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SPD-Steuerkonzept
"Die Vermögenssteuer ist noch nicht vom Tisch"

Gestern hat die SPD ihr Steuerkonzept vorgestellt. Juso-Vorsitzende Johanna Uekermann zeigte sich grundsätzlich damit zufrieden - bemängelte aber im Dlf, dass die Vermögenssteuer darin nicht vorkommt: "Wir müssen uns dazu bekennen und nicht nur auf das Grundsatzprogramm verweisen".

Johanna Uekermann im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Die Bundesvorsitzenden der Jusos, Johanna Uekermann, spricht auf dem Bundeskongress der SPD-Nachwuchsorganisation in Dresden (Sachsen).
    Die Bundesvorsitzenden der Jusos, Johanna Uekermann, auf dem Bundeskongress in Dresden (picture alliance / dpa / Sebastian Kahnert)
    Uekermann verteidigte die im Konzept vorgesehene höhere Grenze für den Spitzensteuersatz. Viele Facharbeiter müssten derzeit den höchsten Satz zahlen und reagierten darauf mit Unverständnis. "Sie leisten viel und müssen viel zahlen." Es sei richtig, dort Entlastung zu schaffen.
    Auch begrüßte sie eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes. "Wir brauchen mehr Geld für Investitionen", so die SPD-Politikerin. In Deutschland gebe es derzeit einen Investitionsstau.
    Das Konzept der SPD sieht Entlastungen von jährlich 15 Milliarden Euro vor allem für kleinere und mittlere Einkommen sowie Familien vor. Der Soli soll ab 2020 zunächst für Einkommen von bis zu 52.000 Euro jährlich entfallen.

    Christiane Kaess: Die SPD will Spitzenverdiener zur Kasse bitten. Gestern hat SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz das Steuerkonzept seiner Partei vorgestellt, mit dem die Sozialdemokraten in den Wahlkampf ziehen wollen. Darüber sprechen möchte ich mit Johanna Uekermann. Sie ist Bundesvorsitzende der Jungsozialisten. Guten Morgen.
    Johanna Uekermann: Guten Morgen.
    Kaess: Frau Uekermann, wir haben es gerade gehört: Eine Vermögenssteuer sieht das Konzept der SPD nicht vor. Sind Sie enttäuscht?
    Uekermann: Erst mal bin ich relativ zufrieden mit dem Steuerkonzept. Ich glaube, da hat die SPD was Gutes vorgelegt, was durchgerechnet ist, was seriös ist und was vor allem auch gerecht ist. Wir entlasten die unteren und mittleren Einkommen und wollen bei den Reichen etwas mehr Verantwortung für die Finanzierung von unserem Gemeinwohl. Das finde ich erst mal sehr gut.
    Sie haben es schon angesprochen: Natürlich nicht ganz zufrieden bin ich mit dem Punkt der Vermögenssteuer. Ich hätte mir gewünscht, dass er im Konzept enthalten ist. Es ist ja auch Teil unseres Grundsatzprogramms und deshalb kann ich auch aus meiner Sicht sagen, für mich ist die Vermögenssteuer noch nicht vom Tisch.
    Kaess: Wie werden Sie jetzt Ihren Protest einbringen? Auf dem Parteitag?
    Uekermann: Zu allererst werden wir mal mit den Delegierten sprechen, mit den Landesverbänden. Wir haben auch noch eine Parteivorstandssitzung am Samstag. Da werde ich noch mal dafür werben, dass wir uns auch in dem Steuerkonzept zur Vermögenssteuer bekennen und nicht nur auf unser Grundsatzprogramm verweisen. Davon wird dann natürlich auch abhängen, wie wir dann auf dem Parteitag vorgehen, ob wir quasi vorab auch noch was erreichen können.
    Kaess: Was könnten Sie sich vorstellen für den Parteitag, was für ein Szenario?
    Uekermann: Das kann ich jetzt tatsächlich noch nicht sagen, weil dafür muss ich erst mal noch Gespräche führen und dafür müssen wir auch erst mal die Parteivorstandssitzung abwarten.
    "Sie leisten sehr viel und müssen enorm viele Steuern zahlen"
    Kaess: Frau Uekermann, man fragt sich ein bisschen, wie die SPD tatsächlich soziale Gerechtigkeit fördern will, wenn der Spitzensteuersatz jetzt noch weiter nach oben verschoben wird und erst bei 60.000 Euro Jahreseinkommen anfängt anstatt schon bei 54.000.
