"Sie denken schon als Kinder, dass sie andere Menschen gleichen Geschlechts sexuell anziehend finden. Und um das zu klären, prostituieren sie sich oder gehen in Nachtklubs. Ich verspreche Euch: Sie finden die Hölle."
Ein Auszug aus einer Predigt, gehalten vor fünf Jahren von Juan Antonio Reig, dem Bischof von Alcalá de Henares, und übertragen vom spanischen Staatssender TVE. Bis heute sorgt diese Predigt in Spanien für Gesprächsstoff. Pablo Iglesias, Chef der spanischen Protestpartei Podemos, will mit Verweis auf diese Ansprache die Fernsehgottesdienste jetzt aus dem Programm verbannen:
"Die Bischöfe behaupten immer wieder, Gender-Theorien seien eine gefährliche Geschlechterideologie, die Ehe zwischen zwei Männern oder zwei Frauen sei keine Ehe, und Jugendliche sollten keine Kondome nutzen. Das können sie gerne in ihren katholischen Medien verbreiten, aber nicht im öffentlichen Fernsehen."
"Podemos" löst breite Debatte aus
Denn die katholische Kirche verfügt in Spanien bereits über ihren eigenen Fernsehsender, "13TV", und über den Radiosender "Cope". Podemos beantragt nun im Parlament, die staatliche "Televisión Española" solle die sonntäglichen Gottesdienste nicht mehr ausstrahlen. Das Ganze ist bisher nur eine unverbindliche Resolution, kein Verbot per Gesetz. Doch damit hat die Partei einen Sturm der Entrüstung losgetreten, erst in den sozialen Medien, dann auch in den Talkshows der privaten Fernsehanstalten.
Der Papst denke daran, den Podemos-Chef Iglesias selig zu sprechen, bemerkte dort ein Gast ironisch. Nach der Initiative im Parlament sei die Zuschauerquote der bislang vom Publikum kaum beachteten Ausstrahlung von sechs auf 19 Prozent gestiegen.
Tatsächlich haben am Sonntag eine Millionen Spanier den Fernsehgottesdienst eingeschaltet, dreimal mehr als üblich. Iglesias hätte auch zusehen sollen, denn er wisse scheinbar nicht, was in Kirchen geschehe, sagte der Vorsitzende der spanischen Bischofskonferenz, Ricardo Blázquez. Die Übertragungen seien wichtig für ältere Gläubige, die nicht mehr in die Kirchen gehen könnten. Einer repräsentativen Umfrage des Privatsenders "La Sexta" zufolge sprechen sich auch 60 Prozent der Spanier für die Ausstrahlung aus. Juan José Tamayo, spanischer Theologe und Kirchenkritiker, hält die Initiative von "Podemos" hingegen für richtig:
"Wenn die Kirche Spektakel will, soll sie ins Theater gehen."
"Die Fernsehübertragungen machen die Gottesdienste zum Theater. Das pervertiert den ursprünglichen Geist einer Messe. Die Intimität einer religiösen Feier in Gemeinschaft geht dabei völlig verloren, das Heilige, das Mysterium, die Transzendenz. Wenn die Kirche die Religion zum Spektakel machen will, dann soll sie dafür ins Theater gehen."
Doch Tamayo kritisiert nicht nur die Messen. Wie sich Spaniens Staatssender mit Religion beschäftigt, das sei im Ansatz falsch. Über den katholischen Gottesdienst hinaus überlässt der Sender Katholiken und Protestanten, Juden und Muslimen Sendezeit, die sie selbstständig gestalten.
"Dabei geht natürlich die Objektivität verloren. Wenn die Religionen die Berichterstattung kontrollieren, konfessionalisieren sie das Medium, sie missionieren. Ein öffentlicher Fernsehsender ist nicht zum Verbreiten des Glaubens da, sondern, um die sozialen, politischen und kulturellen Funktionen der Religionen zu analysieren."
Wenig journalistische Auseinandersetzung mit Religion
Eine journalistische Auseinandersetzung mit dem Thema Religion, wie sie Tamayo fordert, findet in Spanien tatsächlich kaum statt. Einer der wenigen spanischen Journalisten, der über das Thema mit professioneller Distanz berichtet, ist Juan Bedoya von der Tageszeitung "El País". Er begrüßt Tamayos Vorschlag, die Berichterstattung über Religion zu professionalisieren. Aber vom Vorstoß von "Podemos", der linken Protestpartei, hält er trotzdem nichts:
"Die Forderung, dass das Parlament jetzt entscheiden soll, was 'Televisión Española' ausstrahlen darf oder auch nicht, ist völliger Unsinn. Das ist eine Angelegenheit des Senders. Irgendwann nimmt der Sender diese Gottesdienstübertragungen sicher aus dem Programm. 'Radio Nacional' hat zum Beispiel 1981 die tägliche Sendung zum Angelus um 12 Uhr von ganz alleine eingestellt. Schon da sind die Bischöfe auf die Barrikaden gegangen. Die Intervention, die Podemos jetzt vom Parlament fordert, ist dumm, diese Polemik ist völlig absurd."