"Wir sollten nie vergessen, wie jung sie waren …"
Sie – das sind die drei Mossadagenten David Perez, Stephan Gold und Rachel Singer. An das Trio und seine gefährliche Mission im Jahr 1966 will Sarah, die Tochter von Rachel und Stephan, 30 Jahre später mit einem Buch erinnern. Darin schildert sie die Jagd der Drei nach dem Naziverbrecher Dieter Vogel. Bekannt als "Der Chirurg von Birkenau", hat Vogel bei seinen sogenannten medizinischen Experimenten unzählige Menschen verstümmelt und getötet. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs soll sich Vogel unter falschem Namen als Gynäkologe in Ost-Berlin eine neue Existenz aufgebaut haben. Vorbild für den fiktiven Charakter dürfte vor allem der KZ-Arzt Josef Mengele gewesen sein, der sich – wie auch Adolf Eichmann - nach dem Ende der Nazidiktatur nach Südamerika abgesetzt hat.
"Diese Drei erlebten Israels schlimmsten Albtraum, seinen größten Schmerz noch einmal. Und in dem simplen Akt diesem Monster entgegenzutreten, halfen Sie ihn zu besiegen ... Dieses Buch ist derjenigen gewidmet, die mich dazu inspiriert hat: Meiner Mutter Rachel Singer ..."
Während der Buchpräsentation, bei der auch Sarahs mittlerweile geschiedene Eltern anwesend sind, verzieht die von Helen Mirren gespielte Rachel keine Miene. Ihr versteinertes Gesicht lässt erahnen, dass sie sich in der Rolle der Heldin, als die sie seit Jahrzehnten in Israel gefeiert wird, sichtlich unwohl fühlt.
In Rückblenden taucht der Film in die Vergangenheit ein und schildert jene Tage in Ost-Berlin 1966, die sich – wie der Zuschauer schnell erfährt – anders entwickelt haben, als dies ursprünglich geplant war. Um die Entführung Vogels bis ins letzte Detail vorzubereiten, mieten die drei Agenten, die sich vorher noch nie begegnet sind, eine Wohnung an. Zur Tarnung haben sie neue Identitäten angenommen.
"Wo kommst du eigentlich her? – Aus Argentinien. – Ach ja. Woher da? – Córdoba. – Was hat dich dahin verschlagen? – Mein Mann arbeitet als Chemiker. ... Was hast du beim Mossad gemacht? – Liaison. – Und was war deine Aufgabe dort? – Übersetzerin. – Dann bist du zum ersten Mal im Außendienst. – Willkommen bei unserer Mission!"
Der Plan: Rachel, die als junge Frau gespielt wird von Jessica Chastain, soll sich als Patientin ausgeben und den Arzt während seiner Sprechstunde mit einer Spritze betäuben. Um mit Vogel unbehelligt von Ost-Berlin in den Westteil der Stadt zu gelangen, muss alles sekundengenau über die Bühne gehen.
"Die West-Berliner S-Bahn. Als die Mauer gebaut wurde, lagen einige Haltestellen auf einmal im Ost-Sektor – also auf der falschen Seite. Sie wurden geschlossen und von Soldaten bewacht. Sie erschießen jeden, der zu fliehen versucht. Hier schaffen wir ihn raus."
Die Ausarbeitung und Ausführung des Plans werden unter der Regie von John Madden zu packendem Spannungskino. Mit der geteilten Stadt Berlin als Kulisse und der Zeit des Kalten Krieges als atmosphärischem Hintergrund. "Eine offene Rechnung" erinnert an Hitchcocks "Der zerrissene Vorhang", aber auch und vor allem an den thematisch verwandten Agentenkrimi "München" von Steven Spielberg. Doch anders als in Spielbergs Film, in dem eine Einheit des Mossad die Verantwortlichen des Anschlags auf die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen 1972 aufspürt und eliminiert, verfolgen die drei Agenten hier ein anderes Ziel:
"Wir bringen ihn lebend zurück. Wir zeigen der Welt, was er getan hat"
Von diesem Vorhaben aber müssen sich Rachel, David und Stephan bald verabschieden, denn die Flucht in den Westen missglückt. Zusammen mit dem Entführten verschanzen sie sich in ihrer Wohnung, während sie verzweifelt nach einer neuen Lösung suchen. Viel steht auf dem Spiel, denn die Agenten wollen ihr Land nicht enttäuschen und als Helden in ihre Heimat zurückkehren. Dazu aber müssen sie die Wahrheit verschleiern.
"Nur vier Menschen wissen, was hier passiert ist. Die Wahrheit verlässt diesen Raum nicht. Es bleibt unter uns."
Der Schwur wird 30 Jahre lang Bestand haben – bis zu dem Tag, an dem das Buch erscheint und Rachel beschließt, ihr Gewissen zu erleichtern. Nach all den Jahren will sie endlich die Wahrheit sagen. Doch damit ist der Film noch längst nicht zu Ende.
Dass der Stoff, aus dem die Helden sind, auf einer Lüge basiert, verleiht der Geschichte überraschende Komplexität. Das moralische Dilemma der drei Agenten, das zusätzliche Nahrung dadurch erhält, dass sich beide Männer während des Einsatzes in Berlin in Rachel verliebt haben, macht aus dem Film mehr als nur einen spannenden Agententhriller. Die beiden Hauptdarstellerinnen Helen Mirren und Jessica Chastain spielen großartig und arbeiten den inneren Konflikt ihrer vermeintlichen Heldin heraus. "Eine offene Rechnung" handelt vor allem von Legenden und Mythen – davon, wie sie entstehen und in sich zusammenfallen.