    Uekermann: Ich sehe das tatsächlich anders. Wir haben auch jetzt das Problem, dass einfach viele, die zum Beispiel auch als klassische Facharbeiter arbeiten, dass die jetzt schon in den Spitzensteuersatz reinfallen, und das führt auch zu Unverständnis bei vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die das Gefühl haben, sie leisten sehr viel und müssen enorm viele Steuern zahlen. Deshalb ist es, glaube ich, da richtig, an der Stelle Entlastungen zu schaffen. Im Übrigen schaffen wir nicht nur Entlastungen durch die Anhebung des Spitzensteuersatzes, sondern auch durch andere Instrumente wie zum Beispiel Kita-Gebühren abschaffen und einfach generell mehr Geld für Investitionen bereitzustellen. Das finde ich richtig. Gleichzeitig langen wir bei den sehr Reichen, bei denen, die wirklich viel Geld haben, mehr zu, nicht nur über die Reichensteuer und den Spitzensteuersatz, sondern dann auch durch eine Erbschaftsreform. Das finde ich absolut richtig.
    "Man kann den Spitzensteuersatz nicht unendlich nach oben verschieben"
    Kaess: Aber bleiben wir mal gerade noch kurz bei dem Spitzensteuersatz, denn auf der anderen Seite muss man ja sagen, diese 60.000 Euro, das kann ja auch noch gut bezahlte Facharbeiter treffen. Aber die wollten Sie ja gerade entlasten.
    Uekermann: Wie gesagt, wir gehen jetzt ein Stück nach oben. Ich glaube, das ist richtig, dass wir da quasi die Mittelschicht mehr entlasten und die Facharbeiter auch. Man kann den Spitzensteuersatz aber natürlich nicht unendlich nach oben verschieben. Wir brauchen auch das Geld für Investitionen. Davon profitieren ja auch alle. Deshalb, finde ich, ist es ausgewogen, was wir vorschlagen: Entlastungen auf der einen Seite, mehr Investitionen und gleichzeitig oben höhere Belastungen.
    Kaess: Der Spitzensteuersatz soll auf 45 Prozent angehoben werden. Hatten Sie da auf mehr gehofft, denn der lag ja sogar schon unter Helmut Kohl schon bei über 50 Prozent?
    Uekermann: Ich glaube, man kann immer noch ein, zwei Prozent mehr fordern. Hätten die Jusos ein Konzept vorgelegt, wären da vielleicht auch noch ein, zwei Punkte oben mit draufgekommen. Aber ich muss sagen, alles in allem geht das absolut in die richtige Richtung. Mir ist wichtig, dass die, die sehr viel haben, die Reichen, dass die mehr Verantwortung tragen, und dem werden wir mit diesem Konzept gerecht.
    Kaess: Da fragt man sich natürlich, Frau Uekermann, auf der anderen Seite, warum die SPD Steuern überhaupt erhöhen will in einem Moment, in dem die Steuereinnahmen in Deutschland einen Höchststand erreicht haben. Ist das noch gerecht?
    "Es ist notwendig, mehr Gerechtigkeit durch Umverteilung zu schaffen"
    Uekermann: Es gibt zwei Gründe, warum ich für eine gerechtere Steuerpolitik bin. Das eine ist, dass wir nach wie vor …
    Kaess: Das ist ja die Frage, ob sie tatsächlich gerechter ist, wenn wir sowieso so hohe Steuereinnahmen haben.
    Uekermann: Ja! Lassen Sie es mich erklären. Dann beantworte ich auch Ihre Frage. Der eine Grund ist, dass wir die Schere zwischen Arm und Reich haben, die immer weiter auseinandergegangen ist. Ich glaube, das führt langfristig dazu, dass wir auch unseren sozialen Frieden infrage stellen. Deshalb ist es notwendig, mehr Gerechtigkeit durch Umverteilung zu schaffen. Das machen wir, indem wir unten entlasten und oben stärker zulangen und so die Schere zwischen Arm und Reich ein Stück weit schließen.
