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SPD-Politiker Lies zum VW-Gesetz
"Volkswagen nicht zum Spielball von Wahlkämpfen machen"

Der niedersächsische Verkehrsminister Olaf Lies hat davor gewarnt, die Debatte um die VW-Affäre für den Wahlkampf zu missbrauchen. In dieser Hinsicht müsse man auch an erfahrene Bundespolitiker appellieren, sagte Lies im Dlf. Es sei richtig, dass Niedersachsen die Anteile an VW halte.

Olaf Lies im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Olaf Lies bei einer Rede
    Olaf Lies: "Es ist richtig, dass wir das Volkswagen-Gesetz haben." (imago / Henning Schaffen)
    Christiane Kaess: Die oppositionelle CDU in Niedersachsen, die macht sich jetzt an das, was von vielen als das Grundübel in der Diskussion um VW gilt: Landesparteichef und Spitzenkandidat Bernd Althusmann, der will Volkswagen aus der, so wörtlich: Umklammerung durch die Politik befreien. Sollte die CDU nach den Neuwahlen in Niedersachsen regieren, dann verspricht Althusmann, eines der zwei Mandate Niedersachsens im Aufsichtsrat dürfe nicht mehr mit einem Politiker besetzt werden, sondern mit einem unabhängigen Experten. Der Ministerpräsident soll aber weiterhin im Aufsichtsrat sitzen, und im Moment hat dort neben Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil auch der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies von der SPD seinen Platz, und der ist jetzt am Telefon. Guten Morgen!
    Olaf Lies: Guten Morgen, Frau Kaess!
    Kaess: Herr Lies, würden Sie gerne Ihren Platz im VW-Aufsichtsrat gegen einen unabhängigen Experten eintauschen?
    Lies: Es geht natürlich nicht um mich dabei. Es geht um die Frage, wie das Land mit seiner Verantwortung umgeht, 20 Prozent der Anteile bei Volkswagen zu halten, wie man mit dem VW-Gesetz umgeht dabei, und da kann ich nur sagen, es hat sich über Jahrzehnte bewährt, dass sowohl der Ministerpräsident und in der Regel auch der Wirtschaftsminister Teil des Aufsichtsrates sind, und ich plädiere sehr dafür, das auch so zu lassen. Ich plädiere vor allen Dingen dafür, jetzt in der Phase eines Wahlkampfs keine überhitzte Debatte über etwas zu führen, was sich über Jahrzehnte hervorragend bewährt hat.
    Definitiv kein Bittsteller
    Kaess: Herr Lies, das ist ja die Frage, ob es sich tatsächlich bewährt hat. Die Begründung von Herrn Althusmann ist, das Land muss auf Augenhöhe mit Volkswagen sprechen können und nicht als Bittsteller daherkommen. Waren Sie in den letzten Jahren Bittsteller?
    Lies: Nein, definitiv nicht. Ich glaube, auch das ist der Tatsache geschuldet, dass wir im Wahlkampf sind, denn dann würde Herr Althusmann Herrn Wulff, Herrn McAllister, Herrn Bode, würde sie alle als Bittsteller bezeichnen, und ich glaube, das wird weder denen gerecht, die vor uns im Aufsichtsrat waren noch uns, sondern genau das Gegenteil ist der Fall, dass wir alle schon seit Jahrzehnten sehr verantwortungsvoll unsere Aufgabe wahrnehmen und zwar auf Augenhöhe mit intensiver Arbeit und Vorbereitung, und in den letzten beiden Jahren natürlich in einer ganz besonderen Form, weil das, was wir erlebt haben mit diesem Diesel-Skandal und der Aufarbeitung, erfordert natürlich auch von uns, den Mitgliedern im Aufsichtsrat, einen besonderen Einsatz.
    Kaess: Aber Herr Lies, genau da hat es ja nicht funktioniert. Ist denn diese Konstellation einfach generell eine Konstellation, die nicht funktionieren kann, also die Kontrolle des Konzerns im Aufsichtsrat und gleichzeitig als Politiker um das Unternehmen, das ja der größte Arbeitgeber im Land ist, bemüht zu sein?
    Lies: Genau das Gegenteil ist der Fall. Es hat funktioniert, denn dieser Diesel-Skandal, wie er entstanden ist, der ist übrigens 2007, 2008 entstanden, der konnte nicht im Aufsichtsrat entdeckt werden. Als aber im September 2015 das ans Licht gekommen ist, da waren es vor allen Dingen auch die Vertreter des Landes, die immer wieder drauf gedrängt haben, bis ins Letzte die Aufklärungsarbeit voranzubringen.
    Aufklärungsarbeit bis ins letzte Detail
    Kaess: Und das haben Sie nicht erreicht, Herr Lies.
