Archiv

SPD nach der Hamburg-Wahl
Esken: "Ergebnis guter Regierungsarbeit"

Der Erfolg der SPD in Hamburg sei nicht nur auf den Wahlkampf von Spitzenkandidat Peter Tschentscher zurückzuführen. Die Partei habe auch auf Bundesebene klare Haltung gezeigt, sagte die Co-Vorsitzende der SPD, Saskia Esken, im Dlf. Die Politik Tschentschers sei "sehr gut auf Hamburg abgestimmt".

Saskia Esken im Gespräch mit Philipp May |
Saskia Esken, Bundesvorsitzende der SPD, spricht während der Debatte zur Aktuellen Stunde zum Klimagipfel in Madrid im Bundestag
Die Co-Vorsitzende der SPD, Saskia Esken (dpa / Fabian Sommer)
Mit fast 40 Prozent ist die SPD Gewinner der Bürgerschaftswahl in Hamburg – trotz gar nicht mal so kleiner Verlusten. Darüber haben wir mit der Co-Vorsitzenden der SPD, Saskia Esken, gesprochen.
Ausschlaggebend für den Wahlerfolg der Sozialdemokraten in Hamburg sei die gute Bilanz von Peter Tschentscher als Regierungschef, mit der er im Wahlkampf habe punkten können. "Das ist das Ergebnis einer guten Regierungsarbeit", so Esken im Dlf. Gleichzeitig stimmte sie der Aussage ihres Co-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans zu, dass der klare Kompass der Bundes-SPD verantwortlich für das gute Ergebnis in Hamburg sei.
So wie fast alle anderen Parteien habe die SPD in Bezug auf die junge Wählerschaft jedoch noch Nachholbedarf. "Wir müssen uns mehr mit deren Welt und Zukunft beschäftigen", meinte Esken. Mit den gestiegenen Zustimmungswerten für die SPD würden in der Partei nun auch Diskussionen zu Kanzlerkandidaten "mit Sicherheit geführt". Es gebe "viele Frauen und Männer, die dieses Potenzial aufweisen und wir werden sehen, wohin wir da kommen", sagte die Co-Vorsitzende der Sozialdemokraten.

