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SPD-Politiker verteidigt Abschaffung der Eigenheimzulage

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Stephan Hilsberg, hat die Abschaffung der Eigenheimzulage verteidigt. Die Zulage habe viele Fehler aufgewiesen. Er erinnerte daran, dass "selbst gut verdienende Leute von der Eigenheimzulage profitiert haben". Als Ersatz für die Eigenheimzulage schlug Hilsberg eine Baufinanzierung mittels Riesterrente vor. Dies sei bereits heute möglich.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Das neue Jahr 2006, es bringt einige Veränderungen: höhere Beitragsbemessungsgrenzen zum Beispiel bei der Rente oder Arbeitslosenversicherung, Arbeitnehmer können nicht mehr so früh in Rente gehen und Arbeitslosengeld gibt es für diejenigen, die noch keine 55 sind höchstens nur noch zwölf Monate lang. Und eines gibt es überhaupt nicht mehr: Die Eigenheimpauschale, sie wird gestrichen. Früher bekam zum Beispiel eine Familie, die zwei Kinder hatte, über 20.000 Euro verteilt auf acht Jahre, doch eine stattliche Summe, aber der Staat hat zu wenig Geld. Das sah zum Schluss auch die Union ein, die jetzt aber eine andere Förderung will. Am Telefon begrüße ich Stephan Hilsberg, er ist der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, guten Morgen Herr Hilsberg.

    Stephan Hilsberg: Guten Morgen Herr Meurer.

    Meurer: Sind Sie immer noch fest überzeugt, es war richtig, die Eigenheimzulage abzuschaffen?

    Hilsberg: Ich bin davon überzeugt, dass die Gründe, die zur Abschaffung der Eigenheimzulage damals überwogen haben und nach wie vor gelten - und nicht zuletzt war es ja die Union selbst, die dieses Anliegen in den Koalitionsverhandlungen stark mit nach vorne brachte.

    Meurer: Wird es für Familien jetzt nicht doch schwieriger, sich Eigenheim, Eigentum zuzulegen?

    Hilsberg: Also, da ist was dran, das will ich gar nicht bestreiten, aber es ist eben auch leider ein zunehmender Anachronismus geworden. Schauen Sie, beispielsweise haben wir das im Osten Deutschlands sehr, sehr stark: Da wird mit staatlichen Geldern und zwar in Milliardenbeträgen, Wohnraum zurückgebaut, weil die Städte sonst kollabieren würden und gleichzeitig mit Milliardenbeträgen werden neue Eigenheime gefördert. Das macht keinen Sinn, sozusagen in die eine Tasche rein und aus der anderen Tasche raus, macht keinen Sinn. Im Übrigen hatte die alte Eigenheimzulage, so wie sie jetzt abgeschafft wurde, eine Menge an Fehlallokationen. Ich darf daran erinnern, dass ja selbst gut verdienende Leute von der Eigenheimzulage profitiert haben, weil es nicht gelungen ist, da eine anständige Abgrenzung vorzunehmen.

    Meurer: Aber es gab schon eine Obergrenze.

    Hilsberg: Ja, aber die war doch sehr hoch, das muss man sagen. Also selbst ich als Bundestagsabgeordneter hätte davon profitiert und das wäre wirklich nicht nötig gewesen.

    Meurer: Sie sprechen gerade die Situation in den neuen Bundesländern an. Würden Sie insgesamt sagen, für den Osten war die Eigenheimzulage keine gute Sache?

    Hilsberg: Das würde ich nicht sagen. Wir hatten ja im Osten auf Grund der DDR-wirtschaftlichen Verhältnisse viel zu wenig Eigenheime, als die Leute bereit waren zu bauen. Das heißt, es gab einen ganz großen Nachholbedarf, der dann in den 90er Jahren letztlich auch mit erfüllt wurde. Das ist einer der Gründe, weshalb so viele Innenstädte leer stehen, dass viele Leute sich tatsächlich in den äußeren Randbezirken oder auf dem ländlichen Raum neue Eigenheime gebaut haben und die haben alle auch von der Eigenheimzulage profitiert.

    Meurer: Also insgesamt hat der Osten schon genauso wie Familien oder Eigentumserwerber im Westen von der Zulage profitiert?

    Hilsberg: Ja, das ist richtig, sie haben davon profitiert und man muss eben auch ganz klar sagen - das steht ja auch im Koalitionsvertrag drin - was wir ja abgeschafft haben, ist die alte anachronistische Form der Eigenheimzulage, aber wir halten fest daran, dass auch in Zukunft der Vermögensaufbau auch für Eigenheimfinanzierung staatlich gefördert werden soll. Und ein solches Instrument ist bei der Riesterrente bereits eingeführt worden. Zugegeben, es ist noch nicht übermäßig populär, die wenigsten wissen davon, das muss verbessert werden und eventuell müssen auch die Konditionen dieser Baufinanzierung mittels Riesterrente verbessert werden.

