Straßenwahlkampf Anfang dieser Woche in Hannover – Boris Pistorius unterstützt den SPD-Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl im Oktober.
"Ich bin der Wim."
"Ich bin der Boris! Ich bin der Innenminister hier von Niedersachsen und mache Wahlkampf für Marc Hansmann, der hier Oberbürgermeister werden soll in Hannover."
"Dann wünsche ich Ihnen viel Glück…"
Im Straßenwahlkampf ist Pistorius in seinem Element
Auf die Menschen zugehen, sie direkt ansprechen. Boris Pistorius ist erkennbar in seinem Element. Eigentlich hat er ja mit seiner eigenen Kandidatur für den Bundesvorsitz der SPD genug zu tun – aber als ehemaliger Kommunalpolitiker, er war bis 2013 Oberbürgermeister von Osnabrück, lässt er sich den Wahlkampfauftritt für die SPD-Hoffnung in der Landeshauptstadt nicht nehmen.
"Am 27. Oktober... Sind Sie aus Hannover?"
"Ja."
"Wunderbar, dann haben Sie ja schon mal einen festen Termin im Kalender."
"Das stimmt!"
"Sehr schön, schönen Abend."
"Gleichfalls!"
Die entspannte, lockere Art von Boris Pistorius kommt gut an in der Fußgängerzone in Hannover – manch ein Passant kann sich den Innenminister von Niedersachsen auch gut an der Spitze der Bundes-SPD vorstellen.
"Ja, das ist einer der Überzeugungen hat und der Dinge anpackt – also, wenn ich mir die Auswahl an Kandidatinnen und Kandidaten angucke, dann glaube ich, dass er gute Chancen haben wird."
Der niedersächsische SPD-Landesverband, mit rund 60.000 Mitgliedern der zweitstärkste nach Nordrhein-Westfalen, hat sich geschlossen hinter die Kandidatur gestellt. Pistorius gilt als profilierter Landespolitiker, kein linker Visionär, sondern eher dem pragmatischen Teil der SPD zuzurechnen – mit starken Wurzeln in der Kommunalpolitik. Und die sind auch bei seiner Tandempartnerin, der sächsischen Ministerin für Gleichstellung und Integration Petra Köpping, vorhanden. Bürgermeisterin, Landrätin, Landesministerin – der politische Werdegang der 61-Jährigen passt ideal zu der gemeinsamen Kandidatur, findet Boris Pistorius.
Prägung durch Kommunalpolitik
"Petra Köpping und ich kommen beide aus der Kommunalpolitik – das hat uns geprägt! Gleichzeitig haben wir aber auch inzwischen etliche Jahre operative und exekutive Erfahrung als Minister in unseren Bundesländern getragen und tun das immer noch. Und durch unsere kommunalpolitische Verwurzelung sind wir sehr nah dran immer an den Menschen gewesen. Wir haben den Politikstil zuzuhören, was haben die Menschen zu sagen, und zu definieren, wie kriegen wir diese Probleme gelöst, wie kriegen wir die Fragen beantwortet. Ich glaube, das ist unser Angebot an die SPD."
Selbstbewusst und leidenschaftlich steht der gelernte Jurist Pistorius für diesen anderen Politikstil ein – und nicht weniger ambitioniert formuliert seine Co-Kandidatin aus Sachsen, Petra Köpping, ihre Rolle in einer möglichen SPD-Doppelspitze an der Seite des Niedersachsen. Sie wolle eine starke Stimme für den Osten sein, betont sie.
"Die SPD kann Brückenbauer sein, Brückenbauer zwischen den unterschiedlichsten Teilungen, die wir im Moment erleben. Das ist arm-reich, das ist jung-alt, das ist Stadt-Land. Aber das ist auch Ost-West! Und insofern glaube ich, dass diese Brückenbauerfunktionen durch Boris Pistorius und mich sehr gut besetzt werden können, weil wir eben auf der einen Seite eine sehr unterschiedliche Herkunft haben, aber eines uns verbindet – das ist nämlich die kommunale Ebene. Und ich glaube, dass diese Brückenfunktion sowohl in die SPD wirken muss, als auch außerhalb der SPD wirken muss."
Ein stärkerer innerdeutscher Dialog zwischen Ost und West, eine bundesweite Kommission, die das "Unrecht der frühen Nachwendezeit" aufarbeitet – Petra Köpping sagt deutlich, wie sie die SPD gerne inhaltlich aufgestellt sähe. Klare Worte auch zur Agenda-Politik.
"Die Agenda 2010, Hartz IV um es ganz klar anzusprechen, war zu der Zeit, als es eingeführt wurde, durchaus ein sinnvolles Instrument – was aber nicht richtig ist, ist dass wir es nie reformiert haben, dass es nie angepasst worden ist. Und insofern bin ich ganz klar dafür, das Thema zu überarbeiten – ob man es dann noch Hartz IV nennt, das muss man sich dann gemeinsam überlegen."
Offene und kontroverse Diskussion um GroKo
An der inhaltlichen Debatte beteiligt sich Boris Pistorius mit Aussagen zu Sicherheitsthemen. So steht er für eine Stärkung der Polizei, fordert die Einführung einer Polizeibehörde auf EU-Ebene und einen entschlosseneren Umgang mit terroristischen Gefährdern – mahnt aber im gleichen Atemzug, die Begriffe Islam und Islamismus besser voneinander zu trennen. Als glühender Anhänger der großen Koalition in Berlin gilt er nicht unbedingt – wie Petra Köpping zählt er aber auch nicht zu den erklärten GroKo-Gegnern. Eine offene, gerne auch kontroverse Diskussion über die Zukunft der Berliner Regierung täte der SPD gut, meint Pistorius, aber...
"Man sollte, bevor man das tut, wissen wo man hinwill – das hilft ungemein! Man sollte erst einmal definieren, für wen man Politik machen will wirklich im Kern als Sozialdemokratie, und dann die Ziele definieren, die man für diese Menschen erreichen will – dann kann man gute Politik machen. Entscheidend ist aber auch dann, wenn man das hat, dass man das geschlossen tut und mit Selbstbewusstsein und mit Zuversicht, und sich nicht selbst in Frage stellt immer wieder oder auf andere guckt. Und wenn wir das tun, dann werden wir auch wieder erfolgreich sein."
Einfach wird das nicht, das weiß auch Boris Pistorius. Wer immer künftig an der Spitze der Sozialdemokratie stehen wird: Die Rückeroberung verlorener Wählerstimmen wird noch länger eine Herausforderung für die Genossen bleiben – ob im Kampf um das Kanzleramt in Berlin oder um das Rathaus in Hannover, wo sich an diesem Abend nicht jeder von roten Äpfeln als Wahlkampfgeschenk begeistern lässt.
"Darf ich stören und Ihnen einen Apfel schenken? Frischer Apfel – mit einem Gruß vom Oberbürgermeisterkandidaten! Möchten Sie nicht?"
"Nein, danke!"
"Gut...okay."