Ministerpräsident Mariano Rajoy tritt in den letzten Monaten in Madrid mit stolzgeschwellter Brust vor die Kameras. Spanien hat alles richtig gemacht. Glaubt er.
"Spanien hat schon im Jahr 2012 eine große Schlacht geschlagen, um den Rettungsschirm zu vermeiden, und wir haben das geschafft. Und wir sehen natürlich, dass die Reformen, die wir gemacht haben hart, schwierig und unangenehm waren, aber heute, wo wir eine genauso schwierige Situation in Griechenland sehen, sehen wir dass Spanien mit drei Prozent am meisten wächst in Europa. Heute können wir sagen, die Anstrengung hat sich gelohnt."
Ortswechsel. Briviesca. 7.000 Einwohner. Knapp drei Autostunden nördlich von Madrid. Hier ist noch Kastilien. Die spanische Kernprovinz. Aber hier gab es auch mal 10.000 Einwohner. Vor der Krise. Die, die konnten und auch die die mussten, weil sie ihre Arbeitsplätze verloren haben, sind jetzt weg.
Ein Dorf, gezeichnet von der Krise
Die Rentner auf dem mit Bäumen gesäumten Marktplatz, vor der Kathedrale und dem Rathaus, wollen von "der lohnenden Anstrengung" von der spanische Ministerpräsident gesprochen hat, nichts wissen, sie fangen an zu lachen, wenn man sie danach fragt.
"Nein, nein, nein - das wir vielleicht ein bisschen rauskommen aus der Krise mit Gürtel enger schnallen. Das ja, aber dass wir sie schon hinter uns haben. Nein!"
Einer verkörpert in Briviesca die Krise wie kein Zweiter. Es ist der ehemalige Bürgermeister José Maria Ortiz Fernandez. Abgewählt, seit ein paar Wochen. Das erste Mal seit der Franco-Zeit gibt es in Briviesca einen linken Bürgermeister. Und Jose Maria Ortiz Fernandez kann nur noch traurig aufzählen, was es in Briviesca alles mal gab.
"Die Krise hat uns hier natürlich auch deshalb so schwer getroffen, weil wir hier vor allem für den Bau produziert haben. Hier war die Blase besonders ausgeprägt, die geplatzt ist. Deswegen haben die ganzen Unternehmen geschlossen, die hier Fliesen, Türen, eben alles produziert haben, was mit dem Bausektor zusammenhängt."
Jetzt ist immer noch alles zu. Im Gewerbegebiet hat kaum eine Halle geöffnet, in der Stadt selbst, überall zugeklebte Fenster, vernagelte Türen. Massenweise Schilder mit dem Hinweis "Zu verkaufen". Der Ex-Bürgermeister macht keinen Hehl aus der Situation.
Wer kellnert, bekommt sofort einen Job
"Früher gab es in der Straße hier gleich nebenan 40 Geschäfte. Jetzt sind es noch vier."
Dass in Briviesca eine Initiative aus in der Krise entlassenen Herrenschneidern, deren Betrieb in die Pleite geschlittert war, jetzt wieder ein Unternehmen führt und dass 30 der 200 ehemaligen Mitarbeiter wieder einen Arbeitsplatz haben, ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Noch ist vom Aufschwung in der Kleinstadt in Kastilien-Leon wenig bis gar nichts angekommen. Alle, die konnten sind weg. Auf dem Marktplatz Rentner oder Kinder. Denn Geld wird im Moment in Spanien mit Tourismus verdient. An der Küste. Weit entfernt. Dort boomt es. Spanien profitiert von der Unsicherheit in den nordafrikanischen Ländern, von der Vertrautheit der europäischen Urlauber mit Inseln wie Mallorca oder Ibiza.
Und auch das passt ins Bild vom Land, das nur allmählich aus der Krise kommt: Nach der letzten Statistik ist die Mehrheit der neuen Arbeitsverträge befristet, manchmal bekommen die Menschen nur für Tage eine Anstellung. So wie es eben im Saisongeschäft Tourismus üblich ist. Kein Wunder, dass nach jüngsten Berichten eine Berufsgruppe am meisten Chancen in Spanien hat, sofort einen Arbeitsplatz zu bekommen: Es sind - Kellner.