An diesem Abend hat Stephan Weil in ein abgelegenes Restaurant im Nordharz eingeladen. Das Ambiente: rustikal. Hirschgeweihe und gemalte Jagdszenen schmücken die Wände. An den Tischen rundum drängt sich das vorwiegend ältere Publikum. Die Bürger haben ihre Fragen auf Bierdeckel geschrieben, Stephan Weil antwortet.
"Ich nehme an, die allermeisten hier im Raum haben schon einmal die Ina-Müller-Show gesehen? Und Sie wissen auch was Ina Müller mit Bierdeckeln macht? Das mache ich auch, allerdings mit einer Einschränkung: Ich habe noch nie ´ne unanständige Frage bekommen!"
Es geht im Folgenden um die großen und die kleinen Dinge, die Menschen bewegen.
"Wird die Ackerstraße in Harlingerode saniert?"
"Also, ich weiß es nicht!" Weil gibt sich nahbar, bodenständig. Doch bei jeder Gelegenheit streut der amtierende Ministerpräsident seine Botschaften ein. Nach viereinhalb Jahren sei er mit sich und der Leistungsbilanz seiner rot-grünen Regierungsmannschaft im Reinen. Niemals habe es in Niedersachsen mehr Polizeibeamte und Lehrkräfte gegeben, der Haushalt sei saniert, die Abwanderung junger Leute gestoppt, der ewige Streit um das Schulsystem habe unter Rot-Grün ein Ende gefunden.
"Der frühere Kultusminister und jetzige Bewerber der CDU für das Ministerpräsidentenamt hat das Turbo-Abitur eingeführt und der jetzige, und ich hoffe auch künftige, Ministerpräsident hat es abgeschafft."
SPD und CDU - in Umfragen gleichauf
Stephan Weil gegen Bernd Althusmann: Der Skandal um den Übertritt der grünen Landtagsabgeordneten Elke Twesten zur CDU hat für böses Blut zwischen den Parteien gesorgt – aber auch die Kampfeslust der Kandidaten geweckt. Weil spricht von einer im Hinterzimmer ausgeheckten Intrige.
"Die CDU hat mit offenen Armen die Frau Twesten empfangen. Und wenn´s nach mir geht: Die CDU muss noch ein bisschen nachsitzen, was ein paar demokratische Gepflogenheiten angeht – am besten 5 Jahre und am besten in der Opposition."
Jüngste Umfragen deuten auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden großen Parteien hin. Eine rot-rot-grüne Linkskoalition, die Schreckensvision der Bürgerlichen, will Weil nach der Wahl nicht ausschließen. Aber:
"Ich lege meinen persönlichen Ehrgeiz da rein, dass die Linke nicht in den Landtag kommt – und übrigens die AfD auch nicht!"
Weil kämpft um den Machterhalt – aus eigener Kraft. Er sitzt im gecharterten VW-Bus, der ihn zum nächsten Wahlkampfauftritt bringt. Im Mutterland des Weltkonzerns arbeiten 250.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte direkt bei oder mittelbar für Volkswagen. Wo werden die Autos der Zukunft gebaut? Wie verändert sich Arbeit durch neue, disruptive Geschäftsmodelle? Das sind Fragen, die den 58-jährigen Weil bewegen - als Regierungschef genauso wie als VW-Aufsichtsrat.
"Wenn ich an Globalisierung denke, zum Beispiel in ihrer Ausprägung durch Migration und Zuwanderung, wenn ich an die Digitalisierung denke: das sind alles epochale Ereignisse! Und das löst viele Ängste auch aus. Es muss, meines Erachtens, entscheidend darum gehen, dass man Vertrauen zurückgewinnt."
Gute Stimmung bei Auftritt von Weil
SPD-Parteichef Martin Schulz greift erst spät in der vergangenen Woche bei einem kurzen Gastspiel in Cuxhaven in den Wahlkampf ein. Mit 20 Prozent Stimmanteil in der Bundestagswahl verbuchte die SPD ein historisch schlechtes Ergebnis. Für seinen menschelnden Auftritt erfährt Schulz solidarischen Beifall.
Doch dann tritt Stephan Weil auf die Bühne – und die Stimmung hellt auf. Zwischen Bund und Land weiß die Parteibasis wohl zu unterscheiden.
"Ich sehe eine gute Chance, dass die Wahl gewonnen werden kann!"
"Ja, das denke ich auch, denn in Niedersachsen hat die SPD Erfolge gehabt und im Bund ist sie von Frau Merkel unter den Tisch gefegt worden."
"Ich bin bisher parteilos gewesen. Ich überlege, in die SPD einzutreten, weil das die einzige Partei in Deutschland ist, die den Rechtsruck verhindern kann!"
Keine Woche mehr bis zur Wahl: Hält der Zulauf an, könnte die SPD mit ihrem Spitzenkandidaten Stephan Weil erstmals seit 20 Jahren stärkste politische Kraft in Niedersachsen werden.