Carles Puigdemont hat gut lachen. Monatelang haben die katalanischen Separatisten miteinander gerungen, in letzter Minute haben sie sich doch noch geeinigt und Puigdemont zum neuen katalanischen Ministerpräsidenten gewählt. Auf die Frage, welche Botschaft er denn an Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy hat, antwortet er ein wenig spöttisch:
"Mariano Rajoy ist nur ein amtierender Regierungschef. Seine Erklärungen haben also auch nur amtierenden Charakter. Mich interessieren Regierungsprojekte, die am Ende sind, weniger. Mich würde das neue Vorhaben interessieren. Wenn denn da noch eins kommt."
Mehrheitsverhältnisse im Parlament weiter unklar
Tatsächlich hat Mariano Rajoy noch viel Überzeugungsarbeit vor sich, wenn er in seinem Amt als spanischer Ministerpräsident bestätigt werden will. Nach den Wahlen vom 20. Dezember sind die Mehrheitsverhältnisse im spanischen Parlament, das sich am Mittwoch konstituiert, weiterhin unklar. Spanien zeigt Schwäche, sagt auch Ester Capella, Abgeordnete der katalanischen Separatisten im spanischen Parlament:
"Spanien kann sich derzeit gar keine Konfrontationen leisten. Es gibt ja immer noch keine neue Regierung. Es ist auch noch gar nicht sicher, dass Rajoy weiter regiert. Vielleicht muss er auch Neuwahlen ansetzen. Spanien erlebt ja nicht unbedingt seine beste Zeit. Die Wirtschaft erholt sich nur scheinbar, es gibt nur noch prekäre Jobs, die Rentenzahlungen sind ungewiss und so weiter."
Nach der Einigung der Separatisten in letzter Minute ist Spanien für sie im Kampf um die Unabhängigkeit ein schwacher Gegner geworden. Mariano Rajoy warnt zwar: Auch als amtierender Ministerpräsident könne er noch alle Entscheidungen des katalanischen Parlaments vor dem Verfassungsgericht anfechten und sogar die katalanische Autonomie suspendieren. Doch auch der spanische Politologe Fernando Vallespín von der angesehenen Ortega-y-Gasset-Stiftung meint, Spanien brauche nun dringend eine Regierung:
"Wir würden einfach zu viel Zeit verlieren, wenn wir die Parlamentswahlen wiederholen. Das würde eine Lösung für die Situation in Katalonien sehr schwer machen. Die Separatisten dort scheinen ihren Plan um jeden Preis durchziehen zu wollen. Das führt zu einer harten juristischen Konfrontation. Es könnten Personen, die verfassungswidrig handeln, aus dem Amt entfernt werden. Juristisch wäre das zwar möglich, aber eine Regierung, die nur amtierend handelt, ist dafür nicht ausreichend legitimiert."
Komplizierte Sitzverteilung
Eine Große Koalition wäre angesichts der komplizierten Sitzverteilung das einzige stabile Bündnis. Doch der Generalsekretär der Sozialdemokraten, Pedro Sánchez, ist jetzt nicht etwa nach Berlin gereist, um sich dort von seinen deutschen Parteifreunden über die Regierungserfahrung an der Seite von Angela Merkel zu informieren, sondern zum portugiesischen Regierungschef António Costa. Aber um dessen Linksbündnis zu kopieren bräuchte Sánchez im spanischen Parlament ausgerechnet die Unterstützung der katalanischen Separatisten. Darauf werde es Sánchez nicht ankommen lassen, glaubt Vallespín:
"Die sozialdemokratische Partei ist eine staatstragende Partei. Sie kann sich nicht einfach aus der Verantwortung stehlen. Ich denke, wir werden am Ende eine Koalition aus der Partei der Bürger und der Volkspartei haben. Die Sozialdemokraten würden sie unterstützen. Im Gegenzug wäre die Volkspartei zu einer Verfassungsreform bereit – auch zur katalanischen Frage. An dieser Debatte würden sich alle Parteien beteiligen. Gleichzeitig würden ein paar polemische Gesetze der Volkspartei wie zum Kündigungsschutz oder die Verschärfung des Demonstrationsrechts wieder rückgängig gemacht."
So waren nach der Einigung der Separatisten in Barcelona alle Kameras und Mikrofone auf den Sozialdemokraten Pedro Sánchez gerichtet. Der will Mariano Rajoy weiterhin nicht unterstützen:
"Nein, vier weitere Jahre mit Rajoy an der Regierung machen die Konfrontation noch schlimmer. Nachdem, was am Wochenende in Katalonien passiert ist, ist ein politischer Wandel in Spanien dringender denn je. Wir brauchen in Spanien eine politische Zeitenwende, geprägt von Reformen, Dialog, Verhandlungen, um diesen Konflikt zu überwinden, unter dem vor allem die Katalanen leiden."
Allerdings müssen Spaniens Konservative ja gar nicht an Mariano Rajoy als Kandidaten festhalten. Vizeregierungschefin Soraya Saenz de Santamaría wurde schon vor den Wahlen als mögliche Alternative gehandelt. Wenn die Sozialdemokraten dann einwilligen, dann wäre die katalanische Lösung zur Blaupause für Spaniens Regierungsbildung geworden - und die Konfrontation zwischen Madrid und Barcelona ginge in die nächste Runde.