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SPD-Haushaltspolitiker: "Am Ende steht der Eurobond"

Selbst als Notmaßnahme tauge die Einführung von Elite-Bonds nicht, sagt der SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider. Finanzminister Wolfgang Schäuble wirft er vor, mithilfe von Eurobonds die Fiskalunion voranzutreiben.

Carsten Schneider im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Viel ist darüber geschrieben worden, dass wir eine Krise der Demokratie erleben – Krise deswegen, weil die Politik als machtlos gilt, sie sei machtlos geworden gegenüber den Finanzmärkten. Sie seien bestenfalls noch Getriebene der Märkte und Börsen. Und wenn im Bundestag dann zum Beispiel über den Euro-Rettungsschirm abgestimmt wird, dann heißt es, das ist alternativlos, Abgeordnete müssen ihre Bedenken hinten anstellen, oder werden sogar geschurigelt. Um den Einfluss des Bundestages auf Maßnahmen, den Euro zu retten, geht es heute in einer Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht. Karlsruhe hatte die Etablierung eines neunköpfigen Sondergremiums gestoppt, das im Zusammenhang mit dem Euro-Rettungsschirm steht und dem neun Mitglieder des Haushaltsausschusses angehören sollten. Zwei SPD-Abgeordnete haben gegen dieses Neunergremium geklagt. Wenn das Bundesverfassungsgericht entscheidet, also vielleicht noch vor Weihnachten, vielleicht hat sich bis dahin schon alles erledigt, denn nicht wenige Experten bezweifeln, dass der Euro-Rettungsschirm nicht der Weisheit letzter Schluss ist und empfehlen, wahlweise gemeinsame Euro-Anleihen einzurichten, also Eurobonds, oder die Europäische Zentralbank soll Staatsanleihen im großen Stil aufkaufen. Jüngste Volte der Überlegungen, die angeblich auch von der Bundesregierung überprüft wird, sind Elitebonds. Das sind Anleihen einer Handvoll europäischer Staaten mit bester Bonität. Vorerst aber bemühen sich die Euro-Finanzminister, den Rettungsschirm aufzuspannen und zu hebeln. In Berlin begrüße ich jetzt am Telefon Carsten Schneider, SPD-Bundestagsabgeordneter, Mitglied im Haushaltsausschuss, und er war oder ist auch schon vorgesehen, Mitglied in jenem Neunergremium zu sein, über das das Bundesverfassungsgericht heute verhandelt. Guten Tag, Herr Schneider.

    Carsten Schneider: Guten Tag, Herr Meurer.

    Meurer: Um mal mit diesem Gremium zu beginnen: Gehen Sie davon aus, dass es das überhaupt noch geben wird?

    Schneider: Na ja, ich bin skeptisch. Das, was das Verfassungsgericht jetzt als Fragen gestellt hat, als auch überhaupt die Anordnung, eine einstweilige Anordnung, dass das Gremium nicht konstituiert werden darf, da gehe ich eher davon aus, dass das nichts mehr wird.

    Meurer: Was kommt dann?

    Schneider: Dann kommt auf den Gesetzgeber zu, das Gesetz zu ändern. Was bedeutet das? Bisher ist geregelt, dass Kredite oder Maßnahmen aus diesem Rettungsfonds immer der Zustimmung des Bundestages bedürfen. In manchen geheimen oder schnellen Entscheidungen hat die Mehrheit von Grünen, CDU und FDP entschieden, dann soll dieses Neuner-Geheimgremium entscheiden. Das waren uns zu wenig Leute, zu wenig Repräsentanz, und wir hatten als SPD vorgeschlagen, das soll dann der Haushaltsausschuss machen, der kann genauso geheim tagen, und nicht in der Regel immer dieses Kleinstgremium. Das wird unser Vorschlag sein, wenn das Verfassungsgericht so urteilt, und dann sagen wir okay, dann lasst uns das immer im Haushaltsausschuss machen.

    Meurer: Aber das Kleinstgremium wollten Sie auch etablieren für Spezialfälle?

