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Spanierinnen unter Franco
Dem Manne untertan

Unter General Franco durften Frauen kein eigenes Konto haben, nicht allein ins Ausland reisen, ein Vormund traf wichtige Entscheidungen. Die Literaturprofessorin Arancha Borrachero will mit einer Website an diesen Teil der Geschichte erinnern. In der aktuellen Debatte um das Recht auf Abtreibung ist die Website in den Blickpunkt der Medien gerückt.

Von Hans-Günter Kellner |
    "Ich bin nicht die, die Du immer im Stich lässt und die Dir immer verzeiht. Die immer zu allem ja sagt, nein die bin ich nicht.” Das Lied, 1971 gesungen von Mari Trini, ist vielleicht einer der ersten feministischen Protestsongs der Zeit der Franco-Diktatur.
    Die spanische Literaturprofessorin Arancha Borrachero hat es an den Anfang ihrer Webseite mujer y memoria gestellt, über die Rolle der Frauen während des Franco-Regimes. Es sind bis jetzt insgesamt 25 Interviews, die Töchter mit ihren Müttern führen. So wie dieses:
    "Ihr sagt Euch: 'Ich brauche ein Auto.' Oder eine Waschmaschine. Oder eine Wohnung. Da gehst Du zur Bank und bittest um einen Kredit. Du legst Sicherheiten vor, eine Lohnabrechnung und fertig. Früher war das nicht möglich. Wir Frauen durften nicht einmal ein Bankkonto besitzen."
    "Für welche Dinge brauchtet Ihr das Einverständnis Eures Mannes?”, fragt die Tochter und die Mutter antwortet: "Für alles.”
    "Junge Frauen wissen davon nichts. Das steht nicht in den Schulbüchern. Und die Mütter hielten das für normal, so war das nun mal. Vor allem die dritte Generation der ganz jungen Frauen hat das nicht erfahren. Diese Geschichte geht verloren," sagt Arancha Borrachero.
    Der Mann sei bis Mitte der 70er-Jahre ein regelrechter Vormund gewesen, bei verheirateten Frauen der Ehemann, bei unverheirateten der Vater oder Bruder. Ohne dessen Einverständnis durften Frauen kein Konto eröffnen, nicht arbeiten oder ins Ausland reisen. Das Online-Projekt sei auch eine Mahnung an die jüngere Generation, sagt Borrachero:
    "Sie sind sich nicht bewusst, dass Frauen um solche Rechte einmal kämpfen mussten. Dass sie nicht selbstverständlich sind. Dass man sie auch wieder verlieren kann. Die jungen Frauen müssen wissen, dass die Freiheiten, die sie jetzt genießen, nicht einfach zu erreichen waren."
    Furcht vor einem Rückschritt in alte Zeiten
    Die Webseite ist insbesondere jetzt, während der Abtreibungsdebatte in Spanien, in den Blickpunkt der Medien gerückt. Ein Gesetzentwurf der Regierung sieht vor, das Abtreibungsrecht einzuschränken. Die liberale Fristenlösung soll wieder durch eine sogenannte Indikationslösung ersetzt werden. Schwangere sollen damit nur noch in ganz bestimmten Fällen und nach Beratung und Bedenkzeiten abtreiben dürfen. Dagegen regt sich heftiger Protest. Viele fürchten sogar einen Rückschritt in alte Zeiten, als die Abtreibung offiziell verboten war.
    "Ich weiß von einigen Frauen, die nach einer Abtreibung gestorben sind. Man erzählte sich, dass diese Frauen nicht noch mehr Kinder haben konnten. Dass sie lieber sterben würden, als die Schwangerschaft fortzusetzen. Diese Frauen wurden respektiert. Sogar die Pfarrer sagten da nichts. Es wurde immer abgetrieben. Schon als Kind war mir das bewusst", sagt diese Frau, die sich als praktizierende Katholikin bekennt.
    Ähnlich äußern sich alle Frauen auf der Webseite zum Schwangerschaftsabbruch, jenseits ideologischer Grenzen: ein zu vermeidendes Übel, zu dem Frauen in Notlage damals wie heute jedoch manchmal keine Alternative sehen. Solche Erinnerungen seien ein Beitrag zur gegenwärtigen Debatte um die Abtreibungsreform, meint Arancha Borrachero. Sie hofft darum, dass die Reform in der jetzigen Fassung nicht in Kraft tritt und Spaniens Frauen in Notlage am Ende nicht tatsächlich wieder ins Ausland reisen müssen, wenn sie legal abtreiben wollen:
    "Ich glaube nicht, dass man das Rad ganz zurückdrehen kann. Aber bei sozialen Fortschritten gibt es immer diese Gegentendenz. Der Regierungsentwurf für eine Reform des Abtreibungsrechts ist ein großer Rückschritt. Aber er hat eine Debatte innerhalb der spanischen Konservativen entfacht. Die Volkspartei muss sehen, dass auch konservative Frauen nicht einfach alles Erreichte rückgängig machen wollen. Aber wir müssen wachsam bleiben. Denn natürlich kann sich alles wieder ändern."
    Und das wollen nicht mal jene Frauen, die in den Interviews des Internet-Projekts zugeben, während der Franco-Diktatur gar nicht schlecht gelebt zu haben. Das Ende des Regimes, das erst mit dem Tod von Francisco Franco 1975 eintrat, und die darauf folgende Demokratie, verbunden mit mehr Frauenrechten, hat zum Beispiel auch diese Frau letztlich herbeigesehnt,
    "Das war, wie es nun mal war. Aber zurück wollte ich nicht. Ich wollte leben wie die Menschen in Frankreich, oder England oder in diesen Ländern."