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SPD und die Linke Sammlungsbewegung
"Für mich ist natürlich rot-rot-grün möglich"

Die Demokratische Linke 21 werbe für ein alternatives Gesellschaftsmodell von links, sagte SPD-Politikerin Hilde Mattheis im Dlf. Ein Zusammengehen mit Sahra Wagenknechts neuer Sammlungsbewegung "Aufstehen" sei denkbar: "Wir brauchen alle dafür, um ein anderes Gesellschaftsbündnis hinzubekommen".

Hilde Mattheis im Gespräch mit Martin Zagatta |
    Die SPD-Politikerin Hilde Mattheis.
    Will für ein neues Gesellschaftsmodell werben und dabei viele Kräfte - wie Kirchen, Gewerkschaften, Naturschutzverbände - "mitnehmen": Hilde Mattheis (imago)
    Martin Zagatta: Mit ihrer Sammlungsbewegung "Aufstehen" wirbt die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht ganz ausdrücklich auch um Unterstützung aus den Reihen der SPD, doch wie reagiert da jetzt der linke Flügel der Sozialdemokraten? Hilde Mattheis ist die Vorsitzende des Forums Demokratische Linke 21 - ist sie bereit da jetzt mitzumachen bei dieser Sammlungsbewegung?
    Hilde Mattheis: Na ja, ich beobachte das natürlich ziemlich interessiert, aber ich glaube, dass eine Sammlungsbewegung von oben nach unten keine Sammlungsbewegung ist, sondern, ich sag mal, bestenfalls eine Unterstützung eines politischen Ziels, dass da heißt, wir wollen ein anderes politisches Gesellschaftsmodell umsetzen, zum Beispiel rot-rot-grün.
    "Wenn wir uns auf diesem Weg treffen, ist das wunderbar"
    Zagatta: Jetzt hat ihr Forum Demokratische Linke 21 ja auch ausdrücklich zum Ziel, für Mehrheiten für linke Politik zu kämpfen. Und da heißt es bei Ihnen, innerhalb und außerhalb der SPD, also über Parteigrenzen hinweg. Das ist doch ziemlich genau das, was Frau Wagenknecht jetzt auch will.
    Mattheis: Aber sicher. Also wenn wir uns dann irgendwann auf diesem Weg treffen, ist das wunderbar. Aber ich glaube, dass Sammlungsbewegungen Bewegungen sind, die sich von unten entwickeln müssen. Von daher, wir werben um diese politische Zustimmung für ein anderes alternatives, reformatorisches Gesellschaftsmodell von links. Und ich glaube fest daran, dass wir in der Gesellschaft eine Mehrheit dafür bekommen. Frau Wagenknecht sagt ja auch, dass sie dafür wirbt, dass die SPD stärker wird. Das finde ich klasse; ich tue es in der SPD, damit wir wieder eine Politik nach außen darstellen, glaubwürdig und transparent, die einfach auch dieses Thema Gerechtigkeit im Fokus hat und eine klare Abkehr von allen neoliberalen Tendenzen beinhaltet. Dafür werben wir als Forum Demokratische Linke.
    Zagatta: Aber jeder für sich allein, auch die Linke in der SPD, die SPD - Sie sind da ja nicht sehr erfolgreich. Sollte man sich nicht doch ein bisschen zusammentun und - Sie sagen, Sie werben dafür - können Sie sich eine Zusammenarbeit mit Frau Wagenknecht in dem Punkt vorstellen?
    Mattheis: Wir werben dafür als Forum Demokratische Linke, dass wir in der SPD diesen Erneuerungsprozess sehr massiv unterstützen. Wir werben dafür, dass wir mit vielen Kräften, den Kirchen, den Wohlfahrtsverbänden, den Naturschutzverbänden, den Gewerkschaften uns auf einen gesellschaftlichen Weg machen. Und wenn wir an irgendeiner Wegstrecke uns treffen und sagen, da können wir jetzt gemeinsam laufen und weiter werben, dann ist das völlig in Ordnung. Aber im Moment glaube ich, dass es eher überzeugend gewesen wäre, in der letzten Legislatur, wo wir drei Stimmen im Parlament mehr hatten, diese zu nutzen. Also, ich sag mal, ich schaue mir das interessiert an, glaube, dass es wichtig ist, viele Organisationen, die ja inhaltlich mit uns zusammen etwas verändern wollen, mitzunehmen, das ist mein Bestreben.
    Zagatta: Ist die Linke für sie bündnisfähig, Sie haben ja jetzt diese drei Stimmen angesprochen, das ist ja daran gescheitert, dass niemand in der SPD oder dass die SPD mehrheitlich nicht mit der Linke sich zusammentun wollte.
    Mattheis: Ja, stopp.
    Zagatta: Für Sie ist das möglich?