    Meurer: Wie könnte das Ihrer Meinung nach aussehen, Eigentumserwerb über die Altersvorsorge und die Riesterrente zu fördern?

    Hilsberg: Die wenigsten wissen das ja: Die Riesterrente ist ja eine Sache gewesen der privaten Altersvorsorge, die enorm staatlich gestützt ist, die faktisch eine doppelte Funktion hat: Sie ist nicht nur zur Zeit die Altersvorsorge mit der besten Rendite, weil sie steuerlich gefördert wird, sondern man hat zusätzlich eine Option, dass man das Geld, was bereits für die Riesterrente angespart ist, entnehmen kann, in die Baufinanzierung stecken kann, faktisch zinslos. Der Staat finanziert auf die Art und Weise ein zinsloses Darlehen mit. Das wird dann anschließend zurückgeführt. Die Altersvorsorge wird dadurch nicht geschmälert. Man kann gleichzeitig sein Eigenheim damit finanzieren. Die wenigsten wissen das.

    Meurer: Dann braucht man ja gar nichts zu verändern?

    Hilsberg: Na, da bin ich nicht so sicher. Wir hatten auch mit der alten Riesterrente das Problem, dass die entsprechenden Versicherungen und die Banken dieses Produkt, obwohl es gut war, nicht angeboten haben. Man musste das anpassen, man musste es marktfähig machen und vor allen Dingen, hier muss ungeheuer viel Öffentlichkeitsarbeit gemacht werden, das heißt, wir brauchen Publik Relations.

    Meurer: Bisher bekam die vierköpfige Familie immerhin im Jahr etwa 3000 Euro. Würde es denn auch so viel werden über die Riesterrente?

    Hilsberg: Das ist mit Sicherheit nicht so viel, das ist gar keine Frage.

    Meurer: Es ist wie hoch?

    Hilsberg: Das kann man so nicht sagen. Das ist eine völlig andere Form der Finanzierung. Wenn Sie sich beispielsweise über die eigene Eigenheimzulage einen zinslosen Kredit geben - gehen Sie von einem Zinssatz von vielleicht fünf oder sechs Prozent aus - mit einer Laufzeit von vielleicht 20 Jahren, dann kriegen Sie faktisch eine Zinszahlung von fast drei Viertel des Kredites dadurch geschenkt. Das ist eine ganze Menge. Das heißt, es hängt von den Konditionen ab und es ist dem Einzelnen viel stärker überlassen. Es ist viel flexibler, als es die alte Eigenheimzulage war, aber in der Höhe ist es nicht ganz so hoch wie die alte Zulage.

    Meurer: Wie sehr glauben Sie, wird der Wegfall der Zulage sich auswirken auf die Anzahl von Neubauten und Altbauten? Die sind ja auch gefördert worden.

    Hilsberg: Das wird Sie vielleicht überraschen: Es wird sich kaum auswirken, weil die Diskussionen, die ja bereits vor anderthalb Jahren, zwei Jahren begonnen haben, über das Ende der Eigenheimzulage, dazu geführt haben, dass ein großer Schwung an Leuten, die überlegt hatten, noch in den nächsten Jahren die Eigenheimzulage zu nutzen, schnell einen Vertrag gemacht haben, so dass jetzt faktisch gar keine Welle besteht. Sozusagen der Bedarf an Eigenheimfinanzierung ist über die alte Eigenheimzulage abgedeckt und das wird die nächsten Jahre auch noch gehen. Das führt ja auch dazu, dass die eigentlichen Einsparungen durch den Wegfall der Eigenheimzulage erst in den nächsten zehn Jahren wirklich eintreten.

    Meurer: Man hört, es hätte auch Missbrauch gegeben. Glauben Sie, dass es Missbrauch in nennenswertem Umfang gegeben hat?

    Hilsberg: Ja, der Meinung bin ich schon. Wie gesagt, die hatte Fehlallokationen. Sie konnten sich beispielsweise einen Wintergarten damit finanzieren und das hat mit echtem Vermögensaufbau und mit sinnvollem Vermögensaufbau, der wirklich staatlich gefördert werden muss, in keiner Weise etwas zu tun. Und dann gibt es einen zweiten Punkt, der ist nicht richtig messbar: Die Bauwirtschaft konnte faktisch davon ausgehen, dass jede Familie mit der Eigenheimzulage hantiert und damit hat das faktisch zu einer Verteuerung der Bauprodukte geführt. Wie mit vielen Subventionen, hat sie die wirtschaftliche Entwicklung gehemmt, vernünftige Angebote behindert und hat insofern keine wirklich wirtschaftlich guten Ergebnisse gehabt. Und angesichts des Umstandes, dass wir jetzt sehr knappe Kassen haben und dass ja staatlicher Rückbau auch noch gefördert werden muss, ist das schon richtig gewesen, die Eigenheimzulage abzuschaffen.

    Meurer: Das war Stephan Hilsberg, der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion. Besten Dank und auf Wiederhören.

    Hilsberg: Bitte schön.