Wie das Portal „Relevo“ berichtet, hat die spanische Anti-Doping-Agentur CELAD bürokratische Hintertürchen benutzt, um Dopingfälle zu kaschieren. CELAD soll zum Beispiel 365 Tage gewartet haben – die maximal zulässige Dauer – um eine Sportlerin über einen positiven Dopingtest zu informieren. Weil CELAD keine Mail, sondern einen Brief geschrieben hat, kam der Bescheid bei der Athletin zu spät an. Sie konnte Einspruch beim Sportgerichtshof erheben und bekam Recht. Sie wurde nicht bestraft.
Kein Verfahren trotz positivem Test
In einem anderen Fall, über den die Zeitung El Diario berichtet, wurde der Sprinter Patrick Chinedu Ike positiv auf drei Substanzen getestet. Aber die CELAD hat kein Verfahren eröffnet, sondern lässt den Leichtathleten weiter antreten. Auch die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA hat laut Relevo nicht eingegriffen, obwohl ihr das positive Ergebnis vorliegt.
Seit fünf Jahren habe die WADA zugelassen, dass in Spanien Athletinnen und Athleten, die gegen die Anti-Doping-Regeln verstoßen haben, nicht bestraft werden.
Diverse Dopingvergehen soll die CELAD zudem vertuscht haben, indem sie den Sportlerinnen und Sportlern nachträglich eine medizinische Ausnahmegenehmigung für die entsprechende Substanz erteilte. Als Beispiel für diese Praxis nennt Relevo die spanische Marathonrekordhalterin Majida Maayouf.
Keine regelkonforme Durchführung der Tests
Das spanische Sportportal berichtet außerdem, dass CELAD zwischen 2017 und 2022 eine externe Firma dafür bezahlt hat, Dopingtests durchzuführen – diese Tests hat die Firma dann aber mit nicht geschultem oder zu wenig Personal durchgeführt. Auch dies würde bei einem positiven Test dazu führen, dass der betreffende Sportler das Ergebnis anfechten könnte.
Genau dies war offenbar die Befürchtung bei der CELAD, als eine der Proben tatsächlich positiv ausgefallen ist. Deswegen sollen laut Relevo der Direktor der Dopingkontrollabteilung der CELAD, Jesús Muñoz-Guerra, sowie eine weitere Mitarbeiterin die Test-Dokumente verändert haben, um zu verschleiern, dass es bei der Durchführung des Tests Mängel gegeben hat. Gegen die beiden CELAD-Angestellten läuft inzwischen ein Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung. Es drohen laut Relevo Freiheitsstrafen von viereinhalb Jahren.
Relevo: WADA hat Untersuchung eingeleitet
Durch die mangelhaften Tests könnte der spanischen Anti-Doping-Behörde auch ein finanzieller Schaden entstanden sein, weil sie für Tests bezahlt hat, die nicht brauchbar waren. Der damalige Generalsekretär der CELAD, Agustin Gonzalez, hatte 2021 dies in internen Audits angemerkt und bemängelt. Diese Überprüfungen wurden aber ignoriert, woraufhin Gonzalez von seinem Amt zurückgetreten ist.
Durch die Veröffentlichungen steigt nun aber der Druck auf die CELAD. Inzwischen hat die WADA erklärt, dass ihr die Probleme bei der CELAD seit Monaten bekannt seien. Sie habe deswegen den „höchst ungewöhnlichen“ Schritt vollzogen, der CELAD drei laufende Doping-Verfahren zu entziehen.
Zudem habe die WADA die spanische Anti-Doping-Behörde dazu aufgefordert, Probleme bei den Tests und im Management abzustellen. Die spanische Sportbehörde fordert den Rücktritt des Direktor der CELAD.
iNADO-Direktor Levya: "Nicht wirklich dramatisch"
Deutlich weniger dramatisch sieht Jorge Levya die Situation. „Ich war natürlich überrascht, als ich von dem Fall gelesen habe“, sagte Levya im Deutschlandfunk. Er ist Direktor der iNADO, einem Zusammenschluss von 69 nationalen Anti-Doping-Organisationen. Die Einzelheiten des Falls kenne er nicht, sagte Levya, „aber wenn ich mir die wichtigsten Vorwürfe separat anschaue, ist für mich alles was ich sehe nicht wirklich dramatisch.“
Sportfans, Athletinnen und Athleten müsse man erklären, "dass es gut ist, das Athletinnen und Athleten, die vom Anti-Doping-System erfasst werden, das Recht haben, zu unabhängigen Instanzen zu gehen, wenn sie der Meinung sind, dass ein Fehler gemacht wurde.“
Keine "Hintertür" für Doping-Betrüger
Dass ein Richter eine Doping-Strafe aufhebt, „kann man vielleicht als Rückschlag für das Anti-Doping-System bewerten“, sagte Levya. „Aber das ist eigentlich ein Nachweis, dass es eine gegenseitige Kontrolle im System gibt. Das ist für mich aber kein Nachweis, dass man Betrügerinnen und Betrügern systematisch die Hintertür öffnet.“
Auch wenn die internationale Doping-Kontrolle ein international standardisiertes System sei, sei jede Kontrolle anders, so Levya. „Da ist immer eine differenzierte Betrachtung notwendig. Daher finde ich die Auswirkungen des Falles jetzt gering. Auch wenn ich die Schlagzeilen gerne vermieden hätte.“
Levya sieht kein systematisches Doping-System
Von einem systematischen Doping-Problem in Spanien möchte Levya deshalb nicht sprechen. Allerdings zeige der Fall, „wie verstrickt und komplex das System geworden ist. Und wie schwierig es bedauerlicherweise für uns alle ist, immer einen Überblick zu behalten.“
Sorge, dass nun etwa bei den Olympischen Spielen in diesem Jahr Athletinnen und Athleten aus Spanien sich einen unfairen Vorteil verschaffen könnten, hat Levya deshalb nicht. „In den Jahren, über die in der Zeitschrift gesprochen wird, hat die CELAD auch viele Athletinnen und Athleten nach einem positiven Test gesperrt. Natürlich kann es vorkommen, wie in anderen Ländern auch, dass die Bearbeitung von positiven Tests länger dauert“, sagte er.
„Auch der Vorwurf, dass Ausnahmegenehmigungen für verbotene Substanzen im Nachgang erteilt wurden, ist etwas, was auch in anderen Ländern vorkommt und für das es gute Gründe geben kann.“