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SPD und CDU
Ringen um Führung und Zukunft

Bei CDU und SPD wird die Diskussion um den Koalitionsvertrag mehr und mehr zu einer Personaldebatte. Während bei der SPD Forderungen nach einer Urwahl laut werden, verlangen Stimmen in der CDU nach einer sichtbaren Verjüngung des Bundeskabinetts. Stehen die Parteien vor einem historischen Prozess?

Von Stephan Detjen |
    Die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel geht am 11.02.2018 durch eine Glastür im Berliner ZDF-Studio.
    Angela Merkel vor ihrem Interview in der ZDF-Sendung "Berlin direkt" (dpa / Paul Zinken)
    Es herrscht nach den Beben der letzten Tage jetzt die Stille an der alten und der neuen Spitze der SPD. Martin Schulz und Andrea Nahles schweigen am Wochenende, zumindest öffentlich. Schon am Dienstag, so berichten Medien, könne in einer Präsidiumssitzung der Wechsel im Parteivorsitz kommissarisch vollzogen werden. Ein neuer Sonderparteitag - der dritte seit Anfang Dezember - müsste Andrea Nahles dann im Amt bestätigen. Schon aber kommen Forderungen der Parteilinken nach einer Urwahl.
    Olaf Scholz, noch Hamburger Bürgermeister, wahrscheinlicher Finanzminister in einer neuen GroKo übernimmt es am Sonntagabend im ARD Fernsehen, zu widersprechen: "Ich glaube, wir haben ein gutes, bewährtes Verfahren. Und das ist, dass auf Parteitagen Vorsitzende bestimmt werden."
    "Sehr gutes Ergebnis für die SPD"
    Es geht in diesen Tagen darum, die aufgewühlten GroKo-Parteien zur Ruhe zu bringen. Dazu wird dann auch gerne darauf verwiesen, dass der Erfolg der eigenen Seite sich am Ausmaß des Verdrusses auf der anderen ablesen lasse.
    "Ich werbe dafür, weil das ein sehr gutes Ergebnis ist. Man merkt das ja sogar an den Diskussionen, die bei CDU und CSU geführt werden, dass die SPD richtig was für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande erreicht hat."
    OIaf Scholz verweist damit auf das Wehklagen in der CDU über die Zugeständnisse bei der Ressortverteilung, mit der Angela Merkel am Mittwoch die Blockade bei den Koalitionsverhandlungen auflöste.
    Kritik der Kritiker
    Die Nachwuchsorganisation JU, ehemalige Widersacher wie Friedrich Merz oder die wirtschaftsliberale CDU-Mittelstandsvereinigung MIT prangern an, dass Merkel der SPD am Ende der letzten, langen Verhandlungsnacht das Bundesfinanzministerium überlassen habe. Andere aber, wie der junge schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther kritisieren inzwischen auch offen die Kritiker in den eigenen Reihen.
    "Wenn herausgehobene Funktionäre sich in einer solchen Art und Weise äußern, dann finde ich das schon mehr als befremdlich. Wenn die Mittelstandsvereinigung die Ressortverteilung kritisiert an einem Tag, wo zum ersten Mal seit Ludwig Erhard die CDU endlich den Wirtschaftsminister stellt, hätte ich mir schon auch gewünscht, darauf mal einen Fokus zu legen."
    Auch Günther gehört zugleich zu denen, die mit der Forderung nach einer sichtbaren Verjüngung des Bundeskabinetts Druck auf die Kanzlerin machen.
    Merkel äußert sich im ZDF
    Am Ende des Wochenendes reagiert Merkel im ZDF und kündigt an, die Kabinettsliste bis zum CDU-Sonderparteitag am 26. Februar, also noch vor dem Ende des SPD-Mitgliedervotums, bekanntzumachen.
    "Ja, sie wird zum Parteitag bekannt sein. Ich leg mich jetzt nicht auf den Tag fest, aber sie wird zum Parteitag bekannt sein. Und sie wird selbstverständlich auch versuchen, die Breite unserer Partei mit einzubeziehen. Da gehören Junge dazu. Aber da gehört genauso natürlich auch Erfahrung dazu. Und ich denke, dass wir da gute Lösungen finden."
    "CDU vor einem historischen Prozess"
    Längst allerdings geht es in der CDU nicht mehr allein um Minister- und Staatssekretärsposten in der einer neuen Großen Koalition. Der Kieler Regierungschef Günther, der selbst von vielen als einer der möglichen Hoffnungsträger einer Nach-Merkel-Ära in der CDU gesehen wird, spricht aus, was immer offener in der Partei diskutiert wird.
    "Ich glaube, dass die CDU im Moment vor einem historischen Prozess steht. Denn es ist ja noch nie gelungen, innerhalb einer Kanzlerschaft auch zu organisieren, dass eine Partei über die Zeit einer Kanzlerin hinaus auch eine Regierungsperspektive hat."
    An der Basis und von den Hinterbänken ihrer Bundestagsfraktion wird Merkel noch direkter angesprochen.
    "Ich gehe fest davon aus, dass sie weiß, wie die Partei tickt. Und sie kann erkennen, dass jeder auch das Verfallsdatum hat. Und ich erwarte deswegen, dass sie im Laufe der Legislaturperiode die Weichen stellt für eine geordnete Nachfolge."
    Olaf Gutting, CDU Bundestagsabgeordneter aus Baden-Württemberg, lässt im ARD Fernsehen noch offen, wie genau diese Weichenstellung aussehen könnte.
    Keine Spur von Selbstzweifeln
    In der FAZ dagegen meldet sich mit dem einstigen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch ein weiterer, ehemaliger Merkel-Antipode zu Wort und empfiehlt der Kanzlerin, in der Mitte der Wahlperiode den Parteivorsitz abzugeben.
    Merkel widerspricht prompt: "Dazu habe ich mich oft geäußert. Für mich gehören diese beiden Ämter in eine Hand, um auch eine stabile Regierung führen zu können."
    Im ZDF-Interview zeigt sich Merkel entschlossen und unangefochten. Die Kompromisse im Koalitionsvertrag seien nötig gewesen, um eine stabile Regierung zu bilden. Keine Spur von Selbstzweifeln.
    "Ich denke, dass ich voriges Jahr mich sehr geprüft habe, vor dem Wahlkampf und vor der Bundestagswahl. Und dass ich deshalb jetzt richtigerweise sage, dass ich jetzt vier Jahre machen möchte", sagt die Kanzlerin und fügt einen typischen Merkel-Satz hinzu: "Ich glaube schon, dass ich sehr reflektierend darüber mir das immer wieder anschaue. Und die vier Jahre sind jetzt das, was ich versprochen habe. Und ich gehöre zu den Menschen, die versprochenes auch einhalten."