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SPD-Vize Schäfer-Gümbel
"Wir werden sicherlich schwierige Verhandlungen bekommen"

SPD-Politiker Thorsten Schäfer-Gümbel warnte die CSU davor, die anstehenden Verhandlungen durch Polemik zu belasten. "Mit wechselseitigen Drohungen wird man keine neue Basis schaffen", sagte Schäfer-Gümbel im Dlf. Es gehe um viel, was jetzt konkretisiert werden müsse.

Thorsten Schäfer-Gümbel im Gespräch mit Silvia Engels |
    Thorsten Schäfer-Gümbel, stellvertretender Bundesvorsitzender und hessischer Landesvorsitzender der SPD, spricht am 16.12.2017 in Erfurt (Thüringen) beim außerordentlichen Landesparteitag der SPD. Die Sozialdemokraten wollen sich mit der gestoppten Kreisreform in Thüringen sowie der Regierungsbildung in Berlin beschäftigen.t
    Thorsten Schäfer-Gümbel, stellvertretender Bundesvorsitzender und hessischer Landesvorsitzender der SPD (picture alliance / dpa / Michael Reichel)
    Thorsten Schäfer-Gümbel, Landesvorsitzender der SPD Hessen, warnte die CSU, die anstehenden Verhandlungen mit Falschbehauptungen zu belasten. Er gehe davon aus, dass man auf Grundlage des SPD-Abstimmungsergebnisses vom gestrigen Sonderparteitag verhandele. Gleichzeitig warnte er die CSU, die anstehenden Verhandlungen mit Falschbehauptungen zu belasten. "Mit wechselseitigen Drohungen wird man keine neue Basis schaffen." Eine neue Vertrauensbasis könne nur dann aufgebaut werden, wenn die Polemik der CSU endlich aufhöre.
    Klar sei auch, dass die SPD versuchen werde, in den Koalitionsverhandlungen ihre Positionen noch stärker durchzusetzen. Wenn es kein überzeugendes Ergebnis gebe, dann werde die nächste Runde schwierig, stellte Schäfer-Gümbel klar. "Die SPD ist ausdrücklich der Meinung, dass man Zuwanderung steuern und regeln muss." Auf dem Parteitag habe man außerdem beschlossen, für das humanitäre Problem des Familiennachzugs eine Lösung zu finden.

    Das vollständige Interview:
    Silvia Engels: Am Telefon ist nun Thorsten Schäfer-Gümbel, SPD-Landeschef von Hessen, auch der Spitzenkandidat seiner Partei für die bevorstehende Landtagswahl. Guten Morgen, Herr Schäfer-Gümbel.
    Thorsten Schäfer-Gümbel: Schönen guten Morgen.
    Engels: Sie waren ja gestern in Bonn dabei. Hatten Sie zwischendurch mal das Gefühl, das geht gegen den Parteivorstand aus?
    Schäfer-Gümbel: Wir haben eine extrem lebendige Debatte gestern erlebt und ich muss gestehen, ich fand das auch einen Höhepunkt in der innerparteilichen Demokratie, in der Art und Weise, wie dort leidenschaftlich mit wechselseitig klugen Argumenten argumentiert wurde. Und es war auch emotional ein Auf und Ab, weil man erlebte die eine oder andere Stimmung. Aber am Ende ist es gut ausgegangen und das reicht jetzt erst mal.
    Erwartungen teilweise "exorbitant hoch"
    Engels: Viele Beobachter haben ja gesagt, eigentlich hat die stärkste Rede der Befürworter einer GroKo Andrea Nahles gehalten, nicht der Parteichef. Schwächt das Martin Schulz?
    Schäfer-Gümbel: Ich glaube nicht, dass es gestern um Haltungsnoten ging, sondern es ist doch offensichtlich, dass der Druck auf allen enorm hoch war, weil die Erwartungen teilweise in der Partei, aber auch öffentlich exorbitant hoch waren. Wir haben gestern viele kluge Reden gehört, laute und leise, und ich finde, dass es heute nicht ansteht, jetzt noch mal nachträglich Haltungsnoten zu geben. Zumindest ist das nicht mein Job.
    Engels: Am Ende waren es 56 Prozent Zustimmung auf dem Parteitag. Aber immerhin 43 Prozent der Delegierten lehnten es ab, in Koalitionsverhandlungen mit der Union einzutreten. Können Sie auf dieser Grundlage überhaupt mit Gewicht verhandeln?
    Schäfer-Gümbel: Klar!
    CSU sollte aufhören "mit Falschbehauptungen"
    Engels: Drehen wir es anders herum. Werden Sie immer mit einem möglichen Nein der SPD-Basis drohen, wenn die Union nicht macht, was sie will?
