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SPD-Politiker Robbe und der iranische Geheimdienst
"Man trachtete mir nach meinem Leben"

Der ehemalige Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Reinhold Robbe (SPD) ist empört über das Ausmaß der Agententätigkeit des iranischen Geheimdienstes. Diese hätte "eine neue Qualität", sagte er im Dlf. Es gehe um Aktivitäten nicht nur gegen Objekte, "sondern gegen Menschen" - und das "in ganz Westeuropa".

Reinhold Robbe im Gespräch mit Dirk Müller |
    Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Reinhold Robbe (SPD) präsentiert am Dienstag (16.03.2010) in der Bundespressekonferenz in Berlin seinen Bericht für das Jahr 2009. Es ist der letzte Bericht des SPD- Politikers als Wehrbeauftragter. Seine fünfjährige Amtszeit läuft im Mai 2010 aus.
    SPD-Politiker Reinhold Robbe war Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (Rainer Jensen dpa/lbn)
    Der iranische Geheimdienst und die Rolle in Deutschland – Reinhold Robbe – wir haben es eben auch gehört – war Wehrbeauftragter des Bundestages, zudem viele Jahre lang Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft. Mit großer Wahrscheinlichkeit wegen dieser Funktion ist der SPD-Politiker über ein Jahr lang von ausländischen Geheimagenten auf Schritt und Tritt beobachtet worden, verfolgt worden, hier mitten in Deutschland. Reinhold Robbe hatte davon nichts bemerkt. Erst beim Prozess gegen einen Pakistani, der im Auftrag des iranischen Geheimdienstes gehandelt hat, kam dann das volle Ausmaß der Überwachung und der Beschattung zu Tage. Reinhold Robbe ist jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen!
    Reinhold Robbe: Guten Morgen, Herr Müller. Ich grüße Sie.
    Müller: Herr Robbe, ist hier niemand mehr sicher?
    Robbe: Auf diese verkürzte Formel würde ich das nicht bringen. Wenngleich es in der Tat so ist, dass die Aktivitäten des iranischen Geheimdienstes und der unterschiedlichen iranischen Institutionen auch in Deutschland bei uns so aktiv sind, dass man sagen kann, die Aktivitäten gehören mit zur Spitze dessen, was ausländische Staaten hier an Spionage und an Agententätigkeit treiben.
    "Man trachtete mir nach Gesundheit und Leben"
    Müller: Und um das jetzt nicht auf die Spitze zu treiben, aber vielleicht doch auf eine Formel zu bringen, denn das war häufig jetzt auch bei den Recherchen im Netz zu lesen: Mordaufträge soll es auch gegeben haben oder sollen möglicherweise in Auftrag gegeben werden. Ist das das, was Sie meinen mit dieser Spitze?
    Robbe: Nun, auch Ihre Zuhörer wissen, dass es sehr unterschiedliche Formen von Spionagetätigkeiten gibt. Wir dürfen nicht verkennen: Beim Iran handelt es sich um eine der schlimmsten Diktaturen weltweit. Wir haben es hier nicht mit Rechtsstaatlichkeit zu tun. Wir haben es hier nicht mit Dingen zu tun, die es zum Beispiel gegeben hat auch mit den Vereinigten Staaten, die ja auch dann irgendwann zugeben mussten, dass sie hier bei uns in Deutschland aktiv waren und sogar die Telefone von Abgeordneten abgehört haben. Das hat eine andere Qualität als das, was wir jetzt im Moment diskutieren und was wahrscheinlich auch Hintergrund der gestrigen Razzia gewesen ist, nämlich das Offenlegen von Tätigkeiten, die sich nicht nur gegen Sachen und nicht nur gegen Objekte richten, sondern gegen Menschen. Das ist die besondere Qualität und das spielte ja auch in meinem Fall eine gravierende Rolle. Das heißt, ich war der erste, die erste Person praktisch mit einem politischen Hintergrund, die ausgespäht wurde mit dem Hintergrund, dass man mir nach meiner Gesundheit und nach meinem Leben trachtete. Das ist wie gesagt, wenn man so will, auch eine neue Qualität.
    Müller: Ich hatte vorhin gesagt, Sie haben das nicht bemerkt. So habe ich das jedenfalls gelesen. Warum können Sie sicher sein, dass es auch um Ihr Leben ging?
