Archiv

Spanien
Eine neue Volkspartei will punkten

Seit einigen Monaten wirbt die ursprünglich aus Katalonien stammende Partei Ciudadanos erfolgreich um die Sympathiewerte der spanischen Bürger. Und mit jedem Korruptionsskandal der etablierten Parteien steht sie besser da. Den ersten Test muss die Partei Ende Mai überstehen: Dann stehen Regional- und Kommunalwahlen an.

Von Hans-Günter Kellner | 04.05.2015
    Der Vorsitzende der Partei Ciudadanos, Albert Rivera (rechts) und der Kandidat für die Regionalwahlen in Andalusien Juan Marin (links)
    Der Vorsitzende der Partei Ciudadanos, Albert Rivera (rechts) und der Kandidat für die Regionalwahlen in Andalusien Juan Marin (links) (dpa / Paul Caro)
    Es geht laut zu bei Metroscopia. Rund 60 Telefonisten sitzen im Call Center des Marktforschungsunternehmens eng zusammen. "Gehen Sie wählen, wen werden Sie wählen, wen haben sie zuletzt gewählt? Das sind die Fragen der Telefonisten. Ein Stockwerk darüber denkt Soziologe José Pablo Ferrándiz darüber nach, wie er die Ergebnisse interpretieren soll. Große Probleme macht ihm die neue Formation Ciudadanos, zu deutsch "die Bürger":
    "Mit Ciudadanos haben wir dieselben Schwierigkeiten, die wir schon bei Podemos hatten. Es ist eine sehr junge Partei, wir haben sie erst seit Januar in den Umfragen, wir haben keine Erfahrungswerte. Mit jeder Umfrage steigt die Zustimmung der potenziellen Wähler für Ciudadanos, während Podemos derzeit an Zuspruch verliert. Ciudadanos gewinnt vor allem ehemalige Wähler der Volkspartei."
    Ciudadanos und Podemos orientieren sich wie die beiden alten großen Volksparteien stark an der politischen Mitte - dort, wo die Wahlen in Spanien entschieden werden. Dabei verleugnen sie ein Stück weit ihre eigene politische Heimat. Die meisten der Gründer von Podemos haben eindeutig linke Biografen, während Albert Rivera von Ciudadanos eher im konservativen Lager beheimatet ist:
    "Albert Rivera sagt immer, dass er seine Partei in der Mitte und leicht links davon sieht. Aber das sagt er nur, weil dort die meisten Stimmen zu holen sind. Eine Partei, die sich klar als rechts definiert, würde immer Probleme haben. Die Wirtschaftsexperten der Partei und ihre Aussagen zur Wirtschaftspolitik deuten darauf hin, dass sie eben leicht rechts der Mitte stehen."
    Klare Reformvorschläge
    Anders als Podemos macht Ciudadanos recht klare Vorschläge: Eine Steuerreform soll sowohl die Mehrwertsteuer wie die Einkommenssteuer vereinfachen. Statt drei Mehrwertsteuersätze solle es in Spanien nur noch zwei wie etwa auch in Deutschland, geben, die fünf Lohn- und Einkommenssteuersätze sollen auf drei reduziert werden, erklärt Parteichef Rivera im spanischen Radiosender Cadena Ser :
    "Wir wollen die Staatseinnahmen beibehalten, aber gleichzeitig soll den Spaniern mehr von ihrem Geld übrig bleiben, damit sie mehr konsumieren. Es kann natürlich sein, dass das Brot mit der Mehrwertsteuerreform einen oder zwei Cent teurer wird. Aber mit der Reform der Einkommenssteuern hat der Steuerzahler im Jahr ja auch 1.500 Euro mehr. Die Leute mit mittleren und niedrigen Einkommen haben dann einfach mehr Geld in der Tasche."
    Gleichzeitig verspricht die Partei, die Arbeitslosenquote von derzeit 24 auf zehn Prozent zu reduzieren. Sie will das Arbeitsrecht vereinfachen und die Lohnnebenkosten reduzieren, damit mehr Arbeitslose in neue Jobs kommen:
    "Diese Regierung hat nur die Entlassungen billiger gemacht. Aber die Lohnnebenkosten hat sie nicht gesenkt. Sie hat auch nicht das Arbeitsrecht vereinfacht. Sie hilft den Unternehmen nicht, Arbeitslose wieder zu beschäftigen. Darauf wollen wir uns konzentrieren. Wir wollen Abschläge auf die Nebenkosten durchsetzen, wenn wir regieren. Wir wollen, dass die Unternehmen es leichter haben, den Bürgern zu helfen."
    Ein unternehmerfreundlicher Ton
    Der unternehmerfreundliche Ton kommt nicht von ungefähr. Für das Wirtschaftsprogramm zeichnet Luis Garicano verantwortlich, Lehrstuhlinhaber an der prestigeträchtigen London School of Economics. Das Programm klingt nicht populär, aber Ciudadanos - ähnlich wie Podemos - steht für einen Neuanfang in der Politik - während die alte Volkspartei mit immer neuen Korruptionsaffären Schlagzeilen macht, sagt Albert Rivera:
    "Die Parteien sollen für Korruptionsfälle direkt verantwortlich gemacht werden können. Sie könnten bei einem Korrupten in den eigenen Reihen nicht mehr sagen: 'Das ist ein Einzelfall.' Nein, für den Schaden, den diese Einzelfälle anrichten, sollen jetzt die Parteien selbst aufkommen."
    Manche Umfragen sehen Ciudadanos inzwischen schon fast gleichauf mit der Volkspartei, während Podemos den Sozialisten das linke Lager streitig macht. Und am 24. Mai stehen Regional- und Kommunalwahlen an. Einen Sieger sehen die Umfragen nicht. Nur eines scheint gewiss: Klare Mehrheiten wird es in Spanien keine mehr geben.