    Mattheis: Ja, stopp. Für mich ist natürlich rot-rot-grün möglich. Aber schon allein, dass die Linke ja nicht gesammelt in dieser Sammlungsbewegung ist, zeigt ja, dass man das viel weiter nehmen muss. Und auch meine SPD ist ja durchaus eine, die nicht nur links tickt, sondern wo es eben auch andere Strömungen gibt. Wir brauchen alle dafür, um ein anderes Gesellschaftsbündnis hinzubekommen und eine andere Politik. Und dafür werben wir von unten nach oben. Und das, finde ich, ist schon ein ziemlicher Anspruch, den man da haben muss, aber der nicht unrealistisch ist. Von daher, ich glaube, dass auch, worauf sich auch die Sammlungsbewegung bezieht, Momentum und Labour etwas gezeigt haben, was ja durchaus diesen Anspruch in bestehenden Parteien ein anderes Bündnis mit anderen Parteien hinzubekommen, dass das etwas ist, wo wir nicht von Abstand nehmen sollten. Es heißt jetzt, man ist nicht mehr bestrebt aus dieser Sammlungsbewegung eine eigene Partei zu machen - das ist ja schon mal ein Anfang, finde ich.
    Zagatta: Frau Mattheis, Sie haben vorhin auch von Erneuerung gesprochen, Sie weisen jetzt auf die Rolle der Parteien hin. Aber wenn man jetzt sieht, dass die SPD beispielsweise bei der anstehenden Bayern-Wahl auf 12 Prozent zuläuft ...
    Mattheis: Ja, das macht einen traurig.
    "Zersplitterung macht die Linke nicht stärker"
    Zagatta: Wie wollen Sie dann noch linke Politik durchsetzen?
    Mattheis: Ja, aber dadurch, dass man sich selber zersplittert, wird man ja nicht stärker. Das muss man immer wissen. Eine Zersplitterung von linken Parteien macht die linken Parteien nicht stärker, sondern, ich glaube, man muss die Stärke von innen nach außen senden, und wenn dann andere Bündnispartner mitgenommen werden können und sich auch angesprochen fühlen, dann ist das eine Bewegung, die zum Erfolg führen kann.
    Zagatta: Sie sprechen von Erfolg, die SPD steht jetzt bei 18 Prozent. Was läuft da schief?
    Mattheis: Da läuft schief, dass wir uns immer noch nicht von der Agenda2010 verabschiedet haben, dass noch nicht eine klare Aussage getroffen worden ist, wir machen eine Abkehr. Wir haben eine Entscheidung gehabt ...
    Zagatta: Da müssen Sie raus aus der Regierung.
    Mattheis: Ja. Wir haben eine Gesamtentscheidung gehabt, in die Große Koalition zu gehen. Das war nicht unser Ziel als Demokratische Linke. Wir wollten unseren Erneuerungsprozess außerhalb einer Großen Koalition glaubwürdig vollziehen. Jetzt haben wir eine Große Koalition und ich finde, da muss man dann einfach auch mit sehr viel Kraft - das kostet mehr Kraft, als außerhalb einer Regierung - klarmachen, wir wollen eine Reform von Hartz IV, wir wollen in ein Sicherungssystem, das solidarischer ist, weiter ausgebaut wird, wir wollen ein Rentensystem, das mindestens 50 Prozent Rentenniveau hat und, und, und. Wir wollen eine Flüchtlingspolitik, die nicht eine Abschottung ist, sondern den Menschen hilft.
    "Wir wollen zu einer Glaubwürdigkeit zurück"
    Zagatta: Aber das macht doch die Bundesregierung.
    Mattheis: Alles das muss klar sein. Ja, das macht einen ja auch wirklich fast verzweifelt, trotzdem muss man in dieser Partei die Reformen anstoßen und nicht sich wieder, sag ich mal, in eine Zersplitterung begeben.
    Zagatta: Wenn Sie von Reformen sprechen, wenn Sie von Erneuerung sprechen, wenn Sie von Aufbruch sprechen, die SPD müsse Vertrauen zurückgewinnen. Das ist ja das, was wir jetzt fast jeden Tag aus den Reihen der SPD hören - und dann gleichzeitig heißt es, Martin Schulz will jetzt wieder EU-Kommissar werden, wie passt denn so etwas zusammen?
    Mattheis: Das passt nach außen hin überhaupt nicht zusammen, das passt gar nicht zusammen. Ich glaube, dass diese Partei, unsere SPD, die uns ja, sag ich mal, nicht nur im Rückblick vieles, vieles an gesellschaftlichen Reformprozessen angestoßen hat, wieder zu einer alten Partei, nicht im Sinne von altmodisch, sondern nach vorne gewandt, werden muss, die wirklich auch für die Menschen etwas erreicht. Und mit solchen Geschichten bestätigen wir nur sämtliche Vorurteile, die man im Moment hat - übrigens gegenüber fast allen etablierten Parteien -, das ist wirklich sehr schwierig und von daher, glaube ich, ist es ein wichtiges Ziel, das wir haben müssen innerhalb der SPD, zu sagen, wir wollen zu einer Glaubwürdigkeit zurück dadurch, dass wir auch tun, was wir sagen.
    Zagatta: Also Martin Schulz als EU-Kommissar ginge gar nicht?
    Mattheis: Also sagen wir mal so, ich finde, es ist kein guter, es ist keine gute Botschaft.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.