319 Ja-Stimmen, nur zwei Gegenstimmen und eine Enthaltung – der Applaus war fröhlich im sonst eher von heftigem Streit geprägten spanischen Parlament. Eine Delegation der palästinensischen Autonomiebehörde richtete von der Zuschauertribüne freundliche Gesten an die Abgeordneten. Dabei hat das Parlament mit dem Votum Palästina längst noch nicht anerkannt, sondern nur eine unverbindliche Empfehlung an die Regierung ausgesprochen, dies zu tun. Für Cristina Álvarez, Herausgeberin der außenpolitischen Zeitschrift "esglobal", war es dennoch eine besondere Abstimmung:
"Unsere Beziehungen zur arabischen Welt haben Geschichte. Spanien war acht Jahrhunderte lang muslimisch beherrscht. Das hat ein großes Gewicht, politisch wie gesellschaftlich. Als Spanien 1986 Israel anerkannt hat, hatte es längst diplomatische Beziehungen zu vielen arabischen Ländern. Die Mehrheit der Spanier hat Sympathien für die Palästinenser. Das wird in Israel aufgefasst, als wären die Spanier gegen Israel. Aber das stimmt nicht, weder seitens der Regierung noch seitens der Bevölkerung."
So bietet Spanien den Nachfahren der sogenannten Sepharden, also der 1492 von den katholischen Königen vertriebenen Juden, wieder die spanische Staatsbürgerschaft an. Bei den Spaniern liegen die Sympathien zwar eher auf der Seite der Palästinenser, doch die Politik versucht sich traditionell als Mittler, etwa 1991 bei der Friedenskonferenz zum Nahen Osten in Madrid. Mit der Resolution zur Anerkennung will Spanien in der Frage jetzt wieder eine wichtige Rolle übernehmen, als derzeitiges Mitglied im Weltsicherheitsrat sowie als EU-Mitglied, meint Manzano:
"Man muss den Beschluss unseres Parlaments im Kontext der europäischen Außenpolitik sehen. Die neue EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini ist sofort nach Antritt ihres Amtes in den Nahen Osten nach Tel Aviv, Jerusalem und Ramallah gereist. Sie will, dass Europa wieder eine stärkere Rolle bei der Lösung des Konflikts spielt."
Darauf hoffen die meisten Nahost-Experten in Spanien. Die Schritte zur Anerkennung Palästinas unabhängig von der Zustimmung Israels in mehreren EU-Staaten könnten in Europa eine neue Dynamik hin zur Zwei-Staaten-Lösung in Gang setzen. In Spanien wird der Nahost-Konflikt als Sprengstoff für den gesamten Mittelmeerraum wahrgenommen. Ähnlich sei es in anderen Staaten Südeuropas, sagt auch Ignacio Álvarez. Er ist Professor für Arabische Studien an der Hochschule in Alicante:
"Die südeuropäischen Staaten von Frankreich, Spanien über Italien bis zu Griechenland sind sich da einig. Sie fordern schon immer von der Union eine stärkere Unterstützung der Palästinenser. Ihnen ist klar, dass sie gemeinsame wirtschaftliche und geostrategische Interessen im Mittelmeerraum haben. In allen arabischen Mittelmeeranrainer-Staaten kann der Nahost-Konflikt sehr viele Menschen mobilisieren."
Dass eine Anerkennung Palästina im Konflikt Vorteile verschaffen würde, glaubt in Spanien hingegen kaum jemand. Und Spaniens Parlament hat seinen Beschluss ausgerechnet am Tag des Anschlags auf die Synagoge in Jerusalem gefasst. Doch Alvarez meint:
"Wir dürfen nicht vergessen, dass Jerusalem schon seit zwei Monaten praktisch eine neue Intifada erlebt. Täglich kommt es zur Gewalt, teilweise mit Todesopfern. Aber die Politik muss trotzdem weitermachen. Gerade, um diesen Konflikt zu beenden, von dem nur die Radikalen auf beiden Seiten etwas haben."
Dann macht sich Álvarez auf den Weg zur Vertretung der palästinensischen Autonomiebehörde in Madrid auf. Dort ist Xavier Abu Eid, Sprecher der Verhandlungskommission der PLO, zu Gast. "Danke Spanien" tippt er auf seinem Handy in den Kurznachrichtendienst twitter ein. Er hat aber auch Erwartungen:
"Wir haben Spanien bei seiner Bewerbung um den Sitz im Weltsicherheitsrat mit allen unseren diplomatischen Möglichkeiten unterstützt. Spanien ist uns nicht fern. Es hat unsere Rechte immer unterstützt. Wir denken, die Spanier können eine entscheidende Rolle spielen, nicht nur im Weltsicherheitsrat, sondern auch in der Europäischen Union. Wir vertrauen darauf, dass sie auch wahrnehmen."