    Lies: Und das erreichen wir, genau das erreichen wir, bis ins letzte Detail. In einer Vielzahl von Sitzungen – ich bin selber Mitglied im Sonderausschuss – klären wir auf. Das Problem an der Sache ist, dass sich natürlich – und da habe ich auch als Mensch volles Verständnis für – die Öffentlichkeit wünscht, dann zeigt uns doch bitte das, was ihr aufgeklärt habt, und da liegt genau die Schwierigkeit, dass das entweder nach Aktienrecht oder in der Vereinbarung mit den amerikanischen Justizbehörden nicht geht. Das ändert nichts daran, dass wir voller Verantwortung, konsequent, bis ins letzte Detail diese Aufklärung machen und ehrlicherweise uns damit wahrscheinlich zum Teil bei Volkswagen unbeliebter machen als beim politischen Wettbewerber.
    Kaess: Herr Lies, die Regierung will in Niedersachsen, dass VW Fehler zugibt und die Verantwortlichen benennt. Das will sie seit sehr langer Zeit. Das ist bis heute nicht passiert.
    Lies: Das ist sehr intensiv sogar passiert, nur muss man allerdings sagen, dass parallel staatsanwaltschaftliche Ermittlungen laufen, parallel die Untersuchungen der Justizbehörden laufen und wir alles dafür tun, dass diese Aufklärung auch nicht abgebrochen wird, denn parallel dazu haben wir selber Dritte beauftragt, die im Unternehmen ermitteln, lassen uns die Ergebnisse vorstellen und werden den Finger so lange in die Wunde legen, bis ins letzte Detail, bis zum obersten erkennbaren Verantwortlichen, diese Frage geklärt ist und auch diese Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Das ist genau die Aufgabe, die wir haben. Das ist auch genau die Aufgabe, die wir wahrnehmen, aber wir machen sie im Aufsichtsrat, und wir machen sie nicht in öffentlichen Sitzungen.
    "Was gemacht worden ist, ist ein riesiger Skandal"
    Kaess: Sie haben gesagt, das ist schon passiert. Wo hat denn VW bisher Fehler zugegeben und die Verantwortlichen benannt?
    Lies: Fehler zugegeben – darüber, glaube ich, müssen wir gar nicht diskutieren. Das, was da gemacht worden ist, ist ein riesiger Skandal.
    Kaess: Es geht ja darum, dass VW dazu steht.
    Lies: Das VW dazu steht, erkennen wir daran, dass VW natürlich auch richtigerweise, notwendigerweise genau diese Maßnahmen ergreift, um diesen Fehler zurückzubauen. Also dass dort softwaremäßig Manipulation erfolgt ist und diese zurückgeführt wird, dieses Fehlereingeständnis ist da. Wir sehen an der Einigung, die man mit den amerikanischen Justizbehörden gefunden hat, genau diesen Schritt. Also diese Frage gesteht Volkswagen …
    Kaess: Und die Namen aller Verantwortlichen, die kennen Sie.
    Lies: Und die Namen aller Verantwortlichen, die entweder öffentlich schon bekannt sind oder die Ermittlungen, die noch laufen, soweit sie intern laufen – nicht bei der Staatsanwaltschaft, die kenne ich natürlich nicht –, natürlich kenne ich die, und diese Aufgabe ist eine Aufgabe, die machen wir nicht einmal im Monat, in dem wir uns um das Thema kümmern, die machen wir verantwortungsvoll, und diese Verantwortung beim Land sorgt, aus meiner festen Überzeugung, für eine größere Aufklärung als zu glauben, besser wäre doch, die Politik, die weiß, was es bedeutet, in der Öffentlichkeit zu stehen, die Politik hält sich da raus. Das wäre der falsche Weg, und ich glaube, das sind zum Teil auch Kurzschlussreaktionen in Wahlkämpfen. Mit denen muss man wahrscheinlich leben …
    "Es geht um eine Viertelmillion Beschäftigte"
    Kaess: Herr Lies, dennoch, glaube ich, ist die Wahrnehmung von außen bei den meisten Menschen doch so, dass diese Struktur, die es ja sehr lange schon gibt, sich eben nicht bewährt hat. Jetzt gibt es verschiedene Forderungen. Wir haben es gerade schon gehört: Der Linken-Spitzenkandidat Dietmar Bartsch, der fordert, dass der Anteil des Landes Niedersachsens an Volkswagen an die Belegschaft übertragen wird, und FDP-Chef Lindner, der spricht sich auch für eine komplette Privatisierung von VW aus. Wenn Sie jetzt sagen, wir wollen keine Veränderungen an dieser Struktur, wie wollen Sie damit eigentlich die Wähler überzeugen?
