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SPD zu Asylkompromiss
"Transitzentren höhlen unser Asylrecht weiter aus"

Die SPD-Politikerin Hilde Mattheis ist der Ansicht, die SPD müsse sich gegen die von der Union vereinbarten Transitzentren an den Grenzen stellen. Allerdings habe ihre Partei mit der Debatte über den Unionskompromiss gerade erst begonnen und müsse die Vorschläge noch prüfen, sagte sie im Dlf.

Hilde Mattheis im Gespräch mit Christine Heuer |
    Die SPD-Politikerin Hilde Mattheis.
    Hilde Mattheis gehört in der SPD zu den Parteilinken (imago)
    Christine Heuer: Am Telefon ist Hilde Mattheis, Bundestagsabgeordnete der SPD. Sie gehört dort zur Parteilinken. Guten Tag, Frau Mattheis.
    Hilde Mattheis: Guten Tag.
    Heuer: Was sagen Sie denn persönlich? Gehen die Transitzentren für Sie in Ordnung?
    Mattheis: Nein. Ich glaube, dagegen muss man sich massiv wehren. Weil Transitzentren sind ähnlich wie beim Flughafenverfahren rechtsfreie Räume. Und ich glaube, in unserer Zeit und mit unserem Bewusstsein als Sozialdemokratie darf man das nicht hinnehmen.
    Heuer: Es macht aber nicht den Eindruck, als wolle die Parteispitze der SPD sich massiv wehren.
    Mattheis: Na gut. Wir haben heute Morgen vereinbart, dass wir die Dinge noch mal klären, dass auch weitere Fragen noch im Prinzip beantwortet werden müssen. Aber ich persönlich halte an der grundsätzlichen Linie fest, dass Transitzentren, egal wie sie dann heißen mögen, aus meiner Sicht nicht gehen und unser Asylrecht weiter aushöhlen.
    Heuer: Da sind Sie aber wahrscheinlich in der Minderheit. Am Ende wird die SPD Ja sagen, oder?
    Mattheis: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich werbe dafür.
    Heuer: Befürchten Sie das nicht?
    Mattheis: Wir haben heute Morgen erst mit der Debatte begonnen und ich werbe dafür, dass diese Argumente, die wir alle auch noch mal, die sich links verorten in der Partei, hier auch austauschen, dass diese auch weit gehört werden. Ich kann da nur mit Argumenten kommunizieren. Das finde ich in der Situation das einzig richtige und das werden wir auch tun.
    "SPD nicht in Mithaftung nehmen"
    Heuer: Aber, Frau Mattheis, man merkt es ja jetzt schon. Führende Sozialdemokraten fallen ja bereits um. Frau Nahles stört sich vor allem am Begriff Transitzentren, hat sie gesagt. Dann ist die Rede davon, es gehe heute um andere Gruppen und andere Größenordnungen als noch 2015. Da wird das Einknicken doch schon vorbereitet.
    Mattheis: Aber das wäre ja furchtbar. Ich muss Ihnen sagen, ich wehre mich dagegen, dass man jetzt schon wieder die SPD da in Mithaftung nimmt. Ich glaube, dass man jetzt auch noch mal klären muss oder klar sagen muss, dass die Unionsfraktionen uns in diese Situation gebracht haben, und ich finde, die SPD als Sozialdemokratische Partei hat bisher eine klare Haltung gehabt, und die muss sie beibehalten. Und ich lasse mich da auch nicht durch, sage ich mal, Eindrücke unterschiedlichster Art in dieser Haltung beirren.
    Heuer: Aber der Streit zwischen der CDU und der CSU, der war so heftig. Wenn die SPD jetzt Nein sagt zu diesem Ergebnis, dann ist doch die Regierung auch Geschichte.
    Mattheis: Aber wie sollten wir als dritte Kraft in der Großen Koalition, warum sollten wir jetzt im Prinzip das im Prinzip entlasten, was die Belastung durch die Unionsfraktionen uns aufgebürdet hat.
    Heuer: Damit Deutschland eine stabile Regierung behält.
    Mattheis: Ja! Wir haben einen Koalitionsvertrag. Das ist die Stabilität, auf die wir setzen müssen. Und dieser Koalitionsvertrag sagt nichts über Transitzentren.
