"Ich grüße Sie im Namen der Aktion für mehr Demokratie. Wir sind eine Bürgerinitiative, der SPD verbunden, kritisch verbunden."
Berlin Mitte, vergangene Woche, Klaus Staeck startet einen Wahlaufruf für Martin Schulz. Der langjährige Präsident der Akademie der Künste sitzt in der Ständigen Vertretung, Politikkneipe, Sozi-Treffpunkt. Über ihm hängen schwarz-weiß Fotos von Willy Brandt, Erinnerung an goldene SPD-Jahre.
"Sie merken an mir meine freudige Erregtheit. Mir hat Wahlkampf immer große Freude gemacht!"
Schon für Willy Brandt Karikaturen gezeichnet
Staeck geht auf die 80 zu, anzumerken ist es ihm nicht. Er hat schon für Brandt Karikaturen gezeichnet, jetzt ist Schulz. Auch für Sebastian Krumbiegel, geboren in Leipzig. Der Sänger der Band Die Prinzen, ist ein wenig gefrustet, wieder einmal könnte Angela Merkel die Meriten für sozialdemokratische Politik einfahren, meint er und lacht, ja irgendwie, wie im Prinzen-Hit, "alles nur geklaut".
"Ja, ja, heyho, heyho. Innerhalb der Koalition hat natürlich die SPD für Dinge gekämpft, für Mindestlohn, für Ehe für alle, und dass sie dann am Ende sagt, guckt mal her, hey Leute, ich bin die Chefin, das ist auf meinem Mist gewachsen, das ist das, was nicht hinhaut!"
"Da läuft was gut, also setzen wir uns drauf, das versteht sie fantastisch!"
"Bitte begrüßen Sie mit mir den Parteivorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und den nächsten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland: Martin Schulz!
Die "Martin Schulz live"- Tour. Stopp in Braunschweig.
Martin Schulz: "Es ist schön, bei Ihnen zu sein!"
1.500 Menschen sind da, die Hälft ist unter 30
Eine Entpolitisierung hatte er Merkel vorgeworfen, von einem Anschlag auf die Demokratie gesprochen, weil sie die inhaltliche Auseinandersetzung mit der SPD scheue. Dass sie ein zweites TV-Duell ablehne, spräche doch Bände.
"Liebe Frau Merkel! Wann immer sie wollen, zu Wasser, zu Lande und in der Luft, bei Tag und bei Nacht: Ich stehe Ihnen zur Verfügung! Das deutsche Volk hat ein Recht darauf zu wissen, was Angela Merkel für die Zukunft zu sagen hat!"
Carola Reimann nickt, die örtliche Bundestagsabgeordnete steht unten vor der Bühne, auf der ihr Parteichef gerade auch für ihre Wiederwahl wirbt. 1.500 Menschen sind gekommen, geschätzt die Hälfte unter 30.
"Das ist auch etwas, was Martin Schulz auszeichnet. Wenn wir sonst Veranstaltungen haben, kommt eher so ein mittelaltes Publikum. Die Senioren kommen natürlich."
Ein Erstwähler ist ganz begeistert: "Seit dem TV-Duell weiß ich wen ich wähle!" - "Großer Fan! - Was ist das Anziehende an Martin Schulz? -" Sein Auftreten, wie er sich zur Türkei geäußert hat, im Vergleich zu Merkel will er ja Taten folgen lassen!"
Doch auch unter den jungen Wählern in Braunschweig finden sich Merkel-Anhänger.
"Ich finde persönlich Angela Merkel besser, diese ruhige Art, wie sie die Sachen händelt um einiges besser!"
Die Abgeordnete Reimann setzt wie Schulz auf die 40 Prozent der Unentschlossenen. "Auf einen Kaffee mit Carola" lautet ihr Format, da begegnet sie genau diesen Menschen.
"Leute, die auch kommen und sagen: Ich wackele noch zwischen Grün und Rot. Da glaube ich schon, dass die Umfragen das auch widerspiegeln, dass diese Unentschlossenheit noch da ist!"
Auf sie setzt auch Annegret Ihbe, die 65jährige ist niedersächsische Delegierte bei SPD-Parteitagen, hat mal für das Europaparlament kandidiert.
"Darauf setze ich auch, auf die Unentschlossenen, die noch schwanken!"
Ein Wunder - oder doch wieder Groko?
Und wenn alles doch nichts hilft? Doch wieder Groko unter Merkel? Annegret Ihbe verdreht die Augen. 2013 hat sie beim Mitgliedervotum dafür gestimmt, aber diesmal?
"Wir machen gute Bundespolitik, aber es wird letztendlich der CDU zugeschrieben, ich habe da Bauchschmerzen!"
In der Ständigen Vertretung in Berlin macht sich unterdessen Klaus Staeck Mut und greift tief in die Fußball-Geschichte.
"Sollte das Wunder von Berlin - von Berlin - passieren, dass sie stärkste Fraktion werden? Also bei so viel Unentschiedenen: Möglich ist alles!"
Mit der Union ja, aber nicht unter Merkel, soll das heißen. Friedrich Schorlemmer, einst DDR-Bürgerrechtler, heute Schulz-Unterstützer stimmt zu.
"Keine Große Koalition! Das ist das Ende der SPD!"
Ob Martin Schulz diesen Rat am Sonntagabend beherzigen muss? Noch jedenfalls will sich der Merkel-Herausforderer damit nicht beschäftigen:
"Meinetwegen lasst die anderen die Meinungsumfragen gewinnen, ist mir schei … Tschuldigung… ist mir egal! Ich kämpfe bis zur letzten Sekunde um jede Wählerin und jeden Wähler!