Archiv


SPD-Politiker: Ökostrom ist nicht der einzige Preistreiber

Hätte es die Energiewende nicht gegeben, dann müsste die Stromindustrie nun ihre Kraftwerke kostspielig überholen, sagt der SPD-Umweltpolitiker Michael Müller. Es sei falsch, die Photovoltaik für die steigenden Strompreise verantwortlich zu machen. Sie trage sich faktisch selbst. Kosten verursache vielmehr der verschleppte Ausbau der Strominfrastruktur.

Michael Müller im Gespräch mit Jürgen Zurheide |
    Jürgen Zurheide: Wir wollen uns noch mal um die Energiewende kümmern. Sie ist Realität, und die Mehrheit der Bevölkerung hat sie zumindest befürwortet. Inzwischen könnte man fragen, ob es vielleicht anders aussieht, weil der ein oder andere den Eindruck und das Gefühl hat, jetzt wird uns die Rechnung präsentiert, weil die Preise zum Beispiel für den Strom steigen. Also, wie sieht es denn aus mit der Energiewende, wird da irgendwas möglicherweise falsch gemacht, muss es so teuer werden, oder gibt es da Fehler oder gehört das mit den höheren Preisen vielleicht sogar dazu? Darüber wollen wir reden mit Michael Müller, dem früheren Umweltstaatssekretär, sozialdemokratischen Umweltpolitiker, der jetzt am Telefon ist. Guten Morgen, Herr Müller!

    Michael Müller: Guten Morgen!

    Zurheide: Herr Müller, jetzt, wo die Preise steigen, zum Beispiel die Strompreise, sagt die CSU, ja, wir könnten ja die Umlage für den Ökostrom auf 4,5 Cent begrenzen, die FDP will die Steuern auf den Strom senken – ist das richtig?

    Müller: Es ist deshalb falsch, weil so getan wird, als sei der Preistreiber nur der Ökostrom. Tatsächlich sind wir ganz unabhängig vom Erneuerbare-Energien-Gesetz in einer Umbruchphase. Beispielsweise 30 Prozent des Kraftwerksparks hätte erneuert werden müssen, das hätte auch Geld gekostet, es wären aber gestrandete Investitionen gewesen, weil zukunftsfähig wäre das nicht. Insofern geht es schon darum, zu gucken, wie man einen solchen Umbau möglichst günstig, gerecht und trotzdem innovativ organisiert.

    Zurheide: Da wollen wir dann mal drüber reden und fragen: Zum Beispiel gibt es ja immer wieder Hinweise auch von grüner Seite, dass die Ausnahmen für die Industrie Preistreiber seien. Wenn man sich die Zahlen anguckt, sind es, glaube ich, 0,6 Cent, viel mehr ist es nicht. Das ist zwar was, aber ist die Industrie, die nicht zahlt, ist das ein Preistreiber oder ist das eher ein Randaspekt?

    Müller: Das ist auch ein Preistreiber, aber der entscheidende Punkt ist, Photovoltaik liegt in der Zwischenzeit – Photovoltaik wird in der Regel gleichgesetzt mit dem Preistreiber – liegt in der Zwischenzeit bei etwa 18,5 Cent, liegt also unter den normalen Kosten für Haushaltsstrom, trägt sich faktisch selbst. Wir haben ganz andere Probleme, die liegen vor allem in dem mangelnden Ausbau der Infrastruktur, dass wir also viel zu wenig Speicher haben, viel zu wenig Regelsysteme, Lastverteilung und so weiter. Hier wurde insbesondere geschlampt. Ich glaube, dass beispielsweise Photovoltaik der erste sich selbst tragende Ökoanbieter ist, insofern ist die Diskussion auch hochgradig verlogen. Man nutzt Vorurteile aus, um sozusagen von den eigenen Fehlern und Versäumnissen abzulenken.

    Zurheide: Da will ich jetzt nachhaken, gerade weil Sie den Fotovoltaik ansprechen, den Sonnenstrom. Da sagen ja viele, das sei völliger Unsinn, das in Deutschland zu machen, wenn überhaupt könnte man das in Südeuropa machen und dann wieder transportieren. Halten Sie diese Argumentation für falsch und wenn ja, warum?

