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SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi
"Pegida ein Stoppzeichen setzen"

Die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi hat insbesondere den sächsischen Innenminister Markus Ulbig (CDU) dazu aufgerufen, die Pegida-Organisatoren stärker ins Visier zu nehmen. Es gehe nicht um ein Verbot der Demonstrationen, sondern darum, sich politisch von ihnen abzugrenzen, sagte sie im DLF.

Yasmin Fahimi im Gespräch mit Sandra Schulze |
    Der Teilnehmer einer Demonstration gegen Pegida hält am 19.10.2015 in Dresden (Sachsen) ein Plakat mit der Aufschrift «Herz statt Hetze».
    Pegida-Gegner demonstrierten am Montagabend ebenfalls zu Tausenden in Dresden (dpa / Michael Kappeler)
    Pegida mache Stimmung und verleite schwache und kranke Geister zu kranken Aktionen, sagte Yasmin Fahimi (SPD). Alle Unterstützer müssten jetzt in die politische Verantwortung genommen, und der Bewegung selbst müsse "ein klares Stoppzeichen gezeigt werden". Die SPD-Generalsekretärin rief die Verfassungsorgane dazu auf, "diese Menschen unter die Lupe zu nehmen" und wieder für "innere Ordnung" zu sorgen. Die Frage, wie das konkret umzusetzen sei, beantwortete sie allerdings nicht. Es gehe jedenfalls nicht darum, die Pegida-Demonstrationen zu verbieten.

    Sandra Schulz: Fast 2000 Polizeibeamte waren im Einsatz, Unterstützung von sechs Bundesländern und durch die Bundespolizei. So hatte sich die sächsische Polizei auf den Pegida-Abend vorbereitet. Tausende besorgte Abendland-Verteidiger, aber auch Zehntausende bei der Gegendemonstration. Zuletzt hatte Pegida jetzt wieder eine wachsende Resonanz. Rund 9000 haben sich in der vergangenen Woche getroffen, als auch Galgen gezeigt wurden, reserviert laut Aufschrift für die Kanzlerin und den Vizekanzler. Aber noch einmal mehr wie gesagt waren es gestern zum fast Jahrestag. Am 20. Oktober 2014, da hatte es ja die erste Pegida-Kundgebung gegeben. Gestern wiederum kamen 15 bis 20.000 Pegida-Anhänger. Aber wie gesagt: Zur Gegenkundgebung mit Pegida-Protest kamen ungefähr genauso viele.
    Am Telefon ist jetzt die SPD-Generalsekretärin. Guten Morgen, Yasmin Fahimi.
    Yasmin Fahimi: Guten Morgen, Frau Schulz.
    Schulz: 15 bis 20.000 Pegida-Anhänger waren gestern in Dresden auf der Straße. Sind die für Sie alle Pack?
    Fahimi: Na ja. Zunächst einmal sind ja glücklicherweise nicht nur Pegida-Anhänger auf der Straße gewesen, sondern es hat auch ein deutliches Signal in Dresden gegeben gegen Fremdenhass und gegen auch die Gewalt, die sie schüren. Für mich ist Pegida eine Bewegung, die auch ganz unverhohlen und aggressiv in ihrer Wortwahl Stimmung in unserem Land machen will und auf deren Boden am Ende natürlich auch, lassen Sie es mich so sagen, schwache und kranke Geister zu kranken Aktionen verleitet werden. Es mag den einen oder anderen geben, der sich nicht fremdenfeindlich fühlt und einfach nur meint, hinterherzulaufen und seiner wie auch immer begründeten Wut Ausdruck zu verleihen, aber es ist doch so offensichtlich, in welcher Art und Weise hier Stimmung gemacht wird, auch in dem Beitrag. Das sind ja Gehirnknoten, die kaum für einen normalen Menschen nachvollziehbar sind. Ich finde, jeder der bei Pegida mitläuft, muss sich der Verantwortung bewusst sein, hinter welchen Demokratiefeinden er mitmarschiert, und muss sich dafür auch mindestens moralisch mitverantworten.
    Schulz: Aber wir sprechen doch, oder habe ich da was verpasst, nach wie vor über eine legale Demonstration. Das ist ein Grundrecht. Welches Problem haben Sie damit?
