Die SPD habe klar gemacht, dass sie die Pläne der CSU, Menschen zwangsweise in Massenlagern an der Grenze festzuhalten, nicht mittragen werde. Statt solchen Drohungen müsse man den Flüchtlingen Anreize geben, sich registrieren zu lassen, sagte die SPD-Politikerin im Deutschlandfunk. Zudem sollte es im ganzen Land und nicht nur an der Grenze Registrierungszentren geben. Andernfalls würden die Grenzregionen überfordert werden.
Ob die Einrichtungen dann als Einreisezentren, wie von ihrer Partei vorgeschlagen, oder als Transitzonen bezeichnet würden, sei weniger wichtig, sagte Högl. Es gehe darum, einen praktikablen Vorschlag zu machen und Ordnung in das Prozedere zu bringen. Die Verfahren müssten beschleunigt werden. Und dazu sollten in den Zentren alle Flüchtlinge, nicht nur die Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten registriert werden. In den Zentren sollten die Verfahren und die weitere Versorgung "aus einer Hand" auf den Weg gebracht werden.
Das Interview in voller Länge:
Christiane Kaess: SPD-Parteichef Sigmar Gabriel ist der Kragen geplatzt. "Es ist eine Zumutung für die SPD, dass sie mit der Symbolpolitik von Transitzonen dazu beitragen soll, dass CDU und CSU sich wieder verstehen." So empörte sich Gabriel. Gleichzeitig zeigt man sich auch in der SPD zuversichtlich, dass man eine Einigung mit der Union erzielen werde. Aber noch stehen auf der einen Seite die Transitzonen der Union, in denen nach dem Modell des Flughafenverfahrens Asylanträge an der Grenze vor der Einreise nach Deutschland schnell behandelt werden sollen und dann eventuell auch schnell abgeschoben werden soll. Auf der anderen Seite stehen die Vorstellungen der SPD mit den sogenannten Einreisezentren überall im Land. Nur wer sich dort registrieren lässt, soll Anspruch auf staatliche Leistungen bekommen. Wie ist die Situation im Moment? Welchen Weg gehen Schutzsuchende und Migranten bis jetzt?
Verbunden bin ich jetzt mit Eva Högl, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag. Guten Morgen.
Verbunden bin ich jetzt mit Eva Högl, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag. Guten Morgen.
Eva Högl: Guten Morgen, Frau Kaess.
Kaess: Frau Högl, Transitzonen oder Einreisezentren - ist das Ganze eigentlich nur noch Wortklauberei?
Högl: Erstens denke ich, dass wir uns am Donnerstag auf jeden Fall einigen werden, und zweitens gibt es natürlich Unterschiede zwischen diesen Konzepten. Aber ich bin ganz zuversichtlich, dass wir da auch eine gemeinsame Regelung finden. Wenn ich das noch mal sagen darf - für die SPD ist wichtig, dass alle Asylbewerber in so einer Einrichtung registriert werden. Das ist ganz zentral. Die CSU will nur diejenigen aus sicheren Herkunftsländern dort registrieren. Wichtig ist, dass es diese Einrichtungen nicht nur an der Grenze gibt, sondern im ganzen Land, und der ganz wichtige Punkt ist, dass keine Menschen dort zwangsweise festgehalten werden, dass es keine Haft gibt, sondern dass es eine Registrierung gibt, dass es Ordnung gibt, dass es eine Anlaufstelle ist für das weitere Verfahren, aber eben nicht verbunden mit einer Haft.
"Übertragung des Flughafenverfahrens ist nicht praktikabel"
Kaess: Frau Högl, Sie geben sich ja jetzt sehr versöhnlich. Wir sprechen über das gleiche bei beiden Konzepten, nämlich so etwas wie, ich nenne es jetzt mal, Registrierungszentren mit schnelleren Bearbeitungen von Asylanträgen. Wird das Ganze einfach schlussendlich anders genannt werden, damit beide Seiten ihr Gesicht wahren können?
Högl: Genau das ist das Ziel und ich finde, das wäre auch optimal. Denn der Bericht zeigt ja, dass das Entscheidende ist, dass die Asylbewerber registriert werden - das kann auch in einer Erstaufnahmeeinrichtung geschehen - und dass dann (und das ist wirklich der wichtigste Punkt) die Verfahren viel schneller geführt werden. Deswegen haben wir mit dem neuen Asylpaket ja jetzt auch formuliert, dass die Menschen in der Erstaufnahmeeinrichtung bleiben sollen, so lange, bis ihr Verfahren abgeschlossen ist, bis man weiß, ob sie das Land wieder verlassen müssen oder ob sie hier Schutz bekommen und hier bleiben dürfen.
Kaess: Wenn das Ganze jetzt plötzlich so einfach ist, warum war denn dann eigentlich die Einigung am Wochenende nicht möglich?
