängt man sehr vom Internet ab. Das Internet erscheint vielen Afrikanern wie eine Eintrittskarte zu einer eigenen Zukunft, eine Zukunft der Erziehung und des Lernens, des Wirtschaftens und Handelns und der sozialen Anbindung an den Rest der Welt. Diese Menschen verbinden mit dem Informationszeitalter große Hoffnungen. Es ist daher umso trauriger, mit anzusehen, dass ihnen die technischen Voraussetzungen fehlen, dem Missbrauch der Emails zu widerstehen. Das ist der Grund, warum gerade diese Länder so aktiv an allen Diskussionen gegen Spam teilnehmen. Und hier bei der ITU können sie sicher sein, ernst genommen zu werden.

    Microsoft-Gründer Bill Gates hat vor einigen Monaten angekündigt, in exakt zwei Jahren sei das Problem Spam unter Kontrolle. Das glaubt kaum jemand. Wohin wir kommen werden, so Richard Cox vom Spamhaus, ist, dass das Versenden von Spam als gesellschaftlich inakzeptables Verhalten angesehen wird, und wer das nicht einsieht, mit Strafen rechnen muss. Ihm gefiele eine so harte Lösung gar nicht, aber wenn es der einzige Weg ist, diese Pest zu stoppen, dann bitteschön. Und aus dem Knast kann man schließlich nicht mehr spammen.