Der amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz wird die Sozialdemokraten als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf führen. Am 25. November wurde er vom SPD-Vorstand einstimmig als Kanzlerkandidat nominiert.
Jetzt muss Scholz die Aufholjagd mit der Union aufnehmen. Bis zur Bundestagswahl am 23. Februar 2025 ist nicht mehr viel Zeit. In seiner vorerst letzten Regierungserklärung setzte Scholz den Ton für seine Partei SPD – im gebremsten Angriffsmodus. Denn er braucht seine größten Kontrahenten noch: Ohne die CDU/CSU wird nach der Wahl vermutlich nichts gehen.
Scholz muss zudem nicht nur die Wählerinnen und Wähler, sondern auch zweifelnde Genossen für sich gewinnen. Mit welchen Themen will er punkten und wie stehen die Chancen, dass die Sozialdemokraten wieder Teil einer neuen Regierung werden?
Inhalt
- Wer führt die SPD in die Bundestagswahl?
- Mit welchen Inhalten geht die SPD in den Wahlkampf?
- Mit welchen Problemen kämpft die SPD?
- Welches Ergebnis hat die SPD bei der letzten Bundestagswahl erzielt und wie sehen derzeit die Umfragen für die kommende Wahl aus?
- Wie stehen die Chancen auf eine Regierungsbeteiligung nach der kommenden Bundestagswahl?
Wer führt die SPD in die Bundestagswahl?
Kanzler Olaf Scholz tritt bei der vorgezogenen Bundestagswahl wieder für die SPD an. Zwar gilt er nicht gerade als charismatischer Politiker und feuriger Wahlkämpfer, doch dass er Finanzminister Christian Lindner (FDP) aus der Ampelregierung schmiss und so deren Ende besiegelte, fanden viele Sozialdemokraten gut. In der SPD-Bundestagsfraktion wurde Scholz dafür gefeiert.
Doch nur kurze Zeit später kam eine Debatte über die K-Frage in der SPD ins Rollen. Die SPD-Spitze hat zwar stets ihre Unterstützung für Scholz als Kanzlerkandidaten betont, ihn bis dato noch nicht offiziell nominiert.
An der Parteibasis gibt es skeptische Genossen. Viele sind nervös, weil sie angesichts schwacher Umfragewerte und eines dann verkleinerten Bundestags um ihre Listenplätze fürchten. Mehrere Bundestagsabgeordnete sprachen sich deshalb offen für den deutlich beliebteren Verteidigungsminister Boris Pistorius als Kanzlerkandidat aus. Laut ARD-Deutschlandtrend sind 60 Prozent der Deutschen der Meinung, Pistorius wäre ein guter Kanzlerkandidat der SPD. Bei Scholz glauben das nur 21 Prozent.
Da Pistorius nun offiziell auf eine Kandidatur verzichtet hat, ist die Diskussion beendet und Scholz tritt als SPD-Kanzlerkandidat an. Seine Unterstützer betonen die Comeback-Qualitäten des Kanzlers: 2021 konnte Scholz im Bundestagswahlkampf einen enormen Rückstand zur CDU aufholen.
Mit welchen Inhalten geht die SPD in den Wahlkampf?
Die Partei will mit den Themen Familie, Renten und Löhne den Wahlkampf bestreiten und dabei die Unterschiede zu Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz deutlich machen.
Am 17. Dezember will die SPD ihr Wahlprogramm offiziell vorstellen und verabschieden. Der Entwurf liegt einigen Medien bereits vor. Er beinhaltet die Einführung einer "Made in Germany"-Prämie sowie eines Deutschlandfonds für öffentliche und private Investitionen. Damit soll der Wirtschaftsstandort Deutschland gestärkt werden. Zudem soll die Schuldenbremse gelockert werden, um Investitionen zu ermöglichen. Darüber hinaus sollen die Energiekosten gesenkt und E-Autos gefördert werden.
Des Weiteren plant die SPD laut Medienberichten eine Entfristung der Mietpreisbremse. Wie die "Bild am Sonntag" meldet, setzt sich die Partei zudem für eine Begrenzung der Pflegekosten ein. Diese Maßnahme soll dazu beitragen, Heimbewohner finanziell zu entlasten. Auch Familien sollen stärker unterstützt werden, zum Beispiel mit einem längeren Elterngeldbezug. Der Mutterschutz soll ebenfalls gestärkt werden. Laut Entwurf sind zudem Reformen geplant, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Gleichstellung in der Partnerschaft fördern sollen.
Schon im Oktober 2024, noch bevor die Ampel am Ende war, beschloss die SPD wichtige Wahlkampfversprechen. Wesentliche Punkte: Entlastung von 95 Prozent der Steuerzahler, eine Kaufprämie für E-Autos und ein Mindestlohn von 15 Euro.
Kanzler Scholz will zudem den Spielraum des Bundes für Ausgaben erhöhen. Sein Argument: Man dürfe die Sicherheit des Landes mit Blick auf die Bedrohung durch Russland nicht gegen die soziale Sicherheit ausspielen.
