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SPD löst Historische Kommission auf
"Eine gewisse Geschichtslosigkeit"

Harsche Vorwürfe gegen die SPD-Spitze: Der Vorsitzende der Historischen Kommission der SPD, Bernd Faulenbach, attestiert den jüngeren Politikern im Parteivorstand, nur "im Heute" zu leben und damit die Kurzatmigkeit der Politik zu befördern. Der Parteivorstand plant, die Kommission aufzulösen.

Bernd Faulenbach im Gespräch mit Moritz Küpper |
    Professor Bernd Faulenbach von der Universität Bochum an seinem Schreibtisch
    Professor Bernd Faulenbach lehrt an der Universität Bochum unter anderem Geschichte der Arbeiterbewegung und der Sozialdemokratie des 19. und 20. Jahrhunderts. Er ist Ehrenvorsitzender der Bochumer SPD. (Deutschlandradio/ Moritz Küpper)
    "Auf viele wirkt das wie ein Akt der Resignation", erklärte Faulenbach mit Bezug auf den von Parteichefin Andrea Nahles angestoßenen Erneuerungsprozess der SPD. "Dies kommt nicht gut an, und ist in dieser Situation eine verheerende Entscheidung, die absolut kontraproduktiv ist und eben nicht zur Erneuerung der Partei beiträgt."
    Zum Deutschlandfunk sagte Faulenbach, die SPD-Parteivorsitzende habe ihn Ende Juni angerufen und mitgeteilt, dass sie dem Parteivorstand vorschlagen werde, das Mandat der Kommission nicht zu verlängern. Für die Kommissionsmitglieder sei das völlig überraschend gekommen – "wenn es Kritik gegeben hätte, hätte man sie umsetzen können". Doch die Kommunikation mit der Parteiführung sei seit Jahren schlecht gewesen, auch weil die Spitze so häufig ausgetauscht worden sei.
    "Die sind immer im Heute. Die haben kein Gestern"
    Faulenbach warf den Entscheidern im SPD-Vorstand, insbesondere Mitgliedern der jüngeren Generation, "eine gewisse Geschichtslosigkeit" vor: "Die sind immer im Heute. Die haben kein Gestern, und deshalb leider auch kein Morgen. Und das führt zu einer Kurzatmigkeit der Politik, die dann auch bedeutet, dass man Geschichte geringschätzt - aber zum eigenen Schaden, zum Schaden der eigenen Durchsetzungsfähigkeit."
    Die Kommission habe aktuell eine Tagung für den 8. und 9. November vorbereiten wollen, um der November-Revolution von 1918 und der Entstehung der Weimarer Republik zu gedenken. Auf das Angebot der Kommission, ein historisches Gutachten zum Agenda-2010-Prozess zu erstellen, sei nie eingegangen worden.
    Nahles will nun den Partei-Schatzmeister Dietmar Nietan damit beauftragen, sich um die Pflege des SPD-Geschichtsverständnisses zusammen mit der parteinahen Friedrich-Ebert-Stiftung zu bemühen. Davon halte er jedoch wenig, sagte Faulenbach. "Was Dietmar Nietan in dem Zusammenhang soll, ist mir völlig unklar. Der Schatzmeister, der von zu Haus aus keine Historiker ist, was der als Beauftragter für Geschichte machen soll – da muss die Partei entscheiden, ob sie über ihren Beschluss nicht nochmal nachdenkt."
    Bernd Faulenbach, Historiker an der Ruhr-Universität Bochum, hat den Vorsitz Historischen Kommission der SPD seit 1989 inne. Die Kommission war 1981 gegründet worden. Laut Website der Kommission hat diese etwa ein oder zwei öffentliche Veranstaltungen pro Jahr zu Themen wie Populismus oder Vermögenskonzentration ausgerichtet.