Högl: Weil das Konzept der CSU natürlich etwas ganz anderes vorsieht und die SPD klar gemacht hat, dass wir das nicht mitgehen können. Denn die CSU verbindet mit diesen sogenannten Transitzonen ein Signal an Menschen in aller Welt, dass es sich nicht lohnt, nach Deutschland zu kommen und hier Schutz zu suchen. So etwas kann so ein Zentrum erstens nicht leisten und zweitens ist das auch nicht praktikabel. Außerdem lehnen wir entschieden ab, Menschen zwangsweise irgendwo festzuhalten. Das kommt nicht in Betracht. Und auch eine Übertragung des sogenannten Flughafenverfahrens auf die Grenze ist weder praktikabel, noch rechtlich möglich.
"Wir überlasten die Grenzregionen vollkommen"
Kaess: Das mit der Haft ist ja sowieso jetzt eigentlich erst mal Ihre Interpretation. Transitzone heißt ja erst mal Zentrum an einer Grenze, bevor jemand einreist, um dann schon zu klären, ob derjenige schutzbedürftig ist, also ob er einen Anspruch auf Asyl hat, und wenn nicht, dass dann schneller abgeschoben werden kann. Will die SPD das nicht, schnellere Abschiebungen bei denen?
Högl: Selbstverständlich wollen wir das. Nur ich will das noch mal sagen: Die CSU hatte vorgeschlagen, dort nur Menschen zu versammeln und zu registrieren, das Verfahren zu führen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten, und das ist überhaupt nicht praktikabel, denn es kommen ja Menschen aus ganz unterschiedlichen Ländern und deswegen wollen wir, dass alle Menschen an der Grenze registriert werden und dass diese Registrierungszentren, dass die Ordnung schaffen und dass die aber für alle Asylbewerber sind. Das wollen wir kombinieren natürlich mit der Aufforderung, hier ein geordnetes Verfahren zu führen. Aber die Menschen werden sich dort auch reinfinden, das passiert ja jetzt auch. Aber Sie können niemanden dort zwangsweise festhalten.
Kaess: Aber schon an der Grenze zu klären, ob jemand einen Anspruch auf Asyl hat oder nicht, das erscheint doch sinnvoll, denn die Kommunen zum Beispiel, die ja zum Teil sehr überlastet sind, argumentieren ja genau so. Die sagen, die Flüchtlinge sollen erst zu uns kommen, wenn sie eine Bleibeperspektive haben.
Högl: Das ist vollkommen richtig.
Kaess: Wie lange wollen Sie denn da die Kommunen noch überfordern?
Högl: Das ist richtig und das haben wir auch schon gemacht, indem wir gesagt haben, die Menschen sollen so lange in den Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben, wie ihr Verfahren geführt wird.
Kaess: Aber nicht an der Grenze! Dann sind sie schon im Land und dann wird es schwieriger, sie auch wieder abzuschieben.
Högl: Ja, aber wir können es nicht nur entlang der Grenze machen. Wir überlasten die Grenzregionen vollkommen. Wenn Sie sich angucken, wie die Situation in Passau und in anderen Städten entlang der innereuropäischen Grenze, zum Beispiel der Grenze Deutschland-Österreich ist, dann ist es völlig undenkbar, dass wir dort für mehrere Tausende Menschen solche Zentren haben. Deswegen ist es sinnvoll, diese Zentren zu haben in ganz Deutschland, also auch innerhalb des Landes, nicht nur an der Grenze, und dort die Registrierung und alles Weitere zu machen.
"Das Entscheidende sind schnellere Verfahren"
Kaess: Und was macht Sie so sicher, dass, wenn die Menschen dann einmal im Land sind, es nicht genauso schwer bleibt, wie es ja bisher ist, sie abzuschieben, wenn sie keinen Anspruch auf Asyl haben?
Högl: Die Abschiebung ist natürlich zentral, aber das Wichtige ist doch erst mal, dass die Verfahren viel schneller geführt werden. Das Beispiel aus Ihrem Beitrag mit dem Mann aus dem Kosovo zeigt doch, dass es indiskutabel ist, dass die Menschen acht Monate - und das ist ja fast noch flott; es gibt ja Menschen, die warten jahrelang darauf, dass ihr Verfahren entschieden wird -, dass die hier im Land sind, nichts tun können, einfach nur warten. Also das Entscheidende sind schnellere Verfahren.
Kaess: Und warum sollen die, wenn ich da noch mal einhaken darf, im Land schneller bearbeitet werden können als an der Grenze, denn genau das ist ja der Gedanke der Transitzone an der Grenze, dass dort schneller das Verfahren durchgeführt werden kann?
Högl: Weil wir die Grenzregionen damit völlig überfordern. Sie hätten dann im Grunde genommen diese Zonen oder diese Registrierungsstellen nur entlang der Grenze. Wir wollen sie verteilen in ganz Deutschland und in jedem Bundesland solche Zentren haben. Das wird ja jetzt auch schon praktiziert. Das ist ja nicht eine völlig neue Idee. In einigen Bundesländern wird das bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen so gemacht. Und was wir verhindern wollen und damit auch Ordnung in das Verfahren bringen ist, dass die Menschen mehrfach registriert werden, an der Grenze, bei der Erstaufnahme, beim BAMF und so weiter, sondern sie sollen einmal registriert werden und dann soll es im Grunde genommen aus einer Hand, dann an mehreren Stellen natürlich, aber in einem Zentrum auch die entsprechenden Verfahren und die weitere Versorgung geben.