Das Interview in voller Länge:
Philipp May: Ohne Frage, die SPD ist Gewinner der Bürgerschaftswahl in Hamburg trotz gar nicht mal so kleinen Verlusten, fast 40 Prozent aber gegen den Bundestrend für die SPD und den ersten Bürgermeister Peter Tschentscher in Hamburg. Darüber sprechen wir jetzt, und zwar mit der Co-Vorsitzenden der Bundespartei. Guten Morgen, Saskia Esken!
Saskia Esken: Guten Morgen, Herr May!
May: Frau Esken, was machen die Hamburger Genossen besser als die im Bund?
Esken: Die Hamburger Genossen regieren, die führen die Regierung an, und das ist zunächst mal einfach so, dass Peter Tschentscher natürlich als Regierungschef auch eine gute Bilanz vorweisen kann und damit auch sehr gut punkten konnte im Wahlkampf. Das ist unbenommen, das diese Stadt regiert, das ist Ergebnis einer guten Regierungsarbeit.
Nicola Beer, Spitzenkandidatin (FDP) im Europawahlkampf
Nicola Beer (FDP) - "Haben kein Problem mit der Abgrenzung nach rechts außen"
In Hamburg habe die FDP aufgrund der Ereignisse von Thüringen Vertrauen verloren. Dieses müsse jetzt wieder aufgebaut werden, sagte Nicola Beer, stellvertretende Parteivorsitzende der FDP, im Dlf.
May: Frau Esken, Ihr Co-Vorsitzender Norbert Walter-Borjans hat den Sieg der SPD zum allgemeinen Erstaunen gestern so gewürdigt, ich spiele das mal ganz kurz ein:
Norbert Walter-Borjans: Die Hamburgerinnen und Hamburger haben grundsolide Regierungspolitik in Hamburg honoriert, und sie haben in den letzten Wochen aber auch erfahren, was es heißt, wenn die Bundespartei einen klaren Kompass hat, und ich glaube, dass dieses Zusammenspiel, jeder an seinem Platz, einen guten Beitrag zu diesem Ergebnis geleistet hat.
Haben Menschen auch ohne Termine in Hamburg erreicht
May: Würden Sie das so unterschreiben?
Esken: Da kann ich Herrn Norbert Walter-Borjans nur zustimmen. Selbstverständlich hat auch eine Rolle gespielt, so wie ja viele Kommentatoren auch der Auffassung sind, dass das Verhalten der CDU und der FDP in Thüringen eine Rolle gespielt habe in Hamburg. Selbstverständlich hat auch eine Rolle gespielt, dass die SPD klare Haltung und einen klaren Kompass gezeigt hat.
May: Jetzt hat allerdings Peter Tschentscher, jetzt hat die Hamburger SPD auf Wahlkampfhilfe von Ihnen, von der Bundespartei, von der Parteiführung verzichtet, hat eher auf Distanz gesetzt.
Esken: Ich würde mal sagen, die Hamburgerinnen und Hamburger, die kennen überregionale Medien und Zeitungen und agieren so auch in Bezug auf Thüringen beispielsweise, aber auch davor, hat schon auch die Hamburgerinnen und Hamburger erreicht, ohne dass wir Termine in Hamburg gemacht haben.
May: Man kann es ja auch so sehen: Mit einem Linkskurs gewinnt man in der SPD den Parteivorsitz, mit einem pragmatischen Mittekurs à la Scholz oder Tschentscher gewinnt man Wahlen, auch außerhalb der Partei.
Esken: Nun hat Peter Tschentscher die Wahlen in Hamburg gewonnen und hat auch eine Politik gemacht und auch einen Wahlkampf gemacht, der sehr gut auf diese Stadt abgestimmt war, und diese Stadt ist nicht einzigartig in Deutschland, aber andere Großstädte ticken auch anders. Insofern wirklich Gratulation zu diesem großartigen Erfolg.
May: Ich frage, weil wenn man sich im Prinzip mal die relativ ja überschaubare mittlerweile Ministerpräsidentenriege der SPD anschaut, Tschentscher, Weil in Niedersachsen, auch Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz. Die stehen alle eben nicht für einen Linksschwenk der Partei.
Esken: Diese Regierungen und Parteien haben immer gewisse Unterschiede in ihrer Akzentsetzung. Das ist auch vollkommen richtig, und dafür sind wir übrigens auch angetreten, dass wir die Partei auch eigenständig halten wollen. Das steht nicht im Gegensatz zueinander, aber selbstverständlich positioniert sich die SPD als Partei noch mal eigenständig gegenüber der Alltags- und pragmatischen Politik. Das wird auch gegenüber der Bundesregierung immer auch, nicht eine Distanz, aber durchaus ein Unterschied sichtbar sein, und das ist auch notwendig und richtig.
"Haben derzeit Zustimmungswerte von 15 und 16 Prozent"
May: Dieser Wahlerfolg von Hamburg – ich habe es gesagt – gegen den Bundestrend. Was heißt das für die Strategie auf Bundesebene?
Esken: Also ich habe gestern Abend den Verlauf der Zustimmungswerte in Prognosen und Umfragen in Hamburg und auf Bundesebene zueinander mal korreliert gesehen im Fernsehen, und diese Kurve verlief auf die gleiche Art und Weise. Da gab es einen Tiefpunkt im vergangenen Jahr im September und Oktober, und dann ging es aufwärts, und zwar in beiden Fällen. Wir haben derzeit Zustimmungswerte von 15 und 16 Prozent. Das ist kein großer Aufschwung, aber es ist ein kleiner Aufschwung, und deswegen sehe ich da gar keinen großen Unterschied.
May: Jetzt haben Sie im Wahlkampf für den Parteivorsitz gesagt, wir wollen auf einen SPD-Kanzlerkandidaten verzichten. Bleiben Sie dabei, oder überlegen Sie jetzt doch auch gerade, wenn man schaut, was jetzt gerade bei der Union los ist, oder überlegen Sie da doch möglicherweise noch mal, das zu überdenken?
Esken: Es stimmt auch so nicht, Walter-Borjans hat es so nicht gesagt. Er hat nicht gesagt, wir verzichten auf einen Kanzlerkandidaten, sondern er hat gesagt, in einer Situation, wo die SPD Zustimmungswerte von 13 und 14 Prozent hat, ist es eine Sache, die uns nicht als erstes einfällt, wenn wir uns die Fragen stellen, wie geht es weiter.
May: Das heißt, die Diskussion über einen Kanzlerkandidaten, die beginnen jetzt langsam auch bei der SPD?
Esken: Die werden mit Sicherheit jetzt geführt.
May: Könnte das möglicherweise sogar Olaf Scholz sein?
Esken: Wir haben immer gesagt, dass das jetzt im Augenblick nicht die Thematik ist, mit der wir uns befassen und mit Sicherheit auch nicht in der Öffentlichkeit befassen werden. Wir haben viele Personen, Frauen und Männer, in der SPD, die dieses Potenzial aufweisen, und wir werden sehen, wohin wir da kommen.
"Junge Menschen werden von Politik nicht erreicht"
May: Frau Esken, ich will noch einen anderen Punkt ansprechen. Jetzt ist auch in Hamburg für die SPD nicht alles Gold, was glänzt. Darüber wurde jetzt auch gestern bei uns in den Wahlsendungen häufig hingewiesen: Die Wähler der SPD sind vor allem älter. Die Jungen wählen eher Grün. Heißt das perspektivisch, sieht das auch in Hamburg für die Sozialdemokraten schwierig aus? Würden Sie das so mitnehmen? Würden Sie das auch so sehen?
Esken: Nein, ich würde sagen, dass die SPD in Bezug auf die junge Wählerschaft in Bezug darauf, dass wir auch Zukunftsideen und Zukunftsvisionen vermitteln können und nicht nur pragmatische Politik, dass wir da noch Hausaufgaben zu machen haben und im Übrigen so gut wie alle anderen Parteien auch. Ist vollkommen richtig, dass die jungen Menschen nicht erreicht werden von der Politik, von der etablierten, und das ist ein Zustand, der uns Sorgen machen muss.
May: Auch von der SPD?
Esken: Ja, auch von der SPD.
May: Was tun?
Esken: Wie gesagt, wir müssen uns mehr mit deren Welten, mit deren Zukunft beschäftigen. Ich habe junge Leute zu Hause, ich habe jede Woche junge Leute im Bundestag, die mich besuchen kommen, und die stellen ganz andere Fragen als die Senioren. Das ist doch selbstverständlich, und damit müssen wir uns beschäftigen. Wir haben kurz vor der Europawahl einen wirklichen Weckruf von Rezo geschickt bekommen. Der hat sich an alle etablierten Parteien gerichtet, nicht nur, wie der Titel vermuten ließ, an die CDU. Damit haben wir uns zu beschäftigen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.