    Fahimi: Es geht ja auch nicht darum, das zu verbieten, sondern es geht darum, deutlich zu machen, wie stark man sich politisch davon abgrenzt, und ich finde, es ist ein falsch verstandenes Recht auf Meinungsfreiheit, eine Demonstration zu organisieren, in der man Schlingen für die Bundeskanzlerin und den Vizekanzler präsentiert, und wir wissen natürlich auch, dass bei den Organisatoren von Pegida und dem engeren Kreis durchaus bekannte Leute und Personen aus der rechtsextremistischen und Neonazi-Szene kommen. Es ist natürlich schon auch eine Frage der sächsischen Sicherheitsorgane, inwieweit der Verfassungsschutz sich hier seiner Aufgabe stellt. Ich finde, da kann man auch dem CDU-Innenminister Ulbig die Frage stellen, inwieweit es erst nach einem öffentlichen Aufschrei bei dem Galgenbauer überhaupt in den vergangenen Wochen dazu gekommen ist, dass diese Leute unter die Lupe genommen werden.
    Schulz: Aber jetzt sagen Sie uns noch mal: Es gibt diese Kritik natürlich an Pegida. Es gibt die Hinweise, die sicherlich berechtigten Hinweise auf rechtsextreme Macher. Aber es gibt diese große Zahl von jetzt in diesem Fall 15 bis 20.000 Leuten, die sich von den Appellen gar nicht haben beeindrucken lassen, die trotzdem hingegangen sind. Sind Sie schon auf die Idee gekommen, dass die Appelle möglicherweise nichts bringen?
    "Pegida nutzt diese diffuse Verunsicherung"
    Fahimi: Wissen Sie, es ist mir schon völlig klar, dass es manchmal Situationen gibt, in denen man, wenn ich das so sagen darf, bekehren kann. Darum geht es nicht, sondern es geht darum, sie ihrer politischen Verantwortung zu stellen, und sie verbreiten eine Stimmung, auf deren Boden eine Aggression wächst, in der es auch wirklich kranke Aktionen geben kann.
    Schulz: Aber es gibt jeden Tag ja auch Politiker, die in der Flüchtlingsfrage sagen, wir schaffen das nicht, wir haben die Kontrolle verloren.
    Fahimi: Aber das sind doch nicht die gleichen!
    Schulz: Ist es dann nicht nachvollziehbar, dass die Menschen da Sorgen haben und Ängste artikulieren?
    Fahimi: Nein. Aber genau das gleichzustellen, finde ich, ist nicht redlich. Über die berechtigten Sorgen zu sprechen und auch von mir aus Zweifel, die Menschen haben, über die Frage, wie wir denn eigentlich es tatsächlich auch schaffen, was die Bundeskanzlerin so selbstverständlich versprochen hat, ist ein ganz anderes Thema. Die Ausdrucksweise und die Themen derjenigen, die bei Pegida mitmarschieren, hat damit doch gar nichts zu tun. Sie nutzen doch nur diese diffusen Verunsicherungen, um auf der Ebene so zu tun, als ob sie für das Volk sprechen würden, und es wird ja auch deutlich, dass das eine sehr regionalisierte Bewegung ist, wo zum Teil aus der ganzen Bundesrepublik aus der entsprechenden Szenerie Leute anreisen, um quasi eine Inszenierung von "wir sind das Volk" zu machen. Darüber zu reden, inwieweit es natürlich sehr viel mehr und zwar vernünftige Menschen gibt, die sich natürlich nicht solchen völligen Wahnsinnigen wie Pegida anschließen, sondern die aber trotzdem mit ihren Sorgen auch wahrgenommen werden wollen, das ist ein ganz anderes Thema und darauf müssen wir als Politik auch eine Antwort geben. Das ist richtig.
    Schulz: Ist Ihnen der Gedanke schon gekommen, dass die Menschen, die sich für normal halten und bei Pegida mitlaufen, wenn die jetzt von Ihnen als Wahnsinnige beschimpft werden, dass sie sich vom Staat dann erst recht abwenden?
    Fahimi: Na ja, dass sie sich vom Staat abwenden, ist im Zweifelsfall ihre Entscheidung. Wissen Sie, Politik ist ja kein Ponyhof und man muss in der Politik auch klar sagen, wo man steht und für was man steht. Ich kann halt nur bei diesen wirklich ja geradezu schon unverhohlenen Aufrufen zur Gewalt einfach keinen Zentimeter, keine Hand breit Verständnis dafür gewinnen.
