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Spaziergang zum Trafalgar Square

Besonders grün waren sie sich ja noch nie, Briten und Franzosen. Aber die jüngste Schlacht, die sie derzeit um die Ausrichtung der Europäischen Union ausfechten gibt der herzlichen Abneigung gegeneinander wieder mal Auftrieb. Just in diese Zeit fallen nun die Feierlichkeiten der Briten zum 200. Jahrestag der Seeschlacht von Trafalgar. Obwohl der eigentlich erst am 21. Oktober ist. An jenem Oktobertag 1805 besiegte England unter Admiral Nelson im Seekrieg gegen Frankreich die französisch-spanische Flotte. Wie denken die Briten heute über Napoleon? Ruth Rach berichtet aus London.

28.06.2005
    Jeden Tag fahren tausende von Pendlern zum Londoner Bahnhof Waterloo. Nur die besonders Besinnlichen denken vielleicht gelegentlich an die berühmte Schlacht von Waterloo, als Napoleons Schicksal im Jahre 1815 endgültig besiegelt wurde.

    Das war doch nur einer der vielen Kriege gegen die Franzosen. Mit denen liegen wir im Verlauf unserer ganzen Geschichte im clinch. meint Martin, der Zugführer. Natürlich habe die Schlacht den britischen Nationalstolz aufgeheizt. Nach Waterloo zu fahren sei ein ziemlich gutes Gefühl .

    Neil, ein junger Börsemakler in der City denkt beim Stichwort Napoleon an etwas privatere Dinge. Ein leidenschaftlicher Franzose, zutiefst verliebt in Josefine und ein ziemlich guter General. Sein Freund Clive reagiert gar mit einem frivolen Zweizeiler, der auf die Brandymarke Napoleon anspielt.

    "It makes me think of brandy and brandy makes me rand..."

    Eine Gruppe von Teenagern am Themseufer winkt müde ab. Napoleon, dafür haben sie jetzt wirklich nicht den Kopf. Auf der Waterloo Brücke steht Russell, nur ein paar Jährchen weiser. Auch für ihn ist der Krieg längst gelaufen:

    "Ich glaube nicht, dass das für die heutigen Londoner wichtig ist. Beim Stichwort Napoleon denkt man heutzutage an Wahnsinn. Das archetypische Syndrom für einen verrückten Briten ist, dass er sich für Napoleon hält."
    Russels Mutter Kay widerspricht. Ihrer Meinung nach hat Napoleon Großbritannien einen großen Dienst erwiesen.

    "Er hat die Briten angesichts der drohenden Invasion zusammengeschweißt. Außerdem hat er sie durch die Kontinentalsperre gezwungen, neue Absatzmärkte zu finden. Ohne Napoleon wäre Großbritannien keine so große Handelsmacht worden. Die einzig Leidtragenden waren die armen jungen Männer, die in die Armee gezwungen wurden. "

    Eine Gruppe ausländischer Touristen bewundert von der Waterloo-Brücke aus die Aussicht auf Big Ben. Marco aus Südamerika, kennt sich mit Napoleon in der europäischen Geschichte nicht sonderlich aus. Aber
    er weiß, dass Napoleon ein besonderer Typ war. Minerve, eine junge Französin, präsentiert ein ganz eigenes Geschichtsbild.
    Napoleon habe alle Schlachten gewonnen. Deshalb gelte er in Großbritannien als großer Mann. Und Esther aus den USA hatte auf dem Trafalgar Square ebenfalls eine eigene Vision:
    "Als ich über den Trafalgar Square wanderte, sah ich diese hohe Säule auf eine Figur mit einem Dreispitz steht. Sie kam mir irgendwie bekannt vor und ich dachte mir, na so was, steht hier etwas der Napoleon? "

    Esther bezog sich auf die berühmte Säule, die zum Gedenken an die Seeschlacht von Trafalgar errichtet wurde. Die Figur mit dem Dreispitz ist Admiral Nelson. Er hatte die napoleonische Flotte - zehn Jahre vor Waterloo -mit seiner viel kleineren britischen Flotte besiegt.