Es gibt wohl keine Krankheit, bei der das Gehirn so gut untersucht wurde, wie bei Alzheimer. Aber sehen kann man dort nur, wonach man sucht, oder besser gesagt, was man anfärbt. Und hier ging Professor Luis Carrasco vom Zentrum für Molekulare Biologie in Madrid neue Wege.
"Wir haben Antikörper entwickelt, die an Zellen von Pilzen binden und damit Gehirne von verstorbenen Patienten untersucht."
Ausgangspunkt war eine scheinbar weit hergeholte Parallele: Alzheimer entwickelt sich langsam und im Verborgenen, Pilzinfektionen zeigen einen ähnlichen Verlauf. Das ist vielleicht ein Zufall. Aber mit seinen Antikörpern konnte Luis Carrasco tatsächlich im Gehirn eines verstorbenen Alzheimerpatienten Pilzzellen nachweisen. Und zwar besonders im Entorhinalen Kortex und im Hippocampus. Zwei Hirnregionen, die bei einer Alzheimer Erkrankung schon sehr früh Krankheitszeichen zeigen.
Unterschiedliche Pilzarten entdeckt
Die Pilze waren zum Teil im Inneren der Nervenzellen, oft aber auch an den Blutgefäßen, die bei Alzheimer ebenfalls geschädigt sind. Luis Carrasco wurde neugierig und wollte wissen, ob das nur ein Einzelbefund war, oder ob sich mehr hinter den Pilzzellen verbirgt. Und so organisierte er aus einer Gewebebank Proben aus den Gehirnen von elf Alzheimerpatienten und zehn Personen, die aus anderen Gründen verstorben waren.
"Bei den zehn Vergleichspersonen gab es überhaupt keine Spuren von Pilzen. Das ist eindeutig. Aber in den Gehirnen von elf Alzheimer Patienten ließen sich Pilzzellen nachweisen. Wir konnten ihre DNA isolieren und so die Arten bestimmen."
Dabei fanden sich recht unterschiedliche Pilzarten, die sich sogar im Gehirnwasser nachweisen lassen. Aber eben nur bei Alzheimerpatienten und nicht bei den aus anderen Gründen verstorbenen Personen.
"Diese Arbeit zeigt mit sehr schönen, sehr aufwendigen Färbeverfahren, das bei fortgeschrittener Alzheimer Erkrankung ein Pilzbefall, wenn man es so nennen will, des Gehirns von Alzheimer Erkrankten nachweisbar ist."
Privatdozent Oliver Peters, Leiter der Altersmedizin an der Berliner Charité ist überrascht von dem Befund aus Madrid, aber warnt davor, ihn über zu bewerten.
"Der Umkehrschluss, das die Pilze eine ursächliche Bedeutung für die Entstehung der Alzheimer Erkrankung oder der daraus folgenden Demenz sein könnten, den bringt die Arbeit nicht."
Forschungsergebnisse umstritten
Weil sie die Pilze ja erst ganz am Ende des Krankheitsprozesses nachweist. Oliver Peters vermutet, dass dann das Immunsystem so beeinträchtigt ist, dass es den Pilzen nichts mehr entgegensetzen kann. Luis Carrasco dagegen argumentiert andersherum.
"Ich glaube, die Ursache hat etwas mit den Pilzen zu tun. Die Infektion verläuft über Jahre und verbreitet sich über die Gefäße. Vielleicht verursachen die Pilze Schäden an den Adern. Diese Theorie erklärt viele Fakten, die bislang unverständlich waren.
Allerdings beruhen diese Erklärungen im Moment vor allem aus Spekulationen. Sie sind auch wenig spezifisch, denn Pilzzellen konnte Luis Carrasco nicht nur bei Alzheimer nachweisen, sondern auch bei ALS, einer anderen Erkrankung es Gehirns. Das gewichtigste Argument für die Pilztheorie ist in seinen Augen, dass es Berichte über zwei Patienten gibt, die durch Anti-Pilz-Medikamente von ihrer Demenz geheilt werden konnte. Oliver Peters bleibt skeptisch.
"Das gibt bislang überhaupt keinen Anhalt dafür, dass das eine regelhafte Problematik wäre. Insofern gehe ich davon aus, dass ein Pilzbefall genauso wie ein viraler oder bakterieller Befall des Gehirns die absolute Ausnahme bei dem Beginn von kognitiven Störungen bis hin zu Gedächtnisstörungen und Demenzerkrankungen ist. Es gibt keinen anderen Hinweis."
Luis Carrasco weiß, dass neue Theorien zu Alzheimer auch neue experimentelle Belege benötigen. Er hofft, dass nun andere Forscher den Faden aufnehmen und die Rolle der Pilze im Gehirn der Patienten genauer untersuchen.