Olaf Scholz oder Boris Pistorius – wer wird Kanzlerkandidat der SPD? Darüber ist innerhalb der Partei eine Diskussion entbrannt. Scholz hat mehrfach betont, als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf ziehen zu wollen, ist aber noch nicht offiziell als Spitzenkandidat nominiert.
Mehrere Parteimitglieder sprechen sich inzwischen offen für Boris Pistorius als neuen Kanzlerkandidaten aus. Der Verteidigungsminister hält sich bisher bedeckt, hat eine Kandidatur aber nicht ausgeschlossen. Wer von beiden setzt sich am Ende durch?
Warum steht Scholz in der Kritik?
Olaf Scholz ist bei den Wählerinnen und Wählern nicht gerade beliebt und hat in den letzten Wochen schlechte Umfragewerte erzielt. Laut einer Forsa-Umfrage wünschen sich nur 13 Prozent der Deutschen Olaf Scholz als SPD-Kanzlerkandidaten. Deutlich mehr, nämlich 57 Prozent, sprechen sich für die Kandidatur von Boris Pistorius aus. Der SPD-Verteidigungsminister ist einer der beliebtesten Politiker in Deutschland.
Einige SPD-Mitglieder befürchten mit Scholz an der Spitze ein Debakel bei der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar. Wenn die Partei schlecht abschneidet, verlieren zahlreiche SPD-Abgeordnete ihr Mandat. Mit Boris Pistorius als Kanzlerkandidat rechnen sich einige deutlich bessere Chancen aus.
Scholz habe als Kanzler zwar einen soliden Job gemacht, meint der Politikwissenschaftler Wolfgang Schröder. Jedoch habe er es nicht geschafft, eine symbolisch emotionale Beziehung zur bundesdeutschen Bevölkerung herzustellen. „Er hat Enormes geleistet in dieser schwierigen Zeit, aber er konnte das, was er gemacht hat, nicht in der Form rüberbringen, dass am Ende eine wirkliche Zuneigung zu ihm erwachsen ist“, sagt Schröder.
Wer steht hinter Olaf Scholz als Kanzlerkandidat?
Die SPD-Spitze hat bislang ihre Unterstützung für Bundeskanzler Olaf Scholz Kanzlerkandidaten betont, ihn jedoch noch nicht offiziell nominiert. Die Parteivorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil und Generalsekretär Matthias Miersch haben mehrfach deutlich gemacht, dass sie an Olaf Scholz festhalten wollen.
Auch Arbeitsminister Hubertus Heil hat den Bundeskanzler mehrfach verteidigt. Heil warnte davor, den öffentlichen Streit der Union um die Kanzlerkandidatur von 2021 zu wiederholen. Auch mehrere SPD-Bundestagsabgeordnete haben sich in den Medien für Olaf Scholz ausgesprochen, darunter der dienstälteste SPD-Abgeordnete Axel Schäfer aus Bochum, der wirtschaftspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Bernd Westphal und der Düsseldorfer Parlamentarier Andreas Rimkus.
Auch der vermeintliche Konkurrent, Boris Pistorius selbst, steht bislang hinter Scholz. Für ihn stehe die Entscheidung fest, sagte der Verteidigungsminister in der ARD. „Wir haben einen wirklich herausragenden Kanzler, der in einer der schwierigsten Zeiten der Republik in einer schwierigen Dreierkonstellation das Ruder in der Hand hatte“, so Pistorius. Scholz habe entschieden, dass er weitermachen wolle. „Ich gehe nach wie vor fest davon aus, dass Olaf Scholz nominiert werden wird“. Ausgeschlossen hat Pistorius eine Kanzlerkandidatur bisher aber auch nicht.
Wie äußert sich Olaf Scholz?
„Olaf Scholz macht für mich nicht den Eindruck, dass er von sich aus zurückziehen würde“, sagt Hauptstadtkorrespondent Frank Capellan. Der Bundeskanzler hat sich in mehreren Interviews zu Wort gemeldet und seinen Willen bekräftigt, Kanzlerkandidat der SPD werden zu wollen. Im Gespräch mit dem ZDF sagte der Bundeskanzler:
Letztes Mal haben ziemlich viele mit mir gemeinsam die Wahl gewonnen und haben es geschafft, Politik für Deutschland im Deutschen Bundestag zu machen. Und ich finde, das sollte wieder unser Ehrgeiz sein, dass wir sehr viele Mandate für die SPD gewinnen.
