Der Bochumer Stadtteil Hamme hat eine typische Arbeitergeschichte: In Zeiten des Kohleabbaus gab es hier zwei Zechen. Später, während des Stahlbooms, wuchs hier ein richtiger Malocherstadtteil mit 15.000 Bewohnern. Es war eine Hochburg der Arbeiterpartei SPD.
Kaum Interesse an Politik
Heutzutage machen die grauen Mietshausfassaden entlang der Hauptstraße nicht viel her. Der Edeka-Supermarkt um die Ecke steht schon lange leer. Eine der zwei Grundschulen wurde aufgegeben. Für Politik, und insbesondere für die SPD, engagieren sich hier nur wenige:
"Ich interessiere mich gar nicht wirklich ja ich gehe auch nicht wählen. Ich bin dafür, dass man einfach so lebt wie man will, ne?"
"Ne, ich bin da auch raus. Falsches Thema. Politik an sich schon, aber SPD gar nicht. Weil wofür die SPD einsteht, ist ja jetzt schon alles umgesetzt und viel Neues kann nicht mehr kommen, deswegen sind die für mich obsolet."
"Ich halte von keiner Partei was, für mich sind die alle irgendwie nicht glaubwürdig. Sagen wir mal so."
Trotzdem sind die Mitglieder der SPD noch immer wichtig als Akteure in der Entwicklung des Stadtteils. Ortsvereins-Vorsitzender Klaus Amoneit kann zu den Treffen immer gut 20 Genossen begrüßen, manchmal kommen auch mehr. Dass die Bürger sich aus der Politik zurückziehen, dafür hat er Verständnis: "Weil diese Gesellschaft an ganz vielen Stellen: in der Arbeitspolitik, Arbeitsplatzsicherheit, Bildungspolitik, in der Verkehrspolitik die Anliegen der sozialen Gerechtigkeit, hat diese Gesellschaft nicht mehr im Fokus, der soziale und demokratische Rechtsstaat muss weiterentwickelt werden."
Neuer SPD-Kurs kommt bei den Genossen an
Amoneit und seine Genossen sind aktiv im Stadtviertel. Nicht nur vor Wahlen. Früher holten sie hier 60 Prozent der Stimmen und mehr. Die Hartz-IV-Reformen der Regierung Schröder haben aber für eine Zäsur gesorgt.
"Wir haben uns alle gemeinsam dem demokratischen und sozialen Rechtsstaat verpflichtet und das wollen wir auf allen Politikfeldern umsetzen und das ist seit der Schröder Agenda 2010 außer Kraft gesetzt worden, jedenfalls in vielen Teilen, und das muss geändert werden."
An der Bochumer Basis ist man jetzt begeistert davon, dass die SPD nun einen neuen Kurs fährt: bei der Rente oder der sozialen Grundsicherung und eine Abkehr von den Hartz IV-Regelungen. Im Fernsehen und Internet haben sie nach der internen Klausurtagung der SPD die Statements der Parteivorsitzenden Andrea Nahles gehört: "Wir haben einen Konsens mit klaren Aussagen zu Sozialstaat, Rente, zu wichtigen Fragen formuliert. Das ist eine Positionierung und eine klare Aufstellung der sozialdemokratischen Partei Deutschlands."
In Hamme haben diese Beschlüsse aufhorchen lassen. Ortsvereins-Vorsitzender Amoneit meint, das gebe jetzt neuen Mut: "Das ist auf jeden Fall notwendig – dringend notwendig – längst überfällig."
Bei dem 73-Jährigen blitzt Kampfesgeist auf. Er sieht seine Partei wieder auf dem richtigen Weg, denn viele seiner Genossen sind von den ewigen schlechten Nachrichten über die Partei und die fallenden Umfragewerte der vergangenen Monate frustriert.
"Der Unmut ist groß, so kann es auf jeden Fall, wie bisher, nicht bleiben und diese Struktur war von Anfang an, das hat der Unterbezirksparteitag in Bochum 2003 auch beschlossen, von Anfang an ungerecht und das ist Mist."
Wieder Leben an der Parteibasis
Von "SPD pur" sprechen die ersten Genossen. Auf einmal ist wieder Leben an der Parteibasis. Doch von den SPD-Führungsgremien, gerade in NRW, erwartet Klaus Amoneit ein wenig mehr Begeisterung. Auch auf den Webseiten und in den sozialen Netzwerken gibt es kaum Reaktionen: "Aber damit ist doch noch nicht Ende der Durchsage: wo bleiben die Mitglieder des Parteivorstandes, wo bleiben die Landesvorstände? Die haben doch auch demnächst Wahlen. Wollen die nichts dazu sagen?"
Nächste Woche trifft sich sein Ortsverein Hamme. Die Respektrente von Arbeitsminister Hubertus Heil steht auf der Tagesordnung. Da erwartet Amoneit ein volles Haus. Sogar aus der Nachbarstadt haben sich Genossen angemeldet. Außerdem will er jetzt auch zusätzlich die Öffentlichkeit im Stadtteil zur Diskussion einladen.