Volles Haus im Teatro de Barrio in Madrid: Die Organisatoren des symbolischen Referendums haben zur Pressekonferenz geladen und wirken selbst etwas überrascht von ihrem Erfolg. An 26 spanischen Universitäten, mehr als der Hälfte aller öffentlichen Hochschulen, werden in den nächsten Tagen Urnen aufgestellt. Die Studenten können so darüber abstimmen, ob Spanien eine Monarchie bleiben – oder eine Republik werden soll. Es ist eine rein symbolische Aktion, ohne politische Konsequenzen. Dennoch hält Lucía Nistal, sie ist eine der Organisatorinnen und Doktorandin der Literaturwissenschaft, die Abstimmung für einen Wendepunkt:
"Weder uns noch unsere Eltern hat man gefragt, ob wir eine Monarchie wollen. Das können wir jetzt symbolisch nachholen. Während wir unter prekären Bedingungen leben, erhöht die Königsfamilie ihre Bezüge. Der jetzige König hat die Unterdrückung in Katalonien gut geheißen. Nimmt man noch die Korruption, die engen Beziehungen zu Ländern wie Saudi-Arabien dazu, so gibt es genügend Gründe die Monarchie in Frage zu stellen: Für alle, aber besonders für junge Leute."
Nicht nur unter Spaniens Studierenden hat die Monarchie derzeit einen schweren Stand. Für Anfang Dezember hat eine linke Bürgerinitiative im Großraum Madrid ebenfalls "symbolische Abstimmungen" angesetzt. Und Podemos-Chef Pablo Iglesias forderte kürzlich unter der Überschrift "Für was ist die Monarchie heute noch gut?" in der Tageszeitung El País die Republik. Laut einer Umfrage glauben 37 Prozent der Spanier, dass es dem Land ohne Juan Carlos, Felipe und Co. besser gehen würde.
Affären und Korruption
Der Rückhalt für das Königshaus ist in den letzten Jahren gesunken. Die Affären des Altkönigs und diverse Korruptionsskandale haben sein Renommee beschädigt, doch das ist nicht der wichtigste Grund, sagt der Historiker Steven Forti:
"Die große Krise von 2008 hat das ganze System in Frage gestellt – durch die Empörtenbewegung und die neuen Parteien Podemos und Ciudadanos, die das Ende des Zwei-Parteien-Systems eingeläutet haben. Dazu kam der Katalonienkonflikt. Die spanische Monarchie ist die Basis dieses Systems – und deswegen wird jetzt auch ihre Legitimität in Frage gestellt."
Ohnehin fühlten sich die Spanier ihrem Königshaus nur wenig verbunden, so Steven Forti. Im Gegensatz zum britischen Königshaus stünden die Bourbonen nicht für Glanz und Größe. Sie waren in der Person von Juan Carlos lediglich der Garant für einen sanften Übergang von der Diktatur zur Demokratie. Franco hatte seinen politischen Ziehsohn bereits 1969 zum Staatsoberhaupt bestimmt. Die 1978 vom Parlament ausgearbeitete Verfassung bestätigte ihn darin. Während der langwierigen Verfassungsdebatten stand die Monarchie nie zur Disposition.
"Während der Transition hat die spanische Linke ganz pragmatisch die bittere Pille der Monarchie geschluckt, weil sie wusste, dass ein radikaler Bruch unmöglich und Bürgerrechte und eine westliche, liberale Demokratie wichtiger waren, als die Frage des Staatsoberhaupts. Die neue Linke aber ist ein Kind der großen Staatskrise von 2008, ihre Anführer sind nach Francos Tod geboren und fühlen sich dieser Logik nicht mehr verpflichtet."
Warnung vor der Spaltung Spaniens
Dass ausgerechnet der König - dessen Macht in der Verfassung im Wesentlichen auf repräsentative Aufgaben beschränkt ist - so ins Kreuzfeuer gerät, wundert den Historiker nicht. Die Monarchie sei der Schlussstein des politischen Systems. Wer hier den Hebel ansetzt, kann es zum Einsturz bringen. Verfassungsrechtler wie Josep Maria Castellà von der Universität Barcelona halten die Debatte deshalb für ein Spiel mit dem Feuer:
"Natürlich kann man die Verfassung ändern oder reformieren, aber ihre Grundlagen darf man nicht in Frage stellen. Das würde die Gesellschaft wieder spalten, wie wir das in der Vergangenheit erlebt haben. Spanien ist politisch und sozial ein sehr komplexes Land, mit Spannungen zwischen Zentrum und Peripherie, links und rechts oder im Religiösen. Um das zu ändern, braucht es Staatsmänner und Figuren wie einen König."