    Schäfer-Gümbel: Nein. Koalitionsverhandlungen, in die wir jetzt eintreten, funktionieren ja nicht auf der Grundlage wechselseitiger Drohungen. Im Übrigen funktionieren sie auch nicht auf der Grundlage von Falschbehauptungen wie der von Herrn Herrmann. Die SPD ist ausdrücklich der Auffassung, dass man Zuwanderung steuern und regeln muss. Es geht in dem, was der Parteitag beschlossen hat, darum, eine humanitäre Lösung zu finden für das Thema des Familiennachzugs für eine bestimmte Gruppe. Das ist etwas, was ein Anliegen ist, auch, um die Integration zu verbessern, und insofern sollten wir jetzt vielleicht mal aufhören, wechselseitig, insbesondere aber auch aus der bayerischen CSU mit wirklich Falschbehauptungen da jetzt in die Verhandlungen zu gehen. Mit wechselseitigen Drohungen wird man sicherlich keine neue Basis schaffen.
    "Es gibt immer zwei Möglichkeiten"
    Engels: In der ""FAZ"-Sonntagszeitung war zu lesen, Sie seien persönlich nach den Sondierungsgesprächen über das polemische und kompromisslose Auftreten der CSU-Politiker Scheuer und Dobrindt befremdet gewesen. Können Sie mit diesen Kollegen weiterverhandeln?
    Schäfer-Gümbel: Wissen Sie, wenn es schwierig wird, gibt es immer zwei Möglichkeiten. Man kann sich zurückziehen und sich denken, lass es laufen, oder man versucht, sich da richtig reinzuwühlen und Lösungen zu finden. Ich war noch nie jemand, der auch schwierigen Situationen aus dem Weg gegangen ist, zumal es nichts hilft. Wenn man nämlich sich da zurückzieht, überlässt man solchen Leuten das Land und die Politik. Und ehrlich gesagt: Das ist das Schlimmste, was passieren kann.
    "Versuchen, stärker unsere Positionen durchzusetzen"
    Engels: Sie wollen es möglichst konkret besprechen. Die CSU hat die Forderung des SPD-Parteitages zurückgewiesen, beim Flüchtlingsnachzug neben den vereinbarten tausend Nachziehenden pro Monat auch Härtefallregelungen zuzulassen. Wo sehen Sie da Möglichkeiten zusammenzukommen?
    Schäfer-Gümbel: Das werden jetzt die Verhandlungen zeigen. Es muss jedem klar sein, dass wir in dieser zweiten Halbzeit der Koalitionsverhandlungen – und die erste Halbzeit waren die Sondierungen – versuchen werden, stärker unsere Positionen durchzusetzen. Da gab es ja auch viel kritische Anmerkungen in der letzten Woche zu den Sondierungsergebnissen. Ich fand, dass das häufig zu stark auf den weißen Flecken war und zu wenig bei dem, was wir erreicht haben. Aber natürlich gibt es diese weißen Flecken und da wollen wir Veränderungen. Jetzt werden wir sehen, was bei diesen Verhandlungen herauskommt.
    Vertrauensbrüche "nicht mehr sanktionsfrei"
    Engels: Vor einer guten Stunde hatten wir den sächsischen Ministerpräsidenten Kretschmer hier im Interview. Da war ein wenig herauszuhören, dass er bei den anderen Forderungen, die die SPD ja aufgemacht hat, nicht mehr so viele befristete Arbeitsverträge und Nachbesserungen beim Gesundheitssystem, durchaus gewillt ist zu sprechen. Wird das die Linie am Ende sein, bei den beiden Punkten kriegt die SPD noch etwas dazu, aber beim Flüchtlingsnachzug bleibt es hart?
    Schäfer-Gümbel: Ich bitte um Verständnis. Ich kann das verstehen, dass Sie Fragen heute so stellen. Aber es wäre auch aus verhandlungstaktischen Gründen nicht klug, jeden einzelnen Punkt, wo mögliche Auflösungen sein können, jetzt schon öffentlich zu besprechen. Wir werden sicherlich ganz schwierige Verhandlungen kriegen. Das Sondierungspapier hat 28 Seiten. Der letzte Koalitionsvertrag weit über 100. Das heißt, es geht nicht nur um diese drei Punkte. Es geht um ziemlich viel, was jetzt konkretisiert werden muss aus den Sondierungen, wo es Verabredungen geben muss, wo erkennbar sein muss, dass es kein "weiter so" aus der letzten Periode gibt, wo klar ist, dass Vertrauensbrüche wie in der letzten Periode, indem nämlich Vereinbarungen nicht eingehalten wurden, dass das nicht mehr sanktionsfrei ist. All diese Punkte werden wir jetzt zu besprechen haben. Wie das ausgeht, kann ich Ihnen heute nicht sagen. Aber ich kann Ihnen sagen: Wenn kein überzeugendes Ergebnis herauskommt, dann wird es ganz sicherlich in der nächsten Runde schwierig.