    Robbe: Ich kann nicht sicher sein. Ich kann überhaupt nicht sicher sein. Auch die Experten der verschiedenen Landes- und Bundesbehörden sagen zwar, dass es keine akute Gefahr nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen und nach dem derzeitigen Stand der Einschätzungen gibt. Aber ich kann nicht sicher sein. Ich kann genauso wenig sicher sein wie andere politische Akteure, wie andere Menschen bei uns im Lande, die sich beispielsweise um eine gute Kooperation mit Israel kümmern, oder die sich um das jüdische Leben in Deutschland kümmern. Niemand kann sicher sein vor den Quds-Institutionen des Iran, die bekanntlich direkt den Ayatollahs unterstellt sind und die zum Teil losgelöst auch von der offiziellen iranischen Regierung hier in Deutschland ihr Unwesen treiben.
    Müller: Das hatte ich Sie ja eben gefragt, Herr Robbe. Ist niemand hier sicher? Gut, das ist etwas zu pauschal gewesen, haben Sie auch gesagt. Aber im Grunde kann dieser Personenkreis, die Betroffenen – Sie haben das gerade auch noch einmal definiert -, die in irgendeiner Form in der Nahost-Politik mitmischen, die vor allem mit Blick auf Israel engagiert sind - können in diesen Zielfokus der iranischen Geheimdienstler kommen.
    Robbe: Auf jeden Fall! Sie können nicht nur; ich bin fest überzeugt davon, sie sind es. Es ist nur die Frage, wie die "Qualität" dieser Agententätigkeit aussieht. In meinem Fall war es so, dass man Studenten angeheuert hatte, die zum Teil auch dilettantisch vorgegangen sind – zu meinem Vorteil. Aber ich kann nur sagen, Gott sei Dank, weil durch bestimmte Fehler, die gemacht wurden, die Ermittlungsbehörden und insbesondere Verfassungsschutz und auch ausländische Dienste in der Lage waren, dann dieser Agenten habhaft zu werden und sie dann zu verhaften. Ich mag überhaupt nicht mir selber ausdenken und zu Ende denken, was passiert wäre, wenn diese vielen Erkenntnisse – das waren immerhin Dokumente mit einem Umfang von, wenn man sie auf DIN-A4-Seiten umrechnet hätte, etwa 10.000 DIN-A4-Seiten, nur um mal die Dimension dessen klarzumachen, um was es sich hier handelt. Die Agenten waren zum Teil dilettantisch in ihrer Vorgehensweise. Wenn sie nicht entdeckt worden wären, mag ich mir nicht ausdenken, was dann am Ende als Ergebnis, sage ich jetzt mal, gestanden hätte.
    "Bundesregierung nicht bereit, derartige Aktivitäten einfach hinzunehmen"
    Müller: Aber dennoch haben Sie es ja nicht bemerkt.
    Robbe: Ich habe es nicht bemerkt, ganz genau.
    Müller: So dilettantisch war es dann doch nicht, dass es aufgefallen wäre, zumindest Ihnen nicht.
    Robbe: So kann man das auch interpretieren, genau.
    Müller: Ich muss Sie das auch fragen, wenn wir Sie hier am Telefon haben. Sie haben auch schon mal darüber gesprochen in einem Interview. Wenn Sie jetzt durch Berlin gehen, egal durch irgendeine große Stadt, wo auch immer Sie sind, glauben Sie, gehen Sie davon aus, dass immer noch jemand im Nacken hängt, oder haben Sie das Gefühl, dass jemand im Nacken hängt?
    Robbe: Nein, das Gefühl habe ich nicht, erstens. Und zweitens: Wer mich kennt weiß, dass ich auch kein besonders ängstlicher Typ bin. Aber ich will auch sagen: Natürlich hat mich die ganze Geschichte emotional durchaus berührt und mitgenommen. Ich mache das immer an dem einfachen Beispiel fest, dass ich jetzt regelmäßig abends schaue, ob die Wohnungstür auch wirklich abgeschlossen ist. Auch in größeren Menschenansammlungen drehe ich mich schon hin und wieder um, aus dem ganz schlichten Grunde, weil ich wie gesagt ein Jahr lang nicht bemerkt habe, dass ich beschattet wurde. Das ist, glaube ich, auch eine ganz natürliche menschliche Reaktion.
    Müller: Sie haben auch damals politische Konsequenzen in irgendeiner Form von der Bundesregierung verlangt. Neulich war der iranische Außenminister auch zu Gast in Brüssel. Sigmar Gabriel saß dann auch mit am Tisch. Hat sich die Politik, zumindest die interne Politik aufgrund dieses Vorgangs in irgendeiner Form verändert?
    Robbe: Ich denke schon. Insofern nämlich, als auch dem iranischen Botschafter hier in Deutschland mit sehr deutlichen Worten und auch mit der Überreichung einer Verbalnote klargemacht worden ist, dass die Bundesregierung nicht bereit ist, derartige Aktivitäten einfach so hinzunehmen und sie als etwas Reguläres oder Normales zu betrachten. Das ist das eine.
