
„Der Abkanzler – Wie Olaf Scholz seinen Wahlkampf verpatzt“ heißt die Titelgeschichte des „Spiegels“ vom 15. Februar 2025. Nun sind die Titel des Hamburger Nachrichtenmagazins nicht gerade für Zurückhaltung und nachrichtliche Sachlichkeit bekannt.
Trotzdem: Die Umfragewerte für die Sozialdemokraten kurz vor der Wahl lassen nichts Gutes für die SPD und ihren Spitzenkandidaten erwarten. Sollte es bei den bisher prognostizierten etwa 15 Prozent für die SPD bleiben, wäre dies das schlechteste Bundestagswahlergebnis in ihrer Geschichte. Die politische Karriere von Bundeskanzler Olaf Scholz könnte damit enden.
Scholz hofft darauf, dass sich viele Wählerinnen und Wähler in letzter Minute – in der Wahlkabine – für die SPD entscheiden. Doch das scheint wenig wahrscheinlich. Was ist schiefgelaufen?
Inhalt
- Wie hat sich Olaf Scholz im Bundestagswahlkampf geschlagen?
- Mit welchen Problemen kämpft die SPD?
- Für welche Inhalte steht die SPD im Wahlkampf?
- Welches Ergebnis hat die SPD bei der Bundestagswahl 2021 erzielt und wie sehen derzeit die Umfragen für diese Wahl aus?
- Wie stehen die Chancen auf eine Regierungsbeteiligung nach der kommenden Bundestagswahl?
Wie hat sich Olaf Scholz im Bundestagswahlkampf geschlagen?
Kanzler und SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz gilt nicht gerade als charismatischer Politiker und feuriger Wahlkämpfer. Laut Umfragen wünschen sich gerade einmal 17 Prozent der Befragten, dass Scholz im Amt bleibt. Er liegt damit bei der Kanzlerpräferenz hinter Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (33 Prozent) und Grünen-Kandidat Robert Habeck (24 Prozent).
Doch seine Unterstützer betonen die Comeback-Qualitäten des Kanzlers: 2021 konnte Scholz im Bundestagswahlkampf einen enormen Rückstand zur Union aufholen. Ob dies diesmal wieder gelingen kann? Die Umfragen kurz vor der Wahl deuten jedenfalls nicht darauf hin, sondern eher darauf, dass die SPD-Kampagne mit Olaf Scholz an der Spitze nicht so richtig gezündet hat.
Bereits zu Beginn des Wahlkampfs hatte Scholz einen schweren Stand: Mehrere sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete sprachen sich offen für den deutlich beliebteren Verteidigungsminister Boris Pistorius als SPD-Kanzlerkandidaten aus. Erst als Pistorius offiziell auf eine Kandidatur verzichtete, endete die parteiinterne Diskussion.
Als die Unionsfraktion einen Antrag und einen Gesetzentwurf zur Verschärfung der Migrationspolitik im Bundestag zur Abstimmung stellte und dabei in Kauf nahm, dass eine Zustimmung nur mit Stimmen der AfD zustande kam, bot sich für SPD-Spitzenkandidat und Kanzler Olaf Scholz die Chance, sich klar von der Union abzugrenzen.
„Mit extremen Rechten wird nicht zusammengearbeitet. Wir brauchen eine Brandmauer“, betonte Olaf Scholz in Interviews. Und: Wer sichergehen wolle, “dass dieses Land in eine gute Richtung marschiert, der macht seine Kreuze am besten bei der SPD“. An den schlechten Umfragewerten für die SPD änderte auch dies nichts.
Gut zehn Tage vor der Wahl geriet Scholz in die Kritik: Auf einer privaten Party soll er den Berliner Kultursenator Joe Chialo als Hofnarr in der CDU bezeichnet haben. Daraufhin wurde ihm Rassismus vorgeworfen. Über die Scholz-Äußerung berichteten „Bild“ und „Focus“, obgleich der Gastgeber der Privatfeier gebeten hatte, dass Gesprächsinhalte auf der Veranstaltung nicht veröffentlicht werden.
Scholz wies die Vorwürfe von sich. Er sei kein Rassist und habe den Begriff Hofnarr nicht auf die schwarze Hautfarbe Chialos bezogen. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch sprach mit Blick auf „Focus“ und „Bild“ von „Kampagnen-Arbeit“ im Sinne der CDU.
Scholz gibt sich weiter optimistisch. Die Chancen auf seine Wiederwahl liegen aus seiner Sicht bei „60 Prozent“. Seine Begründung: „Diesmal - wie bei keiner Wahl - werden viele erst in der Wahlkabine ihre Entscheidung treffen – und da glaube ich, dass viele dann sagen: Das soll wieder Olaf Scholz sein.“
Mit welchen Problemen kämpft die SPD?
Das zentrale Problem der SPD von Wahlkampfbeginn an bleibt die historisch unbeliebte Ampelkoalition mit ihren Streitereien, die schließlich zum Bruch des Bündnisses führten. Im ARD-Deutschlandtrend vom 6. November 2024 zeigten sich 85 Prozent der Befragten unzufrieden mit der Bundesregierung. Scholz ist der Kanzler einer gescheiterten Regierung. Das bietet der Opposition die größte Angriffsfläche.
Die Debatte um die Kanzlerkandidatur in der SPD direkt zu Beginn des Wahlkampfs hat der Partei zusätzlich geschadet. Anstatt geeint aufzutreten, haben sich die Sozialdemokraten in der K-Frage als in Teilen zerstritten präsentiert. Das hat kein gutes Bild im Wahlkampf abgegeben.
Für welche Inhalte steht die SPD im Wahlkampf?
