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Spanien und Venezuela
Feindbild oder Sehnsuchtsort

In der Venezuela-Krise beansprucht Spanien eine Führungsposition innerhalb der EU. Zwar ist die alte spanische Kolonie schon seit fast 200 Jahren unabhängig, doch verbindet beide Länder sehr viel. Für die politischen Parteien in Spanien war Venezuela Inspiration oder abschreckendes Beispiel.

Von Hans-Günter Kellner |
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Podemos-Chef Pablo Iglesias kritisiert heute das Regime in Venezuela, eine ideologische Verwandtschaft halten ihm seine Gegner aber immer wieder vor. (dpa/Emilio Naranjo)
Lisbeth Briceño kam schon 2007 aus Venezuela nach Madrid. Heute ist sie Steuerberaterin, betreibt im Markt Maravillas zudem einen kleinen Imbiss. Zwischen gefüllten Teigtaschen und Fruchtsäften erinnert sie sich an Ihre letzten Jahre in der Heimat:
"Nur noch die Anhänger der Regierung hatten Jobs in den Ministerien bekommen. Wer sich nicht politisch äußern wollte, galt schon als verdächtig. So kam ich nach Spanien. Damals war die Situation in Venezuela noch nicht so schlecht wie heute, aber sie begannen, den gesamten Staat unter ihre Kontrolle zu bringen."
Mittlerweile leben inoffiziellen Schätzungen zufolge 300.000 Venezolaner in Spanien, ihre Zahl steigt ständig. Lisbeths Bruder Juan Carlos kam erst vor wenigen Tagen nach Madrid. Es gebe keine Lebensmittel und keine Medikamente, die Menschen in Venezuela brächten sich für ein paar Eier um, erzählt er.
"Niemand in Venezuela will noch mehr Gewalt. Aber die Situation ist so bedrückend, dass viele meinen, dann sollen die US-Amerikaner eben einmarschieren. Hauptsache, es ändert sich irgendetwas."
Längst ist die dramatische Entwicklung in der alten Kolonie ein wichtiges Thema in der spanischen Öffentlichkeit.
Migration in beide Richtungen
Das hat vor allem historische Gründe: Viele Spanier waren einst nach Venezuela ausgewandert und viele spanische Unternehmen sind in Venezuela schon lange vertreten. Besonders dem ehemaligen konservativen Ministerpräsidenten José María Aznar sei die Revolution des verstorbenen venezolanischen Staatschefs Hugo Chávez ein Dorn im Auge gewesen, erklärt José Ignacio Torreblanca vom European Council on Foreign Relations.
"Aznar hat die Opposition gegen Chávez und Maduro ganz offen unterstützt. Er und viele Politiker Lateinamerikas sahen in Hugo Chávez eine Bedrohung für die regionale Stabilität. Chávez wollte seine Revolution ja über Ecuador und Bolivien in die ganze Region exportieren. Das hat ganz Lateinamerika polarisiert. So ergriff auch Aznar damals Partei, es ging ja auch um Wirtschaftsliberale gegen Linke."
Und darum geht es immer noch. So wirft der neue Chef der spanischen Konservativen, Pablo Casado, der spanischen Regierung vor, zu nachsichtig mit dem Regime in Caracas umzugehen. Auf der anderen Seite hat die bolivarianische Bewegung in Venezuela, Bolivien und Ecuador aber auch Spaniens Linke inspiriert:
Ideologische Inspiration für Linke
"Die Podemos-Gründer waren fasziniert von diesen Ländern. Dort erreichten linke Bewegungen über patriotische Botschaften Menschen, die das politische System völlig abgehängt hatte. Die Gründer von Podemos dachten, auch in Spanien könne sich aus der wirtschaftlichen Krise eine neue nationale Identität herausbilden - mit den Zielen, Demokratie und Chancengleichzeit zu stärken und die mit der Krise verlorenen sozialen Rechte wiederherzustellen."
Zwar kritisiert heute auch Podemos-Chef Pablo Iglesias das Regime in Venezuela, doch die einstige ideologische Verwandtschaft halten ihm seine Gegner immer wieder vor.
Politikwissenschaftler Torreblanca vermisst bei aller Polarisierung eine klare politische Haltung der spanischen Außenpolitik in Lateinamerika, die über Venezuela hinausgehen müsse:
"Wir müssen keine Radikalen sein. Aber ein paar klare Linien wären schon hilfreich. Man könnte den Machthabern sagen: 'Wir können keine guten Beziehungen haben, wenn Ihr die Menschenrechte missachtet.' Und auch in Nicaragua hat Daniel Ortega längst alle Grenzen überschritten."
Bei Lisbeths Imbiss in der Madrider Markthalle hoffen die meisten unterdessen, das Regime in der Heimat würde aufgeben und den Weg für einen schnellen Wandel freimachen. Doch Lisbeth ist sich nicht sicher, ob das überhaupt möglich ist:
"Es wird sehr lange dauern, bis sich die Dinge ändern, auch mit einer neuen Regierung. Von heute auf morgen passiert da nichts. Das Land ist völlig zerstört."