Die spanische Volkspartei befindet sich im freien Fall. In den Umfragen des staatlichen Meinungsforschungsinstituts CIS geben nur noch elf Prozent an, die Konservativen wieder wählen zu wollen. Dabei hatte der Partido Popular vor zwei Jahren noch eine beeindruckende absolute Mehrheit eingefahren. Die Partei verliert vor allem in der Mitte des ideologischen Spektrums. Der Madrider Soziologe Ignacio Urquizu nennt vor allem einen Grund:
"Das Hauptproblem sehe ich im Umgang mit der Wirtschaftskrise. Besonders überrascht, dass eine konservative Partei, die die Wähler aus der Mitte verliert, plötzlich so extreme ideologische Projekte verfolgt wie das neue Abtreibungsrecht. Das lässt sich eigentlich nur mit den Kräfteverhältnissen innerhalb dieser Partei erklären, wo der Opus Dei einen großen Einfluss hat. Schon erstaunlich - eine kleine Gruppe innerhalb der Partei ist stärker, als der Wunsch, Wahlen zu gewinnen."
Vizepräsident des EU-Parlaments wehrt sich gegen das Etikett rechtsextrem
Doch nicht nur die moderaten Spanier wenden sich vom Partido Popular ab. Mitglieder des rechten Flügels sind so sehr enttäuscht, dass sie eine eigene Partei gegründet haben, Vox. Ihr renommiertestes Gründungsmitglied ist Alejo Vidal-Quadras, Vizepräsident des Europa-Parlaments. Er wehrt sich gegen das Etikett rechtsextrem:
"Die Rechtsextremen in Europa wie die UKIP in Großbritannien, die Goldene Morgenröte in Griechenland oder der Front National in Frankreich sind alle fremdenfeindlich und Antieuropäer. Vox glaubt an Europa, den freien Handel und ist gegen Fremdenfeindlichkeit. Diese Etiketten sind Karikaturen, sie haben nichts mit der Wirklichkeit zu tun."
Auch die Niederlassungsfreiheit in der Union will Vidal-Quadras nicht einschränken. Obwohl das andere Rechtsparteien in EU-Staaten fordern – gerade nach dem Votum der Schweizer. Es sind eher alte innenpolitische Fragen, mit der sich die Partei zu positionieren versucht. So wirft sie Regierungschef Mariano Rajoy vor, gegenüber den katalanischen Separatisten zu tolerant zu sein:
"Spanien ist ein demokratischer Rechtsstaat. Jeder muss sich an die Gesetze halten, Behörden und Regierungen ganz besonders. Die Verfassung sagt, wenn eine Region die Interessen der Nation gefährde, könne der Staat die Autonomierechte aufheben. So wie es Tony Blair in Nordirland gemacht hatte. Separatisten haben die katalanische Regierung in der Hand, sie hat längst alle roten Linien überschritten. Darauf muss die Regierung angemessen reagieren."
Vertrauensschwund und Kritik an Antiterrorpolitik
Grundsätzlich plädiert Vidal-Quadras für die Rezentralisierung des in 17 autonome Regionen organisierten spanischen Staatsgefüges. So setzt er den vielen nationalistischen Bewegungen an den Rändern des Staats einen zentralspanischen Nationalismus entgegen. Er spricht von einer Vielzahl unnützer öffentlicher Verwaltungen, von Steuerverschwendung in Milliardenhöhe, von einem Staat, der den Bürgern dienen soll und nicht den Parteien. Solche Töne sind populär, leiden in Spanien doch alle Vertreter des Staats - vom König bis zur Regierung und auch die Parteien - an Vertrauensschwund. Zudem kritisiert Vox die Antiterrorpolitik:
"Ein Rechtsstaat darf nicht mit Terrororganisationen verhandeln. Die ETA muss besiegt werden, ohne Zugeständnisse zu machen. Die Sozialisten haben verhandelt, als Ergebnis sitzt die ETA jetzt wieder in den Parlamenten. Die Volkspartei hat diese Politik fortgesetzt. ETA-Gefangene werden freigelassen: In Straßburg wurde die Parrot-Doktrin aufgehoben."
Opfer der eigenen Strategien
Die Rede ist von einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte über den Strafvollzug für ETA-Häftlinge. Aber natürlich ist die baskische ETA in keinem spanischen Parlament vertreten, sondern vom Verfassungsgericht für legal erklärte Parteien aus ihrem politischen Umfeld. Und natürlich verhandelt die Regierung auch nicht mit der ETA. Doch mit solchen groben Vereinfachungen behält Vidal-Quadras den gleichen markigen Ton bei, mit dem der Partido Popular vor den Wahlen in der Opposition Stimmung machte. Die spanischen Konservativen werden nun Opfer ihrer eigenen Strategie, meint Soziologe Ignacio Urquiju:
"Die Volkspartei hat damals Hoffnungen auf eine Politik geweckt, die sie jetzt nicht erfüllen kann. Nicht nur in der Wirtschaftspolitik, sondern vor allem auch in der Politik gegenüber Katalonien oder dem Ende der ETA. So ist jetzt auch ein Teil ihrer rechten Stammwähler enttäuscht. Die neue Partei ist das Ergebnis einer Oppositionsarbeit, die die Gesellschaft sehr polarisiert und sehr hohe Erwartungen an die Volkspartei geweckt hat."