Felicitas Boeselager: Das war kein besonders verbraucherfreundliches Urteil, das der Bundesgerichtshof gestern gefällt hat. Bausparer können sich künftig nicht gegen die Kündigung eines alten Bausparvertrages mit hohen Zinsen wehren. Und kaum haben Sparer dieses Urteil verdaut, kommt auch schon die nächste Baustelle daher. In Sachsen kündigen immer mehr Sparkassen langfristige Sparverträge. – Ich bin jetzt verbunden mit Andrea Heyer von der Verbraucherzentrale in Sachsen. Guten Tag, Frau Heyer!
Andrea Heyer: Ja, hallo!
Boeselager: Frau Heyer, was für Verträge sind das denn genau, die da gekündigt werden sollen?
Heyer: In unserem aktuellen Leipziger Fall geht es um langfristige Sparverträge mit dem Namen "Prämiensparen flexibel", und die wurden zum Teil schon Ende der 90er-Jahre abgeschlossen. Und vereinbart wurde mit den Verbrauchern neben einem Zins auch eine lukrative Prämienstaffel. Aus Unterlagen, die wir gesehen haben, geht hervor, dass die Sparkasse durchaus bereit war, sich 25 Jahre und länger zu binden.
Fonds als lukrative Alternativen
Boeselager: Und bieten die Banken ihren Kunden jetzt Alternativen an?
Heyer: Das ist natürlich schwierig, lukrative Alternativen für die Kunden zu finden. Aber es ist tatsächlich so: Sie werden zu Gesprächen geladen und man versucht, diese gut verzinsten Sparverträge loszuwerden, indem Verbrauchern dann auch andere Produkte angeboten werden wie beispielsweise Fonds. Aber das wollen viele Verbraucher nicht, weil es ja auch nicht ihrer Anlagementalität entspricht.
Rechtsrat suchen, einer Kündigung widersprechen
Boeselager: Was raten Sie denn Verbraucher, die solche Angebote erhalten?
Heyer: Man muss natürlich immer bei einer Geldanlage darauf achten, was eigentlich das Ziel der Anlage ist und was man für eine Mentalität hat. Wenn man eine sichere Anlage bevorzugt, dann wird im Regelfall ein Fonds-Sparen nicht in Frage kommen. In Bezug auf die gut verzinsten Sparverträge sollten Verbraucher, sofern sie jetzt eine Kündigung erhalten, die Kündigungsfrist, die ja drei Monate dauert, dafür nutzen, um sich Rechtsrat einzuholen, und das kann man entweder natürlich bei einem Rechtsanwalt, oder auch bei uns in der Verbraucherzentrale. Daraus kann durchaus dann auch die Empfehlung entstehen, einer Kündigung zu widersprechen. Das sehen wir insbesondere dann vorstellbar, wenn aus den Unterlagen der Verbraucher ein konkreter Laufzeitanfang und ein konkretes Ende hervorgeht, wenn es beispielsweise sogar datiert ist.
Attraktive Prämienstaffel
Boeselager: Und wenn man jetzt so einen Sparvertrag neu abschließen wollen würde, würden Sie dazu überhaupt noch raten? Sind die noch lukrativ?
Heyer: Diese Sparverträge, über die wir hier momentan sprechen, die werden ja nicht mehr angeboten. Im Gegenteil: Man will sich ja davon trennen. Aber diese Altverträge sind auf alle Fälle noch lukrativ, insbesondere wegen der Prämienstaffel. Dazu vielleicht auch mal ein Beispiel.
Ein Betroffener schilderte, dass er jährlich 1200 Euro eingezahlt hat, und nun, seitdem er die Prämien-Höchststaffel erreicht hat, in den letzten vier Jahren immer 600 Euro Prämie erhalten hat. Damit wird deutlich, was für ein lukratives Geschäft es für die Verbraucher ist.
Ähnliche Fälle auch in anderen Bundesländern
Boeselager: Und können Sie das beurteilen? Glauben Sie, das Urteil des Bundesgerichtshofs gestern macht einen Unterschied?
Heyer: Das Urteil von gestern bezog sich nicht auf diese Sparverträge, sondern auf Bausparen. Das ist insofern auf diese Fälle nicht anzuwenden. Es wird aber natürlich auch wieder gerichtlichen Streit bezüglich dieser Sparverträge jetzt geben. Auch in anderen Bundesländern wurde solcher Streit ja bereits ausgetragen, beispielsweise in Baden-Württemberg und auch in Sachsen-Anhalt, und ich denke, es werden hier weitere Prozesse folgen.
Boeselager: … sagt Andrea Heyer von der Verbraucherzentrale in Sachsen. Vielen Dank für das Gespräch, Frau Heyer, und viele Grüße nach Leipzig.
Heyer: Ja, gern geschehen.
Boeselager:
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.