    Das andere ist, dass auch durch die erneute Razzia die gestern stattgefunden hat – und Sie werden sehen, dass in den nächsten Tagen und Wochen die Ergebnisse der Untersuchung dieser Razzia auch dazu führen, dass es wahrscheinlich Verhaftungen geben wird und dass es weitere Konsequenzen geben wird -, all das führt dazu, dass nicht nur das Außenministerium und nicht nur der Außenminister, sondern insbesondere auch die für die innere Sicherheit in Deutschland Tätigen zu der Erkenntnis kommen, dass hier noch mehr gemacht werden muss, um diese Gefahren abzuwehren. Und das ist auch kein Geheimnis: Unsere Dienste, unsere Sicherheitsinstitutionen sind bis zum heutigen Tage nicht ausreichend ausgestattet, sowohl was sachliche Ausstattung angeht wie auch personell. Viele Stellen sind unterbesetzt. Wir müssen den Status erreichen, gerade was den Verfassungsschutz angeht, was aber auch den Bundesnachrichtendienst angeht, um hier all die Dinge tun zu können, die wirklich notwendig sind. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Das weiß auch jeder. Aber es muss optimal gearbeitet werden können und dafür müssen auch die finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Das andere ist natürlich die politische Dimension, das heißt zum Beispiel auch die Frage, wie die Europäische Union auf diese ganzen Vorgänge reagiert. Nach meiner Auffassung …
    "Diktatur im Iran kann positiv nur beeinflusst werden über wirtschaftlichen Druck"
    Müller: Bis jetzt so gut wie gar nicht.
    Robbe: So ist es, ganz genau. Es gibt keine abgestimmte Haltung. Die verschiedenen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verhalten sich ganz unterschiedlich. Wenn man sich die Wirtschaftsbilanz des Iran anschaut, dann kann man nur feststellen, dass die Wirtschaft boomt. Alleine in den letzten Jahren hat es ständig enorme Steigerungen gegeben, von 2015 auf 2016 25 Prozent. Die Zahlen vom letzten Jahr liegen noch nicht vor. Das passt alles irgendwie nicht zusammen. Das heißt, der Iran, die Diktatur im Iran kann nur beeinflusst werden, positiv beeinflusst werden über wirtschaftlichen Druck. Das spüren sie und da reagieren sie. Das zeigt letzten Endes auch die Geschichte mit dem Atomabkommen, dass man wegen des wirtschaftlichen Drucks dann diesem Atomabkommen zugestimmt hat. Nur dadurch kann etwas verändert werden.
    Müller: Herr Robbe, ich muss Sie kurz noch was fragen; wir müssen ein bisschen auf die Zeit schauen.
    Robbe: Gerne.
    Müller: Wir haben über Deutschland gesprochen. Für Sie aber auch und für die Experten ausgemachte Sache: Dieses Phänomen iranischer Geheimdienst, der möglichst beziehungsweise wahrscheinlich auch, wenn es darauf ankommt, mit finaler Konsequenz, wenn wir das so formulieren wollen, durchaus auch mit Tötungsabsichten, Mordabsichten und so weiter hier agiert, das ist in ganz Westeuropa der Fall?
    Robbe: Das ist in ganz Westeuropa der Fall. Wir verlieren in Mitteleuropa ja sehr leicht den Blick für die Situation im Mittleren und Nahen Osten, auch die Tatsache, dass der Iran bis zum heutigen Tage zur Staatsdoktrin erhoben hat, Israel zu vernichten. Es gibt hier nicht nur eine gegnerische Position zwischen den beiden Staaten, sondern der Iran will Israel vernichten. Das gehört bis zum heutigen Tage zur Staatsdoktrin. Daran hat auch Atomabkommen und andere Dinge nichts geändert. Und alle Staaten, die dem Iran kritisch gegenüberstehen, die sind im Grunde in der Gefahr, dass sie genauso vom Iran ausgespäht werden, dass hier genau derartige Aktionen vorbereitet werden, wie sie sich gegen mich gerichtet haben. Deswegen muss es hier auch in Europa eine abgestimmte Politik geben gegenüber dem Iran.
    Müller: Ein klares Plädoyer heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk vom SPD-Politiker Reinhold Robbe. Danke, dass Sie für uns Zeit gefunden haben. Ihnen noch einen guten Tag.
    Robbe: Sehr gerne. Ihnen auch, Herr Müller. Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.