    Das Zweite ist, dass wir einen massiven Investitionsstau in Deutschland haben. Es fehlt ja überall. In den Schulen muss man hingucken, sozialer Wohnraum ist Mangelware, unsere Straßen und Brücken bröckeln. Jeder und Jede, die da sagen würde, wir müssen nicht mehr investieren, hat die Augen nicht offen. An der Stelle muss ich deshalb sagen, wir brauchen einfach mehr Geld, um zu investieren. Mehr Geld, mehr Einnahmen, die sollte man sich da holen, wo massiv Geld vorhanden ist. Deshalb ist es richtig, die Erbschaftssteuer noch mal stärker anzuziehen. Deshalb ist es auch richtig, den Spitzensteuersatz und die Reichensteuer zu erhöhen.
    Kaess: Sie sprechen von der Schere zwischen Arm und Reich. Aber wie gerecht ist es denn, den Solidaritätszuschlag bei Einkommen bis 52.000 Euro im Jahr zu streichen, wenn es jetzt schon so ist, dass die oberen zehn Prozent der Spitzenverdiener schon mehr als die Hälfte der Einkommenssteuer zahlen?
    Uekermann: Ich finde das gerecht, wie gesagt, weil ich der Meinung bin, dass alle zum Gemeinwohl beitragen müssen und dass die, die viel haben, einfach mehr Verantwortung haben. Sie profitieren ja auch davon.
    Kaess: Also auch diejenigen, die ohnehin schon mehr dazu beitragen im Moment, die müssen noch mal mehr belastet werden?
    Uekermann: Ja! Die, die sehr, sehr viel haben, müssen mehr Verantwortung übernehmen, damit wir unser Gemeinwohl finanzieren können. Das finde ich gerecht. Die, die wenig haben, die müssen wir stärker unterstützen durch mehr Investitionen, weil es so nur gerechter zugeht in unserer Gesellschaft und wir den sozialen Ausgleich hinkriegen.
    "Wir müssen bei der Erbschaftssteuer nachsteuern"
    Kaess: Warum ist die SPD dann bei der Reform der Erbschaftssteuer hier so unkonkret geblieben? Da heißt es eigentlich nur, größere Erbschaften müssten höher besteuert werden, mehr nicht.
    Uekermann: Ich glaube, es ist auch schwierig, da noch mal ein komplettes Konzept im Konzept vorzulegen. Die Richtung ist aber klar, dass wir bei der Erbschaftssteuer nachsteuern müssen. Ich muss im Übrigen mal sagen: Bei der ganzen Kritik, die es jetzt schon wieder daran gibt, dass die SPD irgendwie unkonkret sei bei der Erbschaftssteuer, von denen möchte ich erst mal die Nachfragen an die Union haben. Die CDU hat bis jetzt überhaupt nichts vorgelegt und spricht nur darüber, dass die SPD ein massives Umverteilungsprogramm machen würde, was ich auch richtig finde. Aber da konkret habe ich noch nichts gehört. Vielleicht sollten so Fragen erst mal an die Union gestellt werden.
    Kaess: Die SPD prangert ja auch die Steuerflucht an. Warum hat die SPD es denn nicht geschafft, in all den Jahren in der Regierung etwas dagegen zu unternehmen?
    Uekermann: Sie wissen, dass es schwierig ist, wenn man selber nicht den Kanzler stellt und wenn man nicht den Finanzminister stellt, dann tatsächlich auch solche Vorhaben irgendwie voranzubringen.
    Kaess: Aber die SPD war ja immerhin Teil der Regierungskoalition.
    Uekermann: Ja! Aber da muss man einfach sagen, wenn die Union das blockiert, wenn Angela Merkel das blockiert, wenn Wolfgang Schäuble das blockiert, dann ist es einfach schwierig als Juniorpartner. Deswegen ist es ja so entscheidend, dass wir als SPD die Bundestagswahl gewinnen und dass wir tatsächlich auch die Regierungsführung haben, weil dann kann man nämlich solche Vorhaben auch wirksam angehen und muss sich nicht darauf verlassen, dass das Merkel oder Schäuble tun. Da würde ich mich im Übrigen auch nicht verlassen, weil da ist nämlich nichts passiert.
    Kaess: Johanna Uekermann – sie ist Bundesvorsitzende der Jungsozialisten, kurz der Jusos. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen.
    Uekermann: Gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.