Kaess: Frau Högl, wenn Sie so optimistisch sind für das Koalitionstreffen - die Lösung wird Ihrer Meinung nach dann so aussehen: Der SPD-Vorschlag setzt sich durch, nicht Transitzonen grenznah, sondern die Einreisezentren im Land?
Högl: Das wäre das Beste und ich würde das weniger so diskutieren, wer sich durchsetzt. Natürlich freue ich mich immer, wenn die SPD sich mit guten Ideen durchsetzt, aber es geht darum, einen praktikablen Vorschlag zu machen und vor allen Dingen Ordnung in das Verfahren zu bringen, die Verfahren zu beschleunigen und die Registrierung aller Personen zu ermöglichen, und da hoffe ich, dass wir ein gutes Konzept gemeinsam entwickeln. Dass wir handlungsfähig sind in der Großen Koalition, haben wir gezeigt und ich bin wirklich optimistisch, dass wir am Donnerstag dann auch eine vernünftige Lösung finden.
Kaess: Was macht Sie so sicher, dass die CSU von ihrer Position mit den Transitzonen an den Grenzen abrücken wird?
Högl: Weil ich hoffe, dass diejenigen in der CSU, die sich wirklich mal mit dem Konzept beschäftigt haben, einsehen, dass es nicht praktikabel ist, und auch die CSU kann kein Interesse daran haben, dass wir Massenlager mit Haft an den Grenzen in Bayern haben.
"Die Kombination mit Haft funktioniert nur, wenn Sie die Grenze wirklich dicht machen"
Kaess: Das mit der Haft können wir noch mal aufgreifen. Die Haft ist es ja eigentlich nicht. Laut Bundesverfassungsgericht darf der Staat den Zutritt zu seinem Gebiet begrenzen. Und auch die CSU oder die Union sagt ja, der Rückweg steht jedem offen.
Högl: Das ist richtig. Nur wenn Sie das sehen: Das hat das Bundesverfassungsgericht ja für das sogenannte Flughafenverfahren entschieden. Das lässt sich aber gar nicht für die Grenze, also an der Landgrenze übertragen. Und in dem Moment, wo Sie Menschen festhalten, ist ganz klar, dass Sie eine Bewegung haben, dass Menschen dort gar nicht mehr hingehen. Deswegen sagen wir von der SPD, lasst uns mit Anreizen arbeiten. Wir wollen ein deutliches Signal an alle Flüchtlinge senden: Hier müssen alle sich registrieren, hier stellen sie ihren Antrag, hier werden sie medizinisch versorgt, hier erfolgt das gesamte Verfahren. Und dann werden sich auch alle in diesen sogenannten Zentren einfinden und es wird keine Bewegung weg geben. Wenn Sie aber mit Haft drohen, dann gibt es auch Bewegung illegal ins Land, und Sie können die Grenze gar nicht so sichern. Deswegen - letzte Bemerkung: Diese Kombination mit Haft, ähnlich wie das Flughafenverfahren, funktioniert nur, wenn Sie die Grenze wirklich dicht machen.
Kaess: Wir werden sehen, wo der Kompromiss dann letztendlich verlaufen wird, wenn wir ihn denn morgen bekommen. - Frau Högl, die Union ist in den Umfragen abgesackt wegen der Flüchtlingskrise, aber die SPD profitiert davon nicht. War die Diskussion um die Transitzone eine Möglichkeit für die SPD zur Profilierung?
Högl: Unter diesem Aspekt haben wir die Debatte nicht geführt, sondern wir wollen gemeinsam eine praktikable und rechtlich mögliche Lösung finden. Wir wollen die Flüchtlinge, die hier Schutz suchen, bestens versorgen. Wir wollen wissen, wer sich im Land aufhält, sie gut betreuen und dann diejenigen auch wieder zurückführen, die hier in Deutschland nicht bleiben können.
Kaess: Warum hat die Diskussion denn dann so lange gedauert, wenn Sie jetzt sagen, eigentlich sind die Unterschiede gar nicht mehr so groß?
Högl: Es ist ja auch eine schwierige Frage und es gibt auch keine einfachen Antworten darauf, und deswegen zeichnet es uns auch aus, dass wir uns das schwer machen, und dass wir auch an einigen Stellen nicht einer Meinung sind, das ist in einer Koalition auch ganz normal. Wir ringen darum und ich denke, das ist auch richtig, dass wir um eine gute Lösung ringen.
Kaess: ... sagt Eva Högl, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag. Vielen Dank für dieses Interview heute Morgen.
Högl: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.