    Schneider: Ja, für Spezialfälle: für Sekundärmarkt-Aktivitäten. Was heißt das? Sekundärmarkt-Aktivität ist das, was die EZB derzeit macht. Sie kauft am Markt, Staatsanleihen werden ja auch gehandelt nach Ausgabe und dadurch werden die Renditen vor allen Dingen festgelegt, und das sollte nicht mehr die EZB, die Zentralbank, sondern eben der Rettungsfonds machen. Das können sie aber nicht in so einer Runde von 41 Kollegen mit Durchschrift an alle möglichen Bundesratsleute noch machen, weil das sind marktrelevante Informationen. Wenn bekannt ist – und in so einer großen Runde ist es wahrscheinlich, dass das irgendwie herauskommt -, dass man mit acht, neun, zehn Milliarden interveniert, dann kann man da sehr viel Geld mit verdienen und deswegen ist das nicht möglich, das ist Insider-Handel.

    Meurer: Nehmen wir einmal an, das Bundesverfassungsgericht wird sagen, das Neunergremium kommt nicht infrage, es kommt ein neues Gesetz und sagt okay, dann übernimmt diese Aufgabe der Haushaltsausschuss. Ist das auch nur im Entferntesten praktikabel, dass 41 Leute geheim und schnell entscheiden wollen?

    Schneider: Ja, das geht schon. Wir haben das auch in anderen Fällen bewiesen. Ich sage Ihnen nur, dass eben dieses eine Instrument der Sekundärmarkt-Aktivität, also am Markt zu intervenieren und Staatsanleihen aufzukaufen von anderen Partnern, das wird dann nicht funktionieren. Das kann man heute schon sagen, damit wäre das tot. Ob das jetzt schlimm ist, will ich mal außen vor lassen, weil ich glaube, dass dieses Instrument eh nicht so sonderlich wirksam ist, sondern es wirklich darum geht, Staaten dann zu helfen, wenn sie Kredite benötigen, und ihnen die dann direkt auch zu geben. Ich glaube, das wird dann mehr im Fokus stehen. Von daher erhoffe ich mir, dass das Verfassungsgericht dieser teilweisen Entmannung oder Entmachtung des Parlaments einen Riegel vorschiebt. Wir als SPD wollten das sowieso nicht, dass man sich an diese Regel gebunden hat, dass es immer dieses Gremium ist. Und ansonsten werden wir uns damit beschäftigen, wie wir mit dem Urteil umgehen.

    Meurer: Also als unproblematisch sehen Sie es, wenn der Haushaltsausschuss darüber entscheidet oder zustimmen muss, dass Italien, ich sage mal, 80 Milliarden Euro Kredite bekommen soll?

    Schneider: Das wäre sowieso ein Fall, der in den Bundestag ginge, weil das wäre ein richtiges Kreditprogramm. Es gibt aber darunter noch ein paar Dinge wie Bankrekapitalisierung und andere Fragen, die dann der Haushaltsausschuss auch machen kann. Wir stoßen dann halt einfach an die verfassungsrechtlichen Grenzen, und da hat Herr Vosskuhle schon recht: Man kann das Recht nicht aushebeln. Dann müsste man im Zweifel die Verfassung ändern. Ob das tatsächlich notwendig ist an der Stelle, da müsste man sich im Zweifel eben auch andere Instrumente aussuchen.

    Meurer: Steht die Demokratie der Euro-Rettung im Wege?

    Schneider: Na ja, zumindest die jetzige Gesetzeslage, an die muss man sich ja halten. Wir können ja nicht als Gesetzgeber selbst das Recht brechen, sondern dann müssen wir im Zweifel das Gesetz ändern. Aber ich sage Ihnen ganz simpel: daran wird jetzt die Euro-Rettung nicht scheitern. Da gibt es andere Probleme: die eineinhalbjährige Zurückhaltung auch der Bundesregierung zu sagen, in welche Richtung soll es denn hier eigentlich gehen, die Uneinigkeit auf EU-Ebene, jeden Tag ein neuer Vorschlag. Das ist doch das, was die Leute verrückt macht. Da ist es viel wichtiger, politische Klarheit zu haben, ja, wir gehen in eine stärkere Vergemeinschaftung der Steuer- und Finanzpolitik, stärkere Abstimmung, stärkere Kontrolle auch der nationalen Haushalte.