In seiner vorerst letzten Regierungserklärung im Bundestag am 13. November 2024 formulierte er es so: "Ich werde die Bürgerinnen und Bürger niemals vor die Wahl stellen: Entweder wir investieren in unsere Sicherheit oder in gute Arbeitsplätze und Wirtschaft und Infrastruktur. Dieses Entweder-oder ist falsch und führt unser Land in die Irre."
Hinter diesem Plädoyer steht das Vorhaben, für die Ukraine-Hilfe – mehr als 12 Milliarden Euro – an die Schuldenbremse zu gehen, wogegen sich Ex-FDP-Finanzminister Lindner gewehrt hatte.
Prägend für den Wahlkampf wird wohl eine Doppelbotschaft sein, auch an die eigenen Reihen: Einerseits ist Deutschland zum zweitgrößten Unterstützer der Ukraine geworden. Andererseits pocht Scholz darauf, Friedenskanzler zu sein, der durch Besonnenheit eine Eskalation des Krieges verhindert habe. Er beruft sich dabei auch auf sein Nein zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern, mit denen die Ukraine Ziele weit auf russischem Territorium treffen könnte.
Die SPD wird zudem damit punkten wollen, was sie mit der Ampelkoalition trotz allem erreicht hat - dass es zum Beispiel gelungen ist, nach den Sanktionen gegen Russland die Energieversorgung aufrechtzuerhalten. Auch das Bürgergeld gilt den Sozialdemokraten als Erfolg.
Mit welchen Problemen kämpft die SPD?
Das zentrale Problem der SPD bleibt die historisch unbeliebte Ampelkoalition mit ihren Streitereien, die schließlich zum Bruch führten. Im ARD-Deutschlandtrend vom 6. November 2024 zeigten sich 85 Prozent der Befragten unzufrieden mit der Bundesregierung. Scholz ist der Kanzler einer gescheiterten Regierung. Das bietet der Opposition die größte Angriffsfläche.
Die Debatte um die Kanzlerkandidatur in der SPD hat der Partei zusätzlich geschadet. Anstatt geeint aufzutreten, haben sich die Sozialdemokraten als gespalten erwiesen. Das hat kein gutes Bild im Wahlkampf abgegeben.
Ein weiteres Manko: Scholz ist nun mit seiner rot-grünen Minderheitsregierung auf die Opposition angewiesen, will er bis zu den Neuwahlen am 23. Februar 2025 noch Projekte durch den Bundestag bringen. Er kann die Union mit ihrem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz (CDU) also nicht frontal angreifen. Und dieser will nicht einfach Mehrheitsbeschaffer sein.
Für die SPD besonders wichtig dürfte Co-Parteichef Lars Klingbeil sein, der neben Boris Pistorius auch als möglicher Minister einer neuen Regierung gehandelt wird. Klingbeil hatte die Sprachregelung von der „Merz-CDU“ vorgegeben und hält die Fäden im Wahlkampf in der Hand. Der neue Generalsekretär Matthias Miersch, ein Partei-Linker, soll die rhetorischen Spitzen setzen.
Welches Ergebnis hat die SPD bei der letzten Bundestagswahl erzielt und wie sehen die Umfragen für die kommende Wahl aus?
Bei der letzten Bundestagswahl 2021 erhielten die Sozialdemokraten nach einer beispiellosen Aufholjagd 25,7 Prozent der Stimmen und wurden damit stärkste Kraft, die Union kam knapp dahinter ins Ziel. In den Umfragen hatten CDU/CSU lange deutlich geführt.
Doch von einem spektakulären Sieg sind die Sozialdemokraten zwei Monate vor der Neuwahl weit entfernt, trotz steigender Zustimmungswerte: In einer INSA-Umfrage vom 14. Dezember 2024 kommt die SPD nur auf 17 Prozent. Damit ist sie drittstärkste Kraft. Sie liegt drei Prozentpunkte hinter der AfD und 14 Prozentpunkte hinter der Union.
Wie stehen die Chancen auf eine Regierungsbeteiligung nach der kommenden Bundestagswahl?
Obwohl die SPD in Umfragen nicht gut abschneidet, ihr Kanzler und erneuter Spitzenkandidat Olaf Scholz unbeliebt und die von ihm geführte Ampelkoalition gescheitert ist: Die Sozialdemokraten werden aller Voraussicht nach wieder Teil der künftigen Bundesregierung sein.
Die Union, die als mutmaßlich stärkste Kraft nach der Wahl mit Friedrich Merz auch den nächsten Kanzler stellen wird, dürfte auf einen, wenn nicht sogar zwei Koalitionspartner angewiesen sein. So legen es Umfragen nahe. Denkbar wäre demnach wieder die GroKo – eine Große Koalition, wie es sie schon mehrmals in der Geschichte der Bundesrepublik gab, zuletzt 2018 bis 2021.
Denkbar wäre auch Schwarz-Rot-Grün, wenn insbesondere die CSU ihre immer wieder stark betonte Abneigung gegen die Grünen hintanstellt. Welche Rolle die FDP spielen wird, ist offen – ihr Einzug in den nächsten Bundestag ist nicht sicher.
Nur damit ist nicht wirklich zu rechnen: dass Olaf Scholz persönlich als Juniorpartner für eine Koalition mit der Union zur Verfügung steht.
bth, kau, rey