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Spaßtheater mit originellen Ideen

Zwölf Aufführungen mit je 3900 Zuschauern und das alles im Freien am Ufer des Wannsees: Katharina Thalbach, die Regisseurin der neuesten Fassung von Mozarts "Zauberflöte" hat sich viel vorgenommen. Sie hat ein "massenkompatibles Opernevent" inszeniert, das die Geschichte nicht vergisst.

Hartmut Krug im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich | 12.08.2011
    Burkhard Müller-Ullrich: Berlin hat immer noch drei Opernhäuser, und seit vielen mageren Jahren heißt es, das sei eines zu viel. Aber nein: Jetzt ist noch eine vierte Spielstätte dazugekommen, allerdings bloß temporär und im Freien gelegen. Am Ufer des Wannsees nämlich, wo gestern Mozarts "Zauberflöte" Premiere hatte. Hartmut Krug, Sie waren dabei. Klamauk oder Kunst?

    Krug: Etwas dazwischen, würde ich sagen. Man kann ja von Katharina Thalbach, der Regisseurin, nicht erwarten, dass sie irgendwie ein besonders kritisches oder dekonstruierendes oder überhaupt neues Konzept macht. Was sie macht, ist, den Text zu bedienen, der Musik ihre Rolle zuzuweisen, die sie hat, und gleichzeitig die Geschichte zu bebildern mit bunten Einfällen, mit Effekten, also ein intelligentes Unterhaltungstheater zu machen.

    Müller-Ullrich: Warum hat sie sich denn überhaupt auf so etwas eingelassen?

    Krug: Na ja, das ist nicht das erste Mal. Sie hat ja schon den Don Giovanni im E-Werk gespielt, mit Rappern, und das ist so dieses Eventtheater, was andere Orte braucht. Und sie hat gesagt, sie hat schon oft diese Oper von Mozart angeboten bekommen, immer wieder Nein gesagt, weil sie so Schwierigkeiten mit den Frauenrollen hat – das stimmt ja, die sind ja alle unfähig, wenn nicht weise Männer ihnen den Weg weisen. Dann hat sie aber das einfach doch nur vom Blatt gespielt, weil sie die Musik so sehr mag und weil sie das gereizt hat. Es sollte ja zuerst, wie Sie sagten, auf dem Wasser gespielt werden, jetzt spielt es am Ufer oberhalb des Strandbades Wannsee. Man guckt also durch das Bühnenbild – was eine 18 Meter hohe Pyramide ist, mit einem großen Loch in der Mitte, die als Spielfläche dann eben auch dient –, guckt man hinaus auf den See, und die Effekte, wenn es dunkel wird und der Sonnenuntergang beginnt, sind schon sehr beeindruckend.

    Müller-Ullrich: Ist ja ein historisches Strandbad, habe ich gelesen, 100 Jahre alt, also ganz schön gelegen, aber Bregenzer Festspiele mit ihrer Seebühne, waren die das Vorbild oder was hat man da sich genau vorzustellen?

    Krug: Das war das Vorbild, es sollte zuerst auf dem See bei Potsdam stattfinden, das ist gescheitert, dann sollte es auf dem Wannsee direkt stattfinden, das ist auch nicht genehmigt worden, und so ist das jetzt ein Notbehelf. Was daraus jetzt gemacht worden ist in der Inszenierung, ist schon sehr witzig und sehr intelligent, weil natürlich immer wieder angespielt wird darauf, dass das eigentlich auf dem Wasser spielt. Also das ist klar, dass da Papageno dann mit einem Schlauchboot ankommt, was aber nicht schwimmen kann, dass viel Getier … also es ist sehr viel, wie soll ich das sagen, kasperlehaftes Theater. Immer werden die Szenen und die Musik bebildert mit vielen bunten Figuren, die auftauchen, mit ausgeschnittenen Wellen, die hin und her bewegt werden, mit Tieren, die dann von kleinen Kindern gespielt werden. Und das ist so effektvoll, und wenn dann das riesenhafte Bühnenbild da auch noch beklettert wird, beleuchtet wird, wenn dort Fahnen hängen, wenn da Qualm und Blitze zucken, dann ist das wirklich ein Unterhaltungstheater, was sehr genau auf das Publikum zugeht, aber auch nicht nur äußerlich arbeitet. Und man muss sagen, musikalisch ist das hervorragend gewesen. Das Kammerorchester, die Kammerakademie Potsdam und der Neue Kammerchor Potsdam haben hervorragend gesungen. Und es gibt auch mit zwei Sängern – dem Tamino, den Musa Nkuna gesungen hat, ein strahlender Tenor, und mit der Sophie Klußmann als Pamina – gibt es zwei hervorragende Sänger. Man hat musikalisch an der ganzen Sache nichts auszusetzen gehabt und hatte mit Guntbert Warns, was ein Schauspieler ist, kein ausgebildeter Sänger, der schon lange mit Katharina Thalbach gearbeitet hat, als Papageno noch ein Pfund, weil der ein bisschen, ja so was Schräges hineinbrachte.

    Nicht nur, weil er der Komiker vom Dienst war und wirklich doch die wüstesten szenischen Kalauer mit Charme bringen kann, sondern weil er gut sang, aber eben nicht so, wie ein Sänger sang, also das so ein bisschen aufraute. Das Publikum, obwohl das dreieinhalb Stunden gedauert hat, war zum Schluss wirklich hellauf begeistert.

    Es ist Spaßtheater, das eigentlich aber auch die Geschichte nicht beschädigt, sondern sie eigentlich immer nur bespaßt auf eine aber nicht alberne Weise, sondern das bunt macht dabei. Und das Publikum, das ist schon sehr erstaunlich: Eventtheater an fremden Orten zieht ein anderes Publikum als das Opernpublikum. Es ist ein sozial sehr gemischtes Publikum gewesen – von den Leuten, die hinter mir saßen und mitsummten und sagten, was jetzt kommt, zu anderen Leuten, die in der Pause diskutierten, wer denn eigentlich die Figuren sind. Also es ist ein massenkompatibles Opernevent, das schon ein breites Publikum – 3900 Zuschauer pro Aufführung, ich glaube, es sollen zwölf Aufführungen sein – anzieht.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

    "Die Zauberflöte" ist noch bis zum 28. August bei den Seefestspielen Berlin zu sehen.