In seiner Rede hatte Schulz die Partei auf den Wahlkampf eingeschworen. Konkrete Inhalte des Programms für die Bundestagswahl wolle er erst im Sommer präsentieren, sagte Schulz. Dennoch klang seine Rede bereits wie eine Mischung aus Wahlkampfaufruf und Regierungserklärung.
Er forderte seine Partei dazu auf, für mehr Gerechtigkeit in Deutschland zu kämpfen: Wenn die Sozialdemokraten nicht dafür sorgten, werde das niemand anderes machen. Jeder einzelne Mensch müsse Respekt bekommen. Dazu gehöre auch gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Die SPD wolle das zusammen mit den Gewerkschaften durchsetzen.
Schulz forderte außerdem mehr Einstehen für Freiheit und Demokratie. Die SPD werde Islamisten wie Populisten entschieden bekämpfen. Wer Werte wie die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in Frage stelle, habe in diesem Land keinen Platz. Die AfD sei "eine Schande für die Bundesrepublik". Auch von der Juso-Vorsitzenden Johanna Uekermann bekam er Lob für seine Rede.
Zwiespältige Reaktionen
Die Reaktionen der anderen Parteien auf den Führungswechsel in der SPD fielen unterschiedlich aus. CDU-Generalsekretär Peter Tauber hielt Schulz vor, sich nicht zu Inhalten zu äußern. "Kandidat Schulz bleibt inhaltlich wie immer unkonkret", sagte Tauber. Die SPD arbeite sich noch immer an der Vergangenheit ab und hadere mit der erfolgreichen Agenda 2010. Auf ihrem Twitter-Kanal zur Bundestagswahlkampagne wies die CDU die SPD darauf hin, dass sie die Politik der letzten Jahre mitbestimmt habe.
Die FDP kritisierte die ablehnende Haltung des neuen SPD-Chefs zu Steuersenkungen. Parteichef Christian Lindner meinte, die Mittelschicht habe von Herrn Schulz "nichts zu erwarten außer der alten, linken Leier."
Die Grünen-Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir reagierten dagegen wohlwollend auf Schulz' Wahl zum Parteichef. Sie erklärten: "Wir freuen uns sehr, gemeinsam mit Dir für ein weltoffenes und solidarisches Deutschland in einem vereinten Europa einzustehen." Linksfraktionschef Dietmar Bartsch forderte Schulz dazu auf, einer weiteren großen Koalition unter Merkel eine Absage zu erteilen. Er sagte der "Rheinischen Post" aus Düsseldorf: Schulz müsse klar sagen, "dass er nicht in ein Kabinett Merkel geht."
Gabriel kämpft mit den Tränen
Vor der Wahl von Schulz war der bisherige SPD-Chef Gabriel mit langem Applaus von den Delegierten verabschiedet worden. Gabriel war sichtlich gerührt. Er empfinde keine Melancholie, sagte Gabriel. Im Gegenteil dürfte es der fröhlichste und optimistischste Übergang zu einem neuen Parteivorsitzenden sein, den die SPD in den vergangenen Jahrzehnten erlebt habe. Der Aufbruch habe einen Namen: Martin Schulz.
Gabriel hatte Ende Januar bekanntgegeben, dass er zugunsten von Schulz auf Vorsitz und Kanzlerkandidatur verzichten wolle. Seitdem haben sich die Umfragewerte für die Sozialdemokraten deutlich verbessert. Gabriel erklärte, Schulz verkörpere mit seinem Leben all das, was für die Sozialdemokratie stehe. Er habe einen klugen und kühlen Kopf für Entscheidungen und ein großes und heißes Herz.
Zum Auftakt des Sonderparteitags hatte die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin und SPD-Vize Hannelore Kraft den scheidenden Parteichef gelobt: Gabriel habe die Partei "wieder aufgerichtet" und ihr den Weg gezeigt. Den Blick zu Gabriel gewandt, sagte Kraft: "Du kannst stolz auf dich sein."
Gabriel war siebeneinhalb Jahre lang SPD-Vorsitzender. Zum Abschied bekam er ein Geschenk: ein gezeichnetes Porträt des Gründungsvaters der Sozialdemokratie in Deutschland, August Bebel (1840-1913). Sei Nachfolger Schulz sagte, das Bild solle ihn immer daran erinnern, dass er "einer der ganz Großen in der Tradition der Vorsitzenden der SPD" war.
(mw/fwa)