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Spanien-Wahl
Puigdemont mischt aus dem Exil mit

Die katalanischen Nationalisten haben zuletzt auf Dialog gesetzt - und sind damit bei Spaniens Premier Pedro Sánchez auf offene Ohren gestoßen. Doch damit ist es ein paar Tage vor der Wahl vorbei. Die Separatisten setzten wieder auf Konfrontation, gesteuert von Kataloniens Ex-Premier Carles Puigdemont.

Von Hans-Günter Kellner |
Pedro Sánchez im Parlament
Bleibt er Ministerpräsident Spaniens? Pedro Sánchez im Parlament (AP)
Seit 1996 vertrat Carles Campuzano im spanischen Parlament die katalanischen Nationalisten. In dieser Zeit hat seine Fraktion wichtige Abkommen mit Regierungen unterschiedlichster Couleur ausgehandelt. Dass die Regionen inzwischen die Hälfte der Einnahmen aus Einkommen- und Mehrwertsteuer erhalten, geht etwa auf Initiativen der katalanischen Nationalisten zurück. Doch die konstruktive Haltung Carles Campuzanos ist nicht mehr gefragt. Seine Partei wird den 55-Jährigen nicht mehr ins spanische Parlament entsenden. Gegen seinen Willen, betonte er gegenüber dem spanischen Sender La Sexta:
"Ich bin mir sicher, dass dabei besonders auf die Meinung von Carles Puigdemont gehört wurde. Aber seit die Wahlliste öffentlich wurde, hatte ich keinen Kontakt zu ihm. Offiziell wurde mir die Entscheidung in der Nacht um 1 Uhr 30 per WhatsApp mitgeteilt. Aber gut, schon aus den Vorgesprächen hatte ich den Eindruck, dass die Entscheidung so ausfallen würde."
Als im Juni letzten Jahres der Sozialist Pedro Sánchez mit einem Misstrauensvotum gegen den bis dahin regierenden Mariano Rajoy Ministerpräsident wurde, waren die Stimmen der katalanischen Nationalisten entscheidend. Carles Campuzano hatte sich schon damals gegen Carles Puigdemont durchgesetzt, der zwar in Belgien lebt, sich aber von dort immer wieder in die Debatten innerhalb seiner Partei einschaltet:
Annährungskurs gescheitert?
"Es liegt auf der Hand, dass unsere Art, Politik zu machen, keine Mehrheit mehr findet. Wir wollten eine spanische Regierung der drei rechten Parteien oder eine Koalition aus den Sozialisten und den rechtsliberalen Ciudadanos verhindern. Wir wollten eine alternative Mehrheit mit Pedro Sánchez, mit dem Ziel, eine politische Lösung für den Konflikt zwischen Katalonien und dem Zentralstaat auszuhandeln. Außerdem wollten wir die wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Katalanen verteidigen, die im spanischen Parlament entschieden werden."
Stattdessen werden die Nationalisten jetzt nur noch treue Gefolgsleute Carles Puigdemonts ins Parlament entsenden - ein Diktat des ehemaligen regionalen Regierungschefs, meint Jordi Amat. Er kommentiert für die Tageszeitung La Vanguardia aus Barcelona die Entwicklung in Katalonien und Spanien.
"Wenn die Stimmen der Nationalisten bei der Wahl des neuen spanischen Regierungschefs entscheidend sind, wenn also Carles Puigdemont entscheidend wird, dann hat Pedro Sánchez kaum Chancen auf eine Wiederwahl. Carles Puigdemont will einen spanischen Regierungschef nur gegen Bedingungen unterstützen, die realistisch betrachtet gegenwärtig niemand erfüllen kann."
Konfrontationskurs bei Katalanen unbeliebt
Jordi Amat meint ein Unabhängigkeitsreferendum, das aber gegen die Verfassung verstoßen würde, hatte das Verfassungsgericht entschieden. Die Zeichen stehen also auf Konfrontation. Allerdings sagt er auch: Die Wahl wird zum Test für Carles Puigdemont. Pedro Sánchez zeigte sich gegenüber der katalanischen Regierung gesprächsbereiter als die Konservativen; der Haushaltsentwurf der spanischen Regierung für dieses Jahr sah deutliche Mehreinnahmen für Katalonien vor. Nicht alle Wähler würden verstehen, wenn die Nationalisten gegen eine solche Politik stimmen, sagt Jordi Amat:
"Die Umfragen deuten darauf hin, dass innerhalb des Lagers der Separatisten die Republikanische Linke die Wahlen gewinnt - nicht Puigdemonts Partei. Die Republikanische Linke sieht in einem Unabhängigkeitsreferendum ohne ein Abkommen mit Spanien nicht mehr den richtigen Weg. Dies ist eine wichtige Kursänderung. Die Partei fordert ein Ende der Totalblockade. Aber gut, ob diese pragmatische Haltung, der Versuch einer realistischen Politik, am Ende auch belohnt wird, werden wir erst am Wahltag sehen."
Puidgemont hofft auf Immunität
Und noch eine wichtige Testwahl steht für Carles Puigdemont an. Der in Belgien lebende ehemalige Ministerpräsident wird in Spanien per Haftbefehl gesucht. Er will nun bei der Europawahl kandidieren und spekuliert auf parlamentarische Immunität. Der katalanische Verfahrensrechtler Jordi Nieva meint dazu:
"Das verhindert nicht, dass er wegen einer schwerwiegenden Straftat in Spanien verhaftet würde. Um ein Verfahren zu eröffnen, müsste Spaniens Justiz im Anschluss zwar vom Europaparlament die Aufhebung der Immunität beantragen, aber ich glaube kaum, dass sich das Parlament einer Strafverfolgung in einem Mitgliedsstaat wiedersetzt. Insofern: Er würde verhaftet, die Immunität würde aufgehoben und er bliebe in Untersuchungshaft."
Allerdings: Einer jüngsten, repräsentativen Umfrage des Europaparlaments zufolge würden die Wähler Puigdemonts Partei auch bei dieser Wahl die Gefolgschaft verweigern. Der ehemalige katalanische Regierungschef würde damit kein Mandat erhalten.