Sie – das sind die drei Mossadagenten David Perez, Stephan Gold und Rachel Singer. An das Trio und seine gefährliche Mission im Jahr 1966 will Sarah, die Tochter von Rachel und Stephan, 30 Jahre später mit einem Buch erinnern. Darin schildert sie die Jagd der Drei nach dem Naziverbrecher Dieter Vogel. Bekannt als "Der Chirurg von Birkenau", hat Vogel bei seinen sogenannten medizinischen Experimenten unzählige Menschen verstümmelt und getötet. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs soll sich Vogel unter falschem Namen als Gynäkologe in Ost-Berlin eine neue Existenz aufgebaut haben. Vorbild für den fiktiven Charakter dürfte vor allem der KZ-Arzt Josef Mengele gewesen sein, der sich – wie auch Adolf Eichmann - nach dem Ende der Nazidiktatur nach Südamerika abgesetzt hat.
"Diese Drei erlebten Israels schlimmsten Albtraum, seinen größten Schmerz noch einmal. Und in dem simplen Akt diesem Monster entgegenzutreten, halfen Sie ihn zu besiegen ... Dieses Buch ist derjenigen gewidmet, die mich dazu inspiriert hat: Meiner Mutter Rachel Singer ..."
Während der Buchpräsentation, bei der auch Sarahs mittlerweile geschiedene Eltern anwesend sind, verzieht die von Helen Mirren gespielte Rachel keine Miene. Ihr versteinertes Gesicht lässt erahnen, dass sie sich in der Rolle der Heldin, als die sie seit Jahrzehnten in Israel gefeiert wird, sichtlich unwohl fühlt.
In Rückblenden taucht der Film in die Vergangenheit ein und schildert jene Tage in Ost-Berlin 1966, die sich – wie der Zuschauer schnell erfährt – anders entwickelt haben, als dies ursprünglich geplant war. Um die Entführung Vogels bis ins letzte Detail vorzubereiten, mieten die drei Agenten, die sich vorher noch nie begegnet sind, eine Wohnung an. Zur Tarnung haben sie neue Identitäten angenommen.
"Wo kommst du eigentlich her? – Aus Argentinien. – Ach ja. Woher da? – Córdoba. – Was hat dich dahin verschlagen? – Mein Mann arbeitet als Chemiker. ... Was hast du beim Mossad gemacht? – Liaison. – Und was war deine Aufgabe dort? – Übersetzerin. – Dann bist du zum ersten Mal im Außendienst. – Willkommen bei unserer Mission!"
Der Plan: Rachel, die als junge Frau gespielt wird von Jessica Chastain, soll sich als Patientin ausgeben und den Arzt während seiner Sprechstunde mit einer Spritze betäuben. Um mit Vogel unbehelligt von Ost-Berlin in den Westteil der Stadt zu gelangen, muss alles sekundengenau über die Bühne gehen.
"Die West-Berliner S-Bahn. Als die Mauer gebaut wurde, lagen einige Haltestellen auf einmal im Ost-Sektor – also auf der falschen Seite. Sie wurden geschlossen und von Soldaten bewacht. Sie erschießen jeden, der zu fliehen versucht. Hier schaffen wir ihn raus."
Die Ausarbeitung und Ausführung des Plans werden unter der Regie von John Madden zu packendem Spannungskino. Mit der geteilten Stadt Berlin als Kulisse und der Zeit des Kalten Krieges als atmosphärischem Hintergrund. "Eine offene Rechnung" erinnert an Hitchcocks "Der zerrissene Vorhang", aber auch und vor allem an den thematisch verwandten Agentenkrimi "München" von Steven Spielberg. Doch anders als in Spielbergs Film, in dem eine Einheit des Mossad die Verantwortlichen des Anschlags auf die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen 1972 aufspürt und eliminiert, verfolgen die drei Agenten hier ein anderes Ziel:
"Wir bringen ihn lebend zurück. Wir zeigen der Welt, was er getan hat"
Von diesem Vorhaben aber müssen sich Rachel, David und Stephan bald verabschieden, denn die Flucht in den Westen missglückt. Zusammen mit dem Entführten verschanzen sie sich in ihrer Wohnung, während sie verzweifelt nach einer neuen Lösung suchen. Viel steht auf dem Spiel, denn die Agenten wollen ihr Land nicht enttäuschen und als Helden in ihre Heimat zurückkehren. Dazu aber müssen sie die Wahrheit verschleiern.
"Nur vier Menschen wissen, was hier passiert ist. Die Wahrheit verlässt diesen Raum nicht. Es bleibt unter uns."
Der Schwur wird 30 Jahre lang Bestand haben – bis zu dem Tag, an dem das Buch erscheint und Rachel beschließt, ihr Gewissen zu erleichtern. Nach all den Jahren will sie endlich die Wahrheit sagen. Doch damit ist der Film noch längst nicht zu Ende.
Dass der Stoff, aus dem die Helden sind, auf einer Lüge basiert, verleiht der Geschichte überraschende Komplexität. Das moralische Dilemma der drei Agenten, das zusätzliche Nahrung dadurch erhält, dass sich beide Männer während des Einsatzes in Berlin in Rachel verliebt haben, macht aus dem Film mehr als nur einen spannenden Agententhriller. Die beiden Hauptdarstellerinnen Helen Mirren und Jessica Chastain spielen großartig und arbeiten den inneren Konflikt ihrer vermeintlichen Heldin heraus. "Eine offene Rechnung" handelt vor allem von Legenden und Mythen – davon, wie sie entstehen und in sich zusammenfallen.