    Meurer: Da wird aber die Bundesregierung sagen, wir sind doch klipp und klar gegen Eurobonds, jedes Land soll selbst sehen, dass es seinen Haushalt klar bekommt. Wo fehlt da die Linie Ihrer Meinung nach?

    Schneider: Das sagt sie ja eben gerade nicht. Im Gegenteil. Sowohl Frau Merkel als auch Herr Schäuble sagen ja, sie wollen jetzt eine Fiskalunion, sie wollen auf dem Gipfel Anfang Dezember die Verträge ändern, und am Ende steht der Eurobonds, das ist auch klar. Wenn sie die Vergemeinschaftung der Finanzpolitik machen, ist ganz am Ende auch die konditionierte gemeinsame Schuldenaufnahme. Das schließt Frau Merkel im Übrigen auch nicht aus, was ich interessant finde.

    Meurer: Das könnte aber noch eine ganze Weile dauern. – Wie denken Sie über die sogenannten Elitebonds, Herr Schneider, also Bonds nur von einer Hand voll europäischer Staaten wie Deutschland, Niederlande, Luxemburg?

    Schneider: Da ist so ein Thema gestern hochgekommen, ohne eine richtige Quelle. Die Bundesregierung hat das glaubhaft dementiert. Ich sehe auch nicht den Sinn und Zweck des Ganzen, sondern das hat nur dazu geführt, dass die Lage wieder ein bisschen verrückter geworden ist. Man muss jetzt Ruhe bewahren, die Dinge, die wir beschlossen haben, auch mal umsetzen. Da haben wir im Haushaltsausschuss gestern einen Schritt getan, indem wir dem jetzigen Rettungsfonds dort die Möglichkeit gegeben haben, auch Versicherungen auszusprechen. Das ist ja ein Schritt in die konditionierten Eurobonds auch. Und ich hoffe, dass das jetzt auch gelingt mit einer klaren Ansage, dass eben Europa nicht gespalten wird, sich auch nicht treiben lässt, sondern Europa füreinander einsteht und die notwendigen rechtlichen Änderungen dafür auch vornimmt.

    Meurer: Das mit einer Spaltung könnte die Folge sein. Aber wenn es brennt, wenn es jetzt eine Frage von Wochen ist, wären dann Elitebonds nicht doch eine Maßnahme, sozusagen eine Notmaßnahme, um schnell agieren zu können?

    Schneider: Nein, überhaupt nicht. Im Übrigen haben wir das ja durch den EFSF, also den Rettungsfonds. Der gibt ja auf Grundlage des Triple-A-Ratings der besten Staaten seine Schuldverschreibungen und gibt dann das aufgenommene Geld den Staaten weiter. Also de facto ist das so und wir haben ja bisher – bis vorige Woche in Deutschland zumindest waren wir ja Profiteur der Krise – erstmals eine große Anleihe nicht platzieren können. Und wenn wir das in der jetzigen fragilen Situation weiter vergemeinschaften, also verschiedene Leute da quasi bürgen und gemeinschaftliche Anleihen begeben, das hilft Italien nicht und Spanien nicht. Da muss jetzt dieser Käuferstreik, den es gibt, beendet werden und vor allen Dingen auch Fragen der Regulierung. Banken werden derzeit angehalten, durch die Stresstests der EBA, eher Staatsanleihen zu verkaufen und sich nicht weiter daran zu beteiligen. Also da laufen die Züge aufeinander zu, rauschen aufeinander zu, und die Regierung, auch der bundesdeutsche Finanzminister hat die Sache da nicht im Griff. Das ist nicht gut.

    Meurer: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Carsten Schneider, Mitglied im Haushaltsausschuss, und er sollte auch in dem Neunergremium Mitglied sein, über das Karlsruhe heute berät. Herr Schneider, danke schön und auf Wiederhören.

    Schneider: Danke, Herr Meurer.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.