    Müller: Die ist auch falsch. Also ich hab beispielsweise – und das kann ja jeder nachvollziehen – mehrfach die Solarparks, das ist jetzt Solarthermie, aber in einer vergleichbaren Richtung, in Südspanien angeguckt. Als die Technologie erfolgreich wurde, hat man versucht, die Deutschen rauszudrängen, weil man weiß, es ist eine interessante Zukunftstechnologie. Man hat in Deutschland bewusst den Weg gewählt, in die Breite zu gehen, und ich halte das auch technologisch für richtig. Wo immer Sie in der Welt sind, werden Sie nicht nur gefragt nach dem Atomausstieg, sondern in erster Linie, wie die Deutschen das machen mit den erneuerbaren Energien. Man muss wissen, das ist die Zukunftstechnologie, und wer dort führend ist, wird gewinnen. Wer dort nicht die Breite schafft, wird keine entscheidende Rolle spielen.

    Zurheide: Das heißt aber, Sie sagen, nicht ein Energieträger in diesem Bereich der Regenerativen, sondern der Mix aus vielen. Da kommt die FDP dann und sagt, ja, dann lasst den Markt doch entscheiden, indem wir keine Quoten vorschreiben, sondern indem wir den Unternehmen nur vorschreiben, ihr müsst eine bestimmte Quote regenerativ anbieten, und dann kauft ihr das dazu, wo ihr es am günstigsten bekommt. Ist das interessant, hört sich marktwirtschaftlich und gut an?

    Müller: Das Modell wurde auch in anderen Ländern schon erprobt, und dort geht man wieder davon runter, weil es am Ende dann monopolhafte Strukturen geschaffen hat und die Entwicklung unheimlich verteuert hat. Nein, Deutschland hat ganz bewusst auf die Breite gesetzt, um innovativ zu sein, und ich halte das auch für richtig. Erneuerbare Energien sind eben nicht nur eine Technologie, sondern sind die Breite, und das Interessante ist, wenn man diese Breite anbietet, dann wird man auch System- und Marktführer. Man wird die nicht nur mit einer Technologie, dann geht der Wettbewerb um das Billigste los, und da weiß ich nicht, ob wir da – also der billigsten Technologie los –, und da weiß ich nicht, ob wir da mithalten können. Dann werden wir Ähnliches erleben, wie wir zum Teil bei der Photovoltaik mit China erlebt haben.

    Zurheide: Jetzt haben Sie vorhin angesprochen, was fehlt, ist – ich sag das mit meinen Worten – eine Art Masterplan, wo zum Beispiel die Leitungen gelegt werden. Erstens die Frage: Brauchen wir wirklich so viele Leitungen, wie die Energieagenturen zum Teil vorrechnen, oder ist es nicht eigentlich, indem man dann alte Fehler wiederholt, indem man zum Beispiel große Windparks auf See macht und den Strom dann nach Süddeutschland transportieren muss, ist das eigentlich richtig?

    Müller: Also beispielsweise der Herr Homann von der Netzagentur, der früher immer zu den Hauptbremsern gehört hat, oder Herr Kohler, von der Dena, von der Deutschen Energie-Agentur, die verbreiten nur Horrorzahlen. Man hat den Eindruck, die sind bezahlt dafür, die Energiewende, die übrigens schon seit 1981 diskutiert wird und nicht erst seit kurzer Zeit – da zeigen sich, welche Versäumnisse da waren –, man hat den Eindruck, die sind nur dafür da, die Energiewende schlechtzureden, um sie zu verhindern. Keiner kann heute sagen, wie viel neue Netze wir beispielsweise brauchen. Das kommt ganz drauf an, ob wir eher dezentrale Strukturen suchen …

    Zurheide: Wofür plädieren Sie, eher dezentral oder …

    Müller: Natürlich, und je Verbraucher. Je verbrauchernäher wir sind, desto effizienter wird das Ganze. Im Übrigen müssen wir auch bei den Netzen sehen, wir haben jahrelang viel zu wenig in die Netze investiert, und jetzt kommt da ein erheblicher Investitionsbedarf auf uns zu, zumal die Diskussion ja ist, ob wir die alten Wechselstrom- oder ob wir Gleichstromnetze machen. Gleichstromnetze beispielsweise sind viel effizienter, haben eine viel höhere Leistungskraft. Und es ist auf jeden Fall sinnvoll, in diese sogenannten HGÜ-Netze zu investieren, ganz egal, ob wir Energiewende machen oder nicht.

    Zurheide: Wer soll das machen? Letzte Frage mit der Bitte um eine kurze Antwort.

    Müller: Na, das wird natürlich umgelegt, aber ich meine, man hat beispielsweise die Netze für die Atomenergie unglaublich ausgebaut, dann sollte uns ein vergleichsweise geringer Anteil bei den Erneuerbaren das wert sein.

    Zurheide: Das war Michael Müller, der Umweltpolitiker der SPD, zu möglichen Versäumnissen bei der Energiewende. Herr Müller, ich bedanke mich für das Gespräch!

    Müller: Bitte, bitte!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.