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Spanien
Madrid entscheidet über Barcelonas Unabhängigkeitspläne

Katalonien will im Herbst über seinen Verbleib im spanischen Zentralstaat abstimmen. Laut spanischer Verfassung sind Referenden allerdings Sache des Staates, daher hat die Region die Erlaubnis dazu beantragt. Doch bei der heutigen Entscheidung im Parlament wird ein klares Nein erwartet.

Von Julia Macher | 08.04.2014
    Eigentlich könnten sich die Vertreter des katalanischen Parlaments die dreistündige Zugfahrt nach Madrid sparen. Die konservative Volkspartei regiert mit absoluter Mehrheit. Ihre Abgeordneten werden mit Nein stimmen. Auch die oppositionellen Sozialisten haben das schon mehrmals angekündigt. Der Antrag, die Kompetenz für ein Referendum auf die katalanischen Regionalregierung zu übertragen, ist deshalb zum Scheitern verurteilt. Trotzdem wird die Zuschauertribüne voll besetzt, der Pressesaal überfüllt sein: Was in der spanischen Hauptstadt aufgeführt wird, ist ein politisches Theaterstück, bei dem es darum geht, den Zuschauer davon zu überzeugen, wer Held und wer Schurke ist - im Drama um eine mögliche Loslösung von Spanien.
    "Für uns kann der Weg nur über Dialog und gegenseitiges Verständnis führen. Natürlich können wir uns das Ergebnis vorstellen, aber wir glauben, wir müssen vor dem Staat und der EU beweisen, dass uns wirklich daran gelegen ist, zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen, ganz so, wie es unserem Stil entspricht. Nach dem Nein des Parlaments werden wir weiter nach allen möglichen legalen Wegen suchen."
    Sagt Victor Terradellas, Sekretär für internationale Beziehungen der katalanischen Regierungspartei Convergència. Als wichtigste Alternative zu einem Referendum nach nationalem Recht gilt eine Befragung nach regionalem Recht. Dieses Gesetz ist noch in Arbeit, aber schon jetzt gilt es als sicher, dass die Zentralregierung in Madrid vor das Verfassungsgericht ziehen wird, um seine Gültigkeit anzufechten.. Hinter vorgehaltener Hand geben ranghohe katalanische Politiker daher zu, dass das wahrscheinlichste Szenario vorgezogene Neuwahlen sind – mit der Unabhängigkeitsfrage als zentralem Programmpunkt. Innerhalb von vier Jahren stünde Katalonien damit zum dritten Mal vor einer Wahl.
    Verfahrene und geklärte rechtliche Situation
    Die Situation im Streit um das Referendum ist verfahren: Rechtsauffassung steht gegen Rechtsauffassung. Dabei geht es nicht so sehr um den Charakter der Befragung – kein Referendum wäre rechtlich bindend – sondern um die Kernfrage, wer über die Zukunft des Staates zu entscheiden hat. Die spanische Verfassung spricht von der unverbrüchlichen Einheit der Nation, aber ist das noch legitim, wenn sich ein Teil der Bevölkerung vom Zentralstaat lösen möchte? Jüngsten Umfragen zufolge möchte das immerhin gut die Hälfte der Katalanen.
    In der öffentlichen Debatte in Katalonien haben die Sezessionisten diese Frage geschickt mit der nach einer demokratischen Abstimmung verbunden. Auch Ricard Gené von der Bürgerplattform Assemblea Nacional Catalana:
    "Es geht darum, Stimmen zu zählen: Was ist im Ja-Topf, was im Nein-Topf. Das ist die demokratischste Art der Entscheidungsfindung. Und deswegen verstehen wir nicht, warum sich der spanische Staat und die großen Parteien so dagegen sperren. Außerdem wäre ein Referendum für eine Sezession noch keine Unabhängigkeitserklärung, sondern nur der Auftakt für Verhandlungen."
    Unabhängigkeitsgegener gelten fast als Verräter
    Natürlich könne man in einer Demokratie über alles reden, aber ein Recht auf Sezession gebe es nicht, entgegnet Unabhängigkeitsgegner Joaquim Coll.
    "Die ganze Debatte ist eine Strategie, um die Befürworter der Unabhängigkeit bei Laune zu halten. Sie werden bis zuletzt die Spannung aufrechterhalten und verkünden, dass wir Katalanen wählen werden – ob wir das bei einem Referendum, einer Volksbefragung oder bei vorgezogenen Neuwahlen machen werden, lassen sie dabei bewusst offen."
    Das Klima in Katalonien sei zum Zerreißen gespannt, sagt Coll: Wer sich als Katalane gegen eine Loslösung von Spanien ausspreche, gelte fast schon als Verräter. Um Fürsprechern eines Verbleibs im Zentralstaat mehr Gewicht zu geben, hat der Historiker gemeinsam mit anderen Intellektuellen die Plattform "Societat Civil Catalana" gegründet. Der Name "Katalanische Zivilgesellschaft" ist auch eine Kampfansage an die Unabhängigkeitsbefürworter.
    Denn bisher ist in Katalonien vor allem die Stimme der Sezessionisten zu hören, allen voran die der Assemblea Nacional Catalana. Pünktlich zur Parlamentsdebatte hat die Bürgerplattform, die im letzten Jahr die Menschenkette quer durchs Land organisiert hat, das Motto der nächsten Demonstration bekannt gegeben. Am 11. September, dem katalanischen Nationalfeiertag, will sie ein V ins Straßenbild von Barcelona zeichnen - in dem ihre Anhänger zwei im spitzen Winkel zueinanderverlaufende Hauptverkehrsachen füllen.. Aus der Luft wäre dann ein gigantisches Siegeszeichen zu erkennen.