Scholz rechnet auch nicht damit, dass ihn der Parteivorstand jetzt bitten wird, für Boris Pistorius Platz zu machen. „Machen Sie sich keine Hoffnungen, die SPD steht zusammen“, so Scholz.
Die meisten kritischen Stimmen kommen aus der Parteibasis. Der größte SPD-Landesverband in Nordrhein-Westfalen hat sich für Boris Pistorius als Kanzlerkandidat ausgesprochen. Auch in vielen anderen Landesverbänden nimmt der Widerstand gegen Olaf Scholz inzwischen zu.
Auch die beiden Vorsitzenden der NRW-Landesgruppe im Bundestag, Dirk Wiese und Wiebke Esdar, haben sich für Boris Pistorius als Kanzlerkandidaten positioniert. Esdar gehört zum Führungskreis der parlamentarischen Linken, Wiese ist Co-Chef des konservativen Seeheimer Kreises, der bislang stark hinter Olaf Scholz stand. Auch die Bundestagsabgeordneten Joe Weingarten, Johannes Arlt und Markus Töns unterstützen eine Kandidatur von Boris Pistorius.
Aus Sicht der Jusos ist die Frage, wer SPD-Kanzlerkandidat wird, noch offen. „Es gibt keine Selbstkrönung“, sagt Juso-Chef Philipp Türmer. Er positioniert sich jedoch weder klar für Boris Pistorius noch für Olaf Scholz. Ähnlich unklar äußert sich Franz Müntefering und verweist auf die innerparteiliche demokratische Abstimmung.
Wie wahrscheinlich ist es, dass Scholz noch Kanzlerkandidat der SPD wird?
Das ist derzeit kaum abzusehen. Klar erkennbar ist jedoch, dass die Debatte um die SPD-Kanzlerkandidatur immer weiter Fahrt aufnimmt. Laut Dlf-Hauptstadtkorrespondent Stephan Detjen herrscht „erhebliche Unruhe an der Parteibasis“.
Dem gegenüber steht die große Unterstützung für Scholz in der Parteiführung und bei mächtigen Mitgliedern. „Ich sage Ihnen, es wird keinen Königsmord in der SPD geben“, betont der Abgeordnete Axel Schäfer. Aus Sicht von Dlf-Hauptstadtkorrespondentin Katharina Hamberger hat Scholz deshalb noch immer gute Chancen auf die Kanzlerkandidatur.
Auch ist die Frage, wer der bessere Kanzlerkandidat für die SPD wäre, keineswegs eindeutig, betont die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch. „Für beide Personalentscheidungen gibt es jeweils sehr gute Argumente.“
Die Partei ist bereits mitten im Organisationsprozess für den Wahlkampf, erklärt Dlf-Hauptstadtkorrespondent Stephan Detjen. Alles sei darauf eingestellt, mit Olaf Scholz in den Wahlkampf zu ziehen. Sich nun auf einen neuen Kandidaten einzustellen, wäre schwierig. Außerdem sei nicht sicher, dass die Beliebtheit des jetzigen Verteidigungsministers Boris Pistorius in der neuen Rolle als Kanzlerkandidat anhalten würde, so Detjen.
Wann wird die Entscheidung fallen?
Der Druck auf die Parteispitze, schnell zu einer Entscheidung zu kommen, wächst. Offiziell nominiert wird der Kanzlerkandidat auf dem SPD-Parteitag am 11. Januar 2025. Die Entscheidung soll aber schon deutlich früher fallen – auf einer „Wahlsiegkonferenz“ am 30. November will sich die Parteispitze auf einen Kanzlerkandidaten festlegen.
Frühestens am kommenden Montag wird mit einer möglichen Entscheidung gerechnet. Dann trifft sich der 34-köpfige Parteivorstand der SPD erneut. Am Wochenende will Parteichef Klingbeil noch einmal Gespräche führen, sagt Hauptstadtkorrespondent Frank Capellan. Klar scheint aber, dass nicht über Scholz‘ Kopf hinweg entschieden wird. Gut möglich sei, dass sich auch der Bundeskanzler und Boris Pistorius am Wochenende noch einmal beraten werden, so Capellan
kau