Trotz aller hitzigen Debatten im Plenum bei der Wahl Rajoys zum spanischen Regierungschef: In der Cafeteria des spanischen Parlaments wird viel gelacht. Kaum jemand achtet darauf, wer welcher Fraktion angehört. Ein gutes Zeichen dafür, dass die Politiker bei den dringenden Problemen des Landes zusammenfinden könnten.
"Wir haben ein Defizit in der Rentenkasse. Im letzten Jahr waren es 15 Milliarden Euro, im nächsten Jahr könnten es mehr als 20 Milliarden werden", beschreibt Rafael Simancas von den spanischen Sozialisten eines der Probleme, die die Abgeordneten nun anpacken müssen: "Wir hatten Rücklagen in Höhe von 66 Milliarden, die eigentlich gedacht waren, um die Notwendigkeiten aus dem Babyboom zu finanzieren, der uns 2030 in Schwierigkeiten bringt. Aber diese Rücklagen sind in den letzten Jahren stark zurückgegangen."
Seit Beginn der Krise finanziert Spanien seine Renten aus einem Rücklagenfonds, den die Regierung des damaligen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero in den Zeiten des Booms gebildet hatte. Diese Rücklagen sind in einem Jahr aufgebraucht. Alberto Montero, rentenpolitischer Sprecher von Podemos, erklärt die Gründe:
"Betrachtet man die großen volkswirtschaftlichen Eckdaten, erholt sich unsere Wirtschaft zwar. Aber die Menschen verdienen weniger. Und mit den Gehältern sinkt auch die Höhe der Rentenbeiträge. Gleichzeitig geht jetzt eine Generation in Rente, die Jahrzehnte lang teilweise hohe Beiträge einbezahlt hat und entsprechend hohe Bezüge bekommt. Es gibt keinen anderen Weg, als das System aus den Steuern mitzufinanzieren."
Knapp 1.000 Euro bekommt ein Rentner heute in Spanien, rund 500 Euro sind es mindestens. Das sind rund 80 Prozent des letzten Gehalts, damit liegt Spanien im Verhältnis gesehen an der Spitze in Europa. Die Spanier müssen künftig mit 67 Jahren in Rente gehen, ab 2019 gilt zudem ein sogenannter Nachhaltigkeitsfaktor, der Ausgaben und Einnahmen der Rentenkasse in Einklang bringen soll. Doch um zu starke Rentenkürzungen zu vermeiden, will auch die Volkspartei die Einnahmesituation verbessern, erklärt deren Sprecherin Carolina España:
"Wir müssen zuallererst Arbeitsplätze schaffen. Die Probleme sind entstanden, als mit der Krise – als noch die Sozialisten und nicht wir regierten – drei Millionen Arbeitsplätze vernichtet worden sind und die Rentenkasse in Schieflage gerutscht ist. Wir haben zudem beitragsunabhängige Leistungen, die aus den Steuern finanziert werden könnten. Das geschieht schon jetzt teilweise, aber möglicherweise müssen wir diese Querfinanzierung der Rentenkasse erweitern."
Opposition signalisiert Gesprächsbereitschaft
Zu einer solchen Maßnahme signalisieren die Sozialisten wie auch Podemos Gesprächsbereitschaft. Doch mehr als eine große Koalition zeichnet sich bei der Rentenreform ein Linksbündnis ab. Simancas fordert eine Sondersteuer für die Renten nach französischem Vorbild, Carolina España von der Volkspartei lehnt diesen Vorschlag ab. Bei der Frage nach einer weiteren Erhöhung des Rentenalters deutet dagegen vieles auf einen Konsens hin:
"Ich habe bislang von niemandem gehört, dass das Rentenalter erhöht werden soll. Weder aus meiner Partei noch von irgendjemand anderem. Wir müssen Arbeitsplätze schaffen und sehen, ob wir bestimmte Leistungen mit Steuermitteln finanzieren."
Während Podemos zurückliegende Reformen von Volkspartei und Sozialisten rückgängig machen möchte. Aber auch Alberto Montero zeigt sich zu einer konstruktiven Debatte bereit.
"Wir müssen uns verständigen. Wir haben ja nur noch ein Jahr Zeit dafür. Es wäre eine historische Verantwortungslosigkeit, wenn wir im Dezember den Rentnern das Weihnachtsgeld nicht mehr ausbezahlen könnten. Uns unterscheidet von den Sozialisten: Sie sind für den Nachhaltigkeitsfaktor und wollen die Subventionen für neue Arbeitsverträge aus der Rentenkasse beibehalten. Aber gut, letztlich wird es eine Vereinbarung geben."
Dann ruft der Gong die Abgeordneten wieder in den Sitzungssaal. "Zurück ins Theater", sagt Alberto Montero und verzieht das Gesicht. Die Abgeordneten wissen: Spaniens Rentner – eine der wichtigsten Wählergruppen – würden es ihnen nicht verzeihen, sollten sie die bislang erlebte Blockade im Parlament fortsetzen.