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SPD-Führungskampf
Mit Nahles würde auch die GroKo stürzen

In der SPD wird nach dem schlechten Europawahl-Ergebnis gestritten, ob Parteichefin Andrea Nahles die Fraktion weiter führen soll. Sollte sie ihren Posten verlieren, wäre das Ende der GroKo nur noch eine Frage der Zeit.

Von Frank Capellan |
Nahles in nachdenklicher Pose
SPD-Chefin Nahles blickt für ihr Amt als Fraktionschefin in eine ungewisse Zukunft (AFP/ Ina Fassbender)
Als die SPD am Mittwoch zur Krisensitzung zusammenkommt, ist auch Ludwig Stiegler dabei - alter Haudegen aus Bayern, Markenzeichen: roter Pullover. Er hat schon so manche Katastrophen seiner Genossen miterlebt: Sprang einst als Fraktionschef ein, weil Rudolf Scharping als Verteidigungsminister gehen musste und Lücken zu füllen waren.
Auch Wolfgang Thierse wohnt einer turbulenten Debatte über die Zukunft von Andrea Nahles bei. Auch der langjährige Bundestagspräsident kann ein Lied von SPD-Machtspielen singen. Aber so etwas wie jetzt? 13 Vorsitzende hat die Partei seit der Wende, seit seinem Eintritt in die SPD verschlissen, mahnt Thierse.
"Damit wurde der Niedergang der Partei doch nicht aufgehalten, sondern vielmehr befördert," so Thierse in einem Appell an die Bundestagsfraktion: "Schluss mit der Selbstzerstörung!"
Dass die erste Frau an der Spitze gerade demontiert wird, ruft auch andere auf den Plan.
"Ich find's feige, so zu agieren, und ich kann mir nicht vorstellen, dass so viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten so feige sind, jedenfalls nicht in der Bundestagsfraktion", ärgert sich Svenja Schulze. Die Umweltministerin kennt Nahles aus Juso-Zeiten. Ihr hat sie es maßgeblich zu verdanken, dass sie von Düsseldorf ins Bundeskabinett wechseln durfte. Zum Wochenende wirft sich Schulze im SWR-Interview mächtig für Nahles ins Zeug:
"Warum macht sie was falsch? Ich finde, diese Heckenschützen machen was falsch, die müssen jetzt endlich mal da raus! Was nutzt denn das, sich immer intern in der Partei auseinanderzusetzen?!? Diese Leute, die das machen, sollten mal mehr Energie da reinstecken, die SPD wieder nach vorne zu bringen und nicht solche verqueren Diskussionen zu führen!"
Angekündigte Stimmverweigerung
Verquere Diskussionen, die Nahles an den Rand des Sturzes bringen. Noch hat sich kein Gegenkandidat gemeldet. Achim Post, Chef der mächtigen NRW-Landesgruppe, überlegt noch, lotet offensichtlich Mehrheiten aus. Vielleicht hatte der 60-Jährige auch gehofft, einen Jüngeren zu finden. Den weitgehend unbekannten SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Hartmann hatte er zum Landesvorsitzenden der Nordrhein-Westfalen gemacht.
Der 41-jährige hält Nahles vor, mit ihrer von September auf den kommenden Dienstag vorgezogenen Wahl des Fraktionsvorsitzes alles noch verschlimmert zu haben:
"Wenn am Montag der Parteivorstand tagt und eine Aufarbeitung im Parteipräsidium und Vorstand für Sonntag und Montag ankündigt, so wird jetzt alles überschattet, nämlich von der Frage: Wie geht das denn jetzt aus?"
Bernd Westphal, Niedersachse, Wirtschaftspolitiker, hatte gegenüber dem Deutschlandfunk erklärt, er sehe nicht, dass sich ein Gegenkandidat melden würde. Zugleich aber glaubt er, dass es keine Mehrheit mehr für Andrea Nahles geben kann. Sascha Raabe, Abgeordneter aus Hessen, wünscht sich, dass sich die Vorsitzende freiwillig zurückzieht und kündigt zugleich an:
"Wenn Andrea Nahles die einzige Kandidatin sein sollte, dann wird sie meine Stimme nicht bekommen, weil ich dann leider keinen anderen Weg sehe, als ihr da die Stimme zu verweigern, damit sie dann zur Einsicht kommt, dass sie eben den Platz dort frei machen muss und dann jemand anders antreten kann, weil manche trauen sich jetzt nicht."
Drohendes Koalitionsende
Tatsächlich könnte dann auch Matthias Miersch wieder ins Spiel kommen. Der Umweltpolitiker, Verfechter einer konsequenteren Klimapolitik und Sprecher der Linken in der SPD, hatte lediglich angekündigt, nicht gegen Nahles antreten zu wollen. Sollte er am Ende gegen einen Konservativen aus dem Seeheimer-Flügel antreten, ginge es damit auch um eine Richtungsentscheidung:
"Es geht hier aber nicht allein um Andrea Nahles, sondern es geht natürlich um die Zukunft der SPD," betont der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, im Hessischen Rundfunk:
"Da kann man nicht nur über den Austausch von Köpfen sprechen. Sondern die faktisch gescheiterte Erneuerung der SPD, was Haltung, was Umgang, was Teamspiel anbelangt, kann ja jetzt nicht noch mal getoppt werden, indem man wieder so'n Spielchen betreibt, wo hinter den Kulissen irgendwas ausbaldowert wird."
Genau das allerdings könnte an diesem Wochenende durchaus auf den Weg gebracht werden. Sollte die Fraktion Andrea Nahles stürzen, würde das auch den Rücktritt von der SPD-Spitze nach sich ziehen. Und damit wäre das Ende der sogenannten Großen Koalition nur noch eine Frage der Zeit.