Nein, sie repräsentieren uns nicht, rufen die Demonstranten in der Madrider Innenstadt. Seit die Protestbewegung der sogenannten "Empörten" vor drei Jahren zum ersten mal auf die Straßen gegangen ist, schallt das den spanischen Politikern bei jeder Kundgebung entgegen. Inzwischen sind einige der Protestierenden selbst zu Politikern geworden. Ihre Partei heißt "Podemos". Spanien soll die Rückzahlung eines Teils seiner Staatschulden verweigern, ist eine ihrer Forderungen. Ihr Sprecher Pablo Iglesias ist mit seiner Beteiligung an Talkshows inzwischen populär geworden:
"Die politischen Eliten sind kein Abbbild Spaniens. Sie haben nicht die Probleme der normalen Leute. Die politische Kaste unterscheidet sich ganz klar von der Geselllschaft. Die Gehälter der Politiker sind mehr als großzügig. Nur wenige Beamte verdienen das."
Parteilandschaft droht Zersplitterung
Gerade mal 4000 Euro im Monat verdiene sie, wehrt sich eine Abgeordnete in der Talkrunde. Doch die Politiker der etablierten Parteien haben in solchen Debatten einen schweren Stand. So ist "Podemos" nun auch mit acht Prozent ins Europaparlament eingezogen. Auch die Postkommunisten haben Zulauf. Die Parteienlandschaft droht, zu zersplittern, Regierungsmehrheiten könnten unmöglich werden. Die Volkspartei schlägt darum eine Änderung des Wahlrechts vor - zunächst nur auf kommunaler Ebene. Pedro Gómez de la Serna, Sprecher der Konservativen im Verfassungsausschuss des Parlaments, schlägt zwei Wahlgänge vor. Bislang gibt es einen.
"An einem zweiten Wahlgang würden alle Parteien teilnehmen, die mehr als einen bestimmten Prozentsatz an Stimmen bekommen, 15 oder 20 Prozent. Wer diesen zweiten Wahlgang bewinnt, bekommt 51 Prozent der Sitze im Kommunalparlament und stellt den Bürgermeister. Das gäbe den Kommunen politische Stabilität. Die Parteien, die den zweiten Wahlgang nicht erreichen, kommen trotzdem ins Parlament."
Mit dieser Reform wollen die Konservativen stabile Mehrheitsverhältnisse garantieren und die Korruption in den Kommunen verhindern. Denn Unternehmer gründen dort auch schon mal selbst Parteien oder bestechen bei knappen Mehrheiten Stadträte - alles mit dem Ziel, Einfluss auf Baugenehmigungen zu bekommen. Gegen die Korruption richtet sich auch eine Reform des Parteiengesetzes. Gómez de la Serna:
"Die Regierungsvorlage will die Parteispenden einschränken. Unternehmen sollen keine Parteien mehr finanzieren. Die Parteispenden von Privatleuten könnten auf maximal 50.000 oder 60.000 Euro eingeschränkt werden. Alle Parteispenden sollen auf der Internetseite der Parteien in allen Details veröffentlicht werden. Kurz: Parteispenden sollen eingeschränkt und transparenter werden."
Skandale der Volkspartei
Die Volkspartei nennt ihr Themenpaket "Maßnahmen zur politischen Erneuerung", in der zweiten Jahreshälfte soll das Parlament darüber entscheiden. Es ist auch eine Reaktion auf den sogenannten "Fall Bárcenas". Ein Untersuchungsrichter hat auf Schweizer Konten des langjährigen Geschäftsführers der Partei, Luis Bárcenas, Millionensummen gefunden. Das Geld stammt mutmaßlich aus illegalen Parteispenden. Ein anderes Ermittlungsverfahren richtet sich gegen die Sozialisten in Andalusien. Sie haben sich den Ermittlern zufolge an öffentlichen Fonds bereichert, die eigentlich die sozialen Folgen der Krise abfedern sollten. Der Verdruss der Spanier über die Volksparteien hat also handfeste Gründe. Das weiß auch der konservative Abgeordnete. Gómez de la Serna:
"Es gibt eine Grundstimmung in der Gesellschaft, die die traditionellen Parteien zur Ursache für alles Schlechte macht. Natürlich haben diese Parteien Fehler gemacht. Sie müssen sie korrigieren, sie müssen sich reformieren. Aber diese Parteien zum Sündenbock für alles in der Krise machen, ist nicht nur eine starke Vereinfachung der Dinge, es ist auch gefährlich."
Weitere Vorschläge: Bürgerinitiativen sollen künftig leichter Regierungsentwürfe ins Parlament einbringen. Zudem sollen politische Mandate zeitlich begrenzt werden. Ungewiss ist hingegen, ob die großen Parteien es mit solchen Maßnahmen schaffen, das Vertrauen der Spanier auch wiederzugewinnen. Gómez de la Serna:
"Dieses Land gehört allen. Das muss den Bürgern bewusst sein. Sie sollen Ansprüche an ihre Politiker stellen. Aber man sollte jetzt nicht irgendwelchen Sirengesängen folgen, auf die hören, die jetzt im trüben Wasser fischen und einen fetten Fang hoffen. Wir haben eine tiefe Krise, manchen geht es sehr schlecht. Aber wenn wir alles auf den Kopf stellen - dann drohen uns Verhältnisse wie in der Weimarer Republik."