    "Der Weg ist schon noch ein steiniger"
    Engels: Dann wird es in der nächsten Runde schwierig. Können Sie sich auch vorstellen, dass man von sich aus aufsteht und sagt, nein, wir reden nicht mehr weiter? Oder werden Sie auf jeden Fall ein Ergebnis verhandeln, was Sie dann der Basis vorlegen?
    Schäfer-Gümbel: Das werden die Gespräche zeigen. Wir werden sehen, ob wir ein überzeugendes Ergebnis herausbekommen oder nicht. Das kann ich Ihnen heute nicht sagen. Das Ziel ist, dass wir erfolgreich verhandeln. Wir sind nicht ins Scheitern verliebt, sondern in den Erfolg. Aber der Weg ist schon noch ein steiniger. Das hat der Parteitag gestern sehr deutlich gezeigt. Das hat der Beschluss, der ja auf gemeinsamer Initiative von Nordrhein-Westfalen und Hessen zustande gekommen ist, gezeigt. Und ich glaube, dass es ohne diese Instrumente auch gestern noch deutlich schwieriger geworden wäre.
    Polemiken "von einigen aus der CSU nicht mehr vorkommen"
    Engels: Nehmen wir an, am Ende kommt eine Große Koalition noch mal zustande, wie tragfähig kann die sein, wenn schon zu Beginn die SPD-Zweifel so groß sind? Endet das nach zwei Jahren?
    Schäfer-Gümbel: Das ist alles Spekulatius. Der entscheidende Punkt ist, gibt es gute Ergebnisse in der Koalition, gibt es eine neue Vertrauensbasis. Das werden diese Verhandlungen jetzt zeigen müssen. Dazu gehört wie gesagt, dass solche Falschbehauptungen wie die von Herrn Herrmann nicht mehr im Raum stehen, dass auch solche Polemiken, wie wir sie in der letzten Woche erlebt haben, von einigen aus der CSU nicht mehr vorkommen. Das wird Gespräche definitiv schwieriger machen. Im Übrigen sind das allerdings ja auch alles Punkte, die ja eher auf die eigenen zielen mit Blick auf die enormen Konflikte und Spannungen innerhalb der Unions-Familie.
    "Thema Vertrauenskrise beschäftigt uns auch intern"
    Engels: Sie haben mehrfach das Wort von der Vertrauensbasis angesprochen, die aufgebaut werden muss. Gestern auf dem SPD-Parteitag war allerdings auch viel in die Vertrauensbasis, der Basis gegenüber der SPD-Führung der Rede. Wie sehr müssen Sie auch da nachbessern?
    Schäfer-Gümbel: Ganz entschieden! Ich rede selber seit langem über die Vertrauenskrise, die sich an verschiedenen Stellen festgemacht hat in der Vergangenheit. Michael Groschek hat gestern den Satz formuliert, dass die SPD beispielsweise kein Spielplatz für Platzhirsche sein darf, sondern dass es darum geht, jetzt uns für die Zukunft aufzustellen. Deswegen wird diese Frage der Erneuerung, die eine inhaltliche, eine organisatorische und personelle ist, eine sein müssen, die wir mit großer Energie angehen. Viele haben eine gewisse Skepsis, dass wir angesichts einer schwierigen Regierungsbildung gleichzeitig Kraft und Zeit haben, diesen Erneuerungsprozess durchzustehen und durchzuorganisieren und er damit möglicherweise droht, unter die Räder zu kommen. Um das zu verhindern, haben wir uns gestern auf dem Parteitag ja auch entschieden, einen Fahrplan dazu festzulegen. Den haben wir beschlossen und deswegen bin ich optimistisch, dass wir das hinbekommen. Aber dieses Thema spielt für uns intern eine immense Rolle, weil das Problem der letzten Wochen und Monate ist keines der Basis, sondern der schwierigen politischen Situation auch mit dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen. Wir hatten für uns einen anderen Weg vorgesehen nach dieser bitteren Wahlniederlage und den können wir mit Blick auf die politische Situation so nicht gehen. Das löst aber Irritationen aus. Die verstehe ich auch gut. Deswegen ist das Thema Vertrauenskrise eines, das auch uns intern beschäftigt.