Aus Sicht der SPD ist es am wichtigsten, dass Arbeitsplätze gesichert werden, dass neue Arbeitsplätze entstehen und Wirtschaftswachstum möglich wird, damit Deutschland ein erfolgreiches, starkes Industrieland bleibt, wie Scholz es bei einer Pressekonferenz formulierte.
Mehr Investitionen - Schuldenbremse lockern
Er stellte den „Made in Germany“-Bonus in den Vordergrund, eine Prämie, die Unternehmen dabei unterstützen soll, jetzt Investitionen in Maschinen und Geräte zu tätigen. Ein „Deutschlandfonds“ soll sich aus privatem und öffentlichem Kapital zusammensetzen und mit 100 Milliarden Euro ausgestattet werden. Er soll ebenfalls dazu beitragen, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken. Auch die Stromkosten sollen gesenkt werden. Zudem sprach Scholz von einer „moderateren Reform der Schuldenbremse“. Die Lockerung sei nötig, um den Ausbau und die Sanierung der Infrastruktur zu finanzieren. Eine Kaufprämie für E-Autos soll die E-Mobilität vorantreiben.
Arbeitnehmer entlasten - Vermögende mehr besteuern
Außerdem will die SPD 95 Prozent der Arbeitnehmer mit einer Steuerreform entlasten und die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von sieben auf fünf Prozent senken. Spitzenverdiener und Vermögende sollen hingegen höher besteuert werden, indem unter anderem die Vermögenssteuer wieder aktiviert und die Erbschafts- und Schenkungssteuer angehoben werden.
Stabile Rente - Mietpreisbremse ohne Ende
Zudem soll ein Mindestlohn von 15 Euro eingeführt werden. Hinzu kommt das Versprechen einer „stabilen Rente“. Zentral für ein garantiertes Rentenniveau auf 48 Prozent sei, dass viele Menschen in Arbeit sind und auch Arbeitskräfte aus dem Ausland nach Deutschland kommen. Darüber hinaus soll die Elternzeit ausgebaut, der Eigenanteil in der stationären Langzeitpflege auf 1000 Euro pro Monat gedeckelt und die Mietpreisbremse ohne Enddatum verlängert werden.
Ukraine helfen - ohne Taurus
Die SPD steht nach eigenen Angaben klar an der Seite der Ukraine und will sie weiterhin unterstützen. Die Ausgaben für Sicherheit und die Verteidigung hätten jedoch keine Kürzungen bei den Sozialausgaben zur Folge, so Scholz. Der Bundeskanzler spricht sich aber nach wie vor gegen die Lieferungen von Taurus-Marschflugkörpern aus, mit denen die Ukraine Ziele weit auf russischem Territorium treffen könnte. Eine Eskalation, die Deutschland und die NATO in den Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, hineinziehen würde, will er unbedingt vermeiden.
Welches Ergebnis hat die SPD bei der Bundestagswahl 2021 erzielt und wie sehen die Umfragen für diese Wahl aus?
Bei der letzten Bundestagswahl 2021 erhielten die Sozialdemokraten nach einer beispiellosen Aufholjagd 25,7 Prozent der Stimmen und wurden damit stärkste Kraft. Die Union kam knapp dahinter ins Ziel. In den Umfragen hatten CDU/CSU lange deutlich geführt.
Dass eine ähnlich spektakuläre Aufholjagd diesmal wieder gelingt, erscheint kurz vor der Wahl ziemlich unwahrscheinlich, auch wenn die Zustimmungswerte für die SPD zwischenzeitlich von 14 Prozent auf 17 Prozent kletterten, dann aber wieder fielen.
Derzeit liegt die SPD in den Umfragen bei etwa 15 Prozent: Gerade einmal halb so viel wie CDU/CSU (rund 30 Prozent) und zehn Prozentpunkte weniger, als sie bei der vergangenen Bundestagswahl geholt hat. Es wäre das schlechteste Wahlergebnis der Sozialdemokraten bei einer Bundestagswahl. Die SPD könnte laut Umfragen von Platz 1 auf Platz 3, oder sogar 4, abstürzen.
Wie stehen die Chancen auf eine Regierungsbeteiligung nach der kommenden Bundestagswahl?
Obwohl die SPD in Umfragen nicht gut abschneidet: Die Sozialdemokraten werden möglicherweise wieder Teil der künftigen Bundesregierung sein.
Die Union, die als mutmaßlich stärkste Kraft nach der Wahl wahrscheinlich den nächsten Kanzler stellen dürfte, könnte nicht nur auf einen, sondern sogar auf zwei Koalitionspartner angewiesen sein. So legen es Umfragen nahe. Denkbar wäre demnach wieder eine "GroKo" – eine Große Koalition, wie es sie schon mehrmals in der Geschichte der Bundesrepublik gab, zuletzt 2018 bis 2021.
Zwar wäre die SPD dann womöglich nicht mehr auf Augenhöhe mit der Union. Ein Machtfaktor sind die Sozialdemokraten aber weiter, zumal sie im Bundesrat stark vertreten sind. Die SPD ist an 12 von 16 Landesregierungen beteiligt.
Denkbar wäre als nächste Bundesregierung auch ein Bündnis aus Union, SPD und Grünen, falls insbesondere die CSU ihre immer wieder stark betonte Abneigung gegen die Grünen doch noch hintanstellt. Welche Rolle die FDP spielen wird, ist offen – ihr Einzug in den nächsten Bundestag ist nicht sicher.
Nur damit ist nicht wirklich zu rechnen: dass Olaf Scholz persönlich als Juniorpartner für eine Koalition mit der Union zur Verfügung steht. Als mögliche Anwärter auf Führungsposten in der Zukunft werden - je nach Wahlergebnis - unter anderem Pistorius und Co-Parteichef Lars Klingbeil gehandelt.
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