    Lies: Erst mal, glaube ich, muss man ein bisschen aufpassen, dass man Volkswagen nicht zum Spielball von Wahlkämpfen macht. Hier geht es allein in Niedersachsen um eine Viertelmillion Beschäftigte, die direkt in der Automobilindustrie – und die ist im Kern in Niedersachsen von Volkswagen abhängig – beschäftigt wird, inklusiv zusätzlich noch der Familien. Also ein bisschen, finde ich, darf man auch an gerade erfahrene Bundespolitiker appellieren, jetzt das nicht zum Spielball zu machen. Ich bleibe bei meiner festen Überzeugung: Es ist richtig, dass Volkswagen, dass Niedersachsen die Anteile hält. Es ist richtig, dass wir das Volkswagen-Gesetz haben, und es bleibt richtig, dass zwei Vertreter der Landesregierung, wie seit Jahrzehnten, im Aufsichtsrat sitzen.
    Kaess: Und weil VW so wichtig ist, wie Sie es jetzt gerade geschildert haben, war es auch notwendig, dass die Regierungserklärung von Stephan Weil von dem Konzern gegengelesen wird. Sie haben das ja immer mit juristischen Gründen begründet. Sie haben doch eigene Juristen. Warum haben Sie eigentlich kein Vertrauen in die eigenen Leute?
    Lies: Auch das will ich noch mal sagen: Ich habe Verständnis dafür. Wir sind im Wahlkampf, und da wird man sicherlich – wir haben es ja gerade im Vorbericht gehört –, ganz zufällig nach dem Austritt der Grünen-Abgeordneten aus der Grünen-Fraktion kommt ein Thema, bei dem ich selber als Minister im Ausschuss schon berichtet habe, und Sie konnten ja öffentlich nachlesen, wie die Reaktionen der Opposition darauf waren. Also diesen Punkt – das will ich auch mal offen sagen –, da verstehe ich diese Form der Skandalisierung nicht. Dass man in einer ganz schwierigen Phase – wir reden von der heißesten Phase und der Aufklärungsarbeit der amerikanischen Justizbehörden – sehr sorgfältig mit zwei Dingen umgeht: Mit der öffentlichen Kritik an Volkswagen, die wir weiterhin uneingeschränkt aufrechtgehalten haben und mit der Frage von Formulierungen, die aus Sicht von amerikanischen Justizbehörden möglicherweise als Eingeständnisse gesehen werden könnten, weil dort spricht nicht der Ministerpräsident, dort spricht nicht nur der Minister, dort spricht auch der Aufsichtsrat. Diese Aufgabe …
    Abmilderung - "Dazu stehe ich"
    Kaess: Aber Herr Lies, wie glaubwürdig ist das denn noch, wenn Sie auf der einen Seite da nicht auf die eigenen Juristen vertrauen wollen und es ja mittlerweile klar ist, denn wir kennen diese Auszüge, dass es auch teilweise gar nicht um juristische Korrekturen ging, sondern einfach um Abmilderungen.
    Lies: Dass Volkswagen den Versuch unternimmt einer Abmilderung …
    Kaess: Und damit auch durchgekommen ist, zumindest in einem Beispiel.
    Lies: Ja, wobei man wirklich auch über die Frage der Formulierung insofern sprechen muss, wie wird sie wahrgenommen. Das ist eine – ich will das noch mal sagen – schwierige …
    Kaess: Das ist eine Abmilderung, so wird es wahrgenommen.
    Lies: Ja, und trotzdem stehe ich dazu, und zwar völlig, denn es geht um eine Verantwortung, die man wahrnimmt, und die nimmt man nicht wahr, indem man sich populistisch nach außen stellt, sondern die nimmt man als Aufsichtsrat und Minister und Ministerpräsident wahr, indem man sich um die Interessen eines Unternehmens und der vielen Beschäftigten kümmert, und deswegen macht es Sinn zu sagen, gibt es dort Punkte, bei denen wir angesichts dieser gerade anlaufenden Verhandlungen mit den Justizbehörden – man muss sich mal vorstellen, es hätte nicht diese Lösung gegeben, die jetzt schon Milliarden gekostet hat –, da ist es sinnvoll, genau diesen Weg sorgfältig zu gehen und dann aber zu entscheiden, wie man damit umgehen. Das jetzt zu skandalisieren, das würde in Zeiten außerhalb von Wahlkampf nicht stattfinden, und ich finde, das sollten sich auch alle, die das gerade öffentlich diskutieren, auch überlegen.
    Kaess: Sagt der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies von der SPD. Danke für Ihre Zeit heute Morgen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.