    "Nun fürchten wir Neuwahlen grundsätzlich nicht"
    Engels: Sie haben es angedeutet. Sie haben ja auch persönlich seit Herbst einige Positionswechsel hinter sich. Erst haben Sie im Parteivorstand mitgetragen, streng für die Oppositionsrolle zu sein, dann wieder nicht. Dann waren Sie für die Tolerierung einer Minderheitsregierung, dann wieder nicht. Und nun soll es doch Richtung GroKo gehen. Wie sehr erleben Sie, dass das Ihrer eigenen Glaubwürdigkeit schadet?
    Schäfer-Gümbel: Das geht für niemanden ohne Kratzer davon, weil natürlich die Intensität auch der politischen Gespräche so ist, die wir unter anderem in der Führung haben und wo wir als hauptberufliche Politiker mit Verantwortung auch im Bund ja sehr viel Zeit miteinander haben, uns auf die tagespolitischen Notwendigkeiten einzustellen. Deswegen kommen manchmal Dinge sehr viel schneller, sehr viel entschiedener, als das für viele andere sich wiederspiegelt. Deswegen kommt es zu solchen Positionswechseln angesichts einer politischen Situation, und das kann ich leider nicht ersparen, die wir nicht verursacht haben. Wir haben nach der Wahl entschieden, wir gehen in die Opposition, weil wir aus dem Wahlergebnis nur diesen Auftrag ablesen konnten.
    Wir haben dann die Situation erlebt, dass diejenigen, die vor der Bundestagswahl so heftig miteinander geflirtet haben, dass völlig klar war, dass sie es auf jeden Fall miteinander machen wollen, nach sechs Wochen Sondierung nichts, aber auch gar nichts hinbekommen haben. Und mit dieser Situation müssen auch wir umgehen. Wir hätten uns auch eine Minderheitenregierung vorstellen können auf der Grundlage eines Tolerierungsvertrages. Das habe ich immer wieder gesagt. Wir müssen allerdings feststellen, dass die Union an dieser Stelle völlig bockig war und gesagt hat, dass sie das nicht tut, und deswegen war die Alternative, vor der wir jetzt stehen, Neuwahl oder Verhandlungen über eine Große Koalition. Nun fürchten wir Neuwahlen grundsätzlich nicht. Aber wir nehmen natürlich auch zur Kenntnis, dass Neuwahlen im Moment niemand will.
    "Das Spannungsverhältnis, das alle bewegt"
    Engels: Erleben Sie denn persönlich im Gespräch mit der SPD-Basis und den Wählern, dass diese Positionswechsel Ihnen angekreidet werden?
    Schäfer-Gümbel: Natürlich löst das Diskussionen aus. Allerdings will ich auch sagen, dass die Briefe, die mich in den letzten Tagen erreicht haben, sich im Laufe der letzten Woche deutlich verändert haben – von einem sehr entschiedenen und resoluten Nein hin zu einem "jetzt bildet endlich eine stabile Regierung und lasst euch auf diesen Weg ein". Das heißt, auch in der Bevölkerung und in der Partei verändern sich ja Positionen, weil niemand ist frei von den Argumenten, die von außen kommen, weil jeder miteinander diskutiert. Es gab beispielsweise am Freitag einen netten Beitrag im Mittagsmagazin. Da ist in der Hochburg Hessens der Sozialdemokraten ein Beitrag gelaufen, wo viele Bürgerinnen und Bürger gesagt haben, wir sollen uns jetzt bewegen, während die Position des Mitglieds war, es nicht zu tun. Da sehen Sie das Spannungsverhältnis, das alle bewegt, und natürlich transportiert sich das auch in allen Gesprächen.
    "Wie wir uns aufstellen, entscheiden wir später"
    Engels: Stichwort Vertrauensbildung. Hätten Sie Martin Schulz geraten, auf dem Parteitag deutlich zu machen, dass er bei seiner Ursprungshaltung bleibt, nicht in ein Kabinett Merkel einzutreten?
    Schäfer-Gümbel: Sehen Sie, ich erteile keine Haltungsnoten, schon gar nicht bei Kolleginnen und Kollegen. Das hat bisher keine Rolle gespielt. Und wie wir uns aufstellen, das entscheiden wir zu einem späteren Zeitpunkt.
    Engels: Ihre Einschätzung: Kommt die GroKo?
    Schäfer-Gümbel: Wenn wir ein gutes Verhandlungsergebnis haben, ja.
    Engels: Thorsten Schäfer-Gümbel war das. Er ist der Vorsitzende der SPD in Hessen und stellvertretender Bundesvorsitzender. Danke für das Gespräch.
    Schäfer-Gümbel: Herzlichen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.