    Schulz: Sie haben kein Verständnis und können aber auch nichts dagegen unternehmen. Verstehe ich Sie da richtig?
    Fahimi: Na ja. Das was wir dagegen unternehmen können, sind zweierlei Dinge. Das eine ist, diejenigen, die sich in der zehnfachen und mehrfachen Summe dagegenstellen, mit zu motivieren und zu mobilisieren, sich gegen solche Bewegungen zu stellen. Und das andere ist, jenseits, das hat mit Pegida überhaupt nichts zu tun, sondern den Job als Politik zu machen, dass aus dem "wir schaffen das" der Bundeskanzlerin ein "so machen wir das" der Bundesregierung wird. Dazu hat die SPD natürlich eine ganze Reihe von Vorschlägen durchgesetzt, auch schon im Bundeskabinettsbeschluss. Das muss jetzt in schnelle Umsetzung kommen. Das ist doch gar keine Frage. Aber wir können doch nicht so tun, als ob wir uns in der Lösungsfindung der jetzigen Situation treiben lassen von einer Bewegung wie Pegida. Das hat damit gar nichts zu tun, sondern Pegida muss man ganz klar ein Stoppzeichen zeigen.
    Schulz: Das ist der eine Punkt, Pegida. Es gibt gleichzeitig einen Anstieg von rechtsextremen, von fremdenfeindlichen Straftaten. Darauf hat der Minister gestern noch mal hingewiesen. Ist das nicht auch ein Armutszeugnis Ihrer Politik?
    Fahimi: Das müssen Sie mir noch mal erklären, warum das ein Armutszeugnis unserer Politik sein soll, wenn sich rechte Ränder radikalisieren.
    "Diese Menschen dringend unter die Lupe nehmen"
    Schulz: Ist die Politik nicht für die Sicherheit in diesem Land verantwortlich?
    Fahimi: Das ist das, was ich gerade eben thematisiert habe. Ja, ich bin der Überzeugung, dass die Landes- und Bundesverfassungsorgane jetzt dringend diese Menschen unter die Lupe nehmen müssen. Das ist eine Frage auch des sächsischen Innenministers insbesondere, dass wir von den Salafisten bis zu denen, die diese rechtsradikale Hetze und Stimmung in unserem Land verbreiten, dafür sorgen müssen, dass es eine innere Ordnung in unserem Land gibt. Und noch einmal: Wir haben ein Thema, wir haben etwas zu beantworten. Es gibt Menschen, die sich berechtigt Sorgen darum machen, was morgen mit ihrer Wohnung, was morgen mit ihrem Arbeitsplatz ist. Die Flüchtlinge werfen eine Frage auf, die es schon länger gibt, nämlich die nach gerechter Teilhabe und Chancen in unserer Gesellschaft. Deswegen brauchen wir ein Jahrzehnt der Integration, wo wir massiv in den Wohnungsbau gehen, und zwar nicht nur für Flüchtlinge, nicht nur in den sozialen Wohnungsbau, sondern auch für Familien, ganz normale Familien, die sich in den Ballungszentren schon keine normale Wohnung mehr leisten können. Wir müssen massiv in die Kitas und in die Schulen investieren, um aus dieser Situation auch eine Chance zu machen und alle mitzunehmen. Die SPD ist der Garant dafür, dass wir auch an jeden denken.
    Schulz: Sie nehmen Geld in die Hand, das Sie dann an anderer Stelle aber wegnehmen müssen. Richtig?
    Fahimi: Nein.
    Schulz: Können Sie zaubern?
    Fahimi: Nein. Wir reden schon lange davon, dass es in diesem Land dringend Zukunftsinvestitionen bedarf, und wir wollen nicht einfach Geld verschleudern, sondern wir wollen Geld in diesem Land investieren, das den Menschen zugutekommt. Und wenn wir in Bildung investieren, wenn wir in qualifizierten Wohnungsbau investieren, wenn wir in Straßen investieren, dann sind das Zukunftsinvestitionen, auf deren Basis der Wohlstand von morgen wächst.
    Schulz: Die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi hier heute im Deutschlandfunk in den "Informationen am Morgen". Herzlichen Dank für das Interview.
    Fahimi: Danke auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.