    Heuer: Aber das würde heißen, die SPD kippt den Horst und kippt die Regierung, wenn Sie tatsächlich Nein sagen.
    Mattheis: Ich sage mal, Horst ist mir in dem Fall, muss ich Ihnen wirklich sagen, Horst kann seinen Egotrip machen wo er will, das ist mir relativ egal. Ich finde, es ist wirklich sehr schwierig, eine seriöse Politik zu kommunizieren, wenn die geleitet ist von irgendwelchen Egotrips einzelner Leute. Das ist wirklich schwierig. Und das ist auch nichts, was die Glaubwürdigkeit von Politik unterstützt, sondern eher aushöhlt. Von daher muss ich Ihnen sagen: Ich verlasse mich auf Argumente und ich möchte die Argumente nicht nur abwägen, austauschen, sondern dann im Prinzip auch so kommunizieren, dass andere da auch noch überzeugt werden können. Und ich glaube, dass man da an der Stelle als SPD auch den Auftrag hat, sich eindeutig dagegenzustellen. Was wäre, wenn wir jetzt an der Stelle bei dem Thema, bei diesem wichtigen Thema auf die Unionsfraktionen zugehen, in dem Bewusstsein, wir möchten ganz gerne die Situation retten, in die sie uns gebracht haben! Das würde bedeuten, wenn ich das kurz ausführen darf, dass wir bei jedem weiteren Thema in den nächsten drei Jahren genauso vor diesen Flaschenhals gezogen würden. Das kann aber doch nicht unser Ziel einer stabilen Regierung sein, sondern das Ziel unserer stabilen Regierung muss sein: Wir haben einen Koalitionsvertrag. Der ist die Grundlage für gemeinsames Regieren.
    "Das ist ein reiner Erpressungsversuch
    Heuer: Das heißt aber, Frau Mattheis, Sie würden eher die Regierung riskieren und eher sagen, wir steigen da aus, als Ja zu sagen zu diesem Kompromiss?
    Mattheis: Wenn ich da meine unmaßgebliche Stimme erheben darf?
    Heuer: Die ist sehr maßgeblich. Deshalb fragen wir Sie ja.
    Mattheis: Ich bitte Sie! – Ich finde, an dem Punkt darf man, glaube ich, ein Stück weit auch darauf achten, dass die eigene Glaubwürdigkeit nicht verloren geht. An der Stelle ist sie mir sehr wichtig.
    Heuer: Wie groß ist denn Ihre Hoffnung, dass die Parteispitze, dass vor allen Dingen Andrea Nahles Ihnen da folgt in dieser Argumentation?
    Mattheis: Die ist sehr groß. Ich glaube, jeder, der in der Fraktion gestern und heute dabei war, hat auch verstanden, dass wir nicht Ausputzer sein wollen in der Großen Koalition, sondern dass wir auf Augenhöhe unsere Argumente einbringen wollen. Und ich finde, dann ist es einfach auch an der Kanzlerin zu sagen, der eine Koalitionspartner hat das gleiche Recht wie der andere, die Meinung vorzubringen. Und erpressen lassen tun wir uns an der Stelle wirklich nicht, und das ist ein reiner Erpressungsversuch.
    Heuer: Aber der scheint ja aufzugehen. Wie gesagt: Andrea Nahles ist schon dabei umzufallen.
    Mattheis: Ich habe sie jetzt anders verstanden heute Morgen und von daher bleibe ich erst mal dabei, dass ich sage, ich für mich generell sage, das ist für mich nicht der Weg.
    "Ein hartes Ringen um den richtigen Weg"
    Heuer: Wenn Sie sagen, alle Koalitionspartner haben die gleichen Rechte, das ist ja völlig richtig. Jetzt hat die CDU was bekommen, die CSU hat was bekommen. Gibt es etwas, was die SPD fordert, und wenn Sie das bekommen, sagen Sie dann Ja?
    Mattheis: Ich glaube, das ist etwas, was unserem eigenen Anspruch ebenfalls nicht gerecht wird. Politik ist zwar meistens eine Frage von Kompromissen, aber diese Kompromisse sind schon niedergeschrieben im Koalitionsvertrag. Und der Kompromiss vom Kompromiss vom Kompromiss ist nicht unbedingt das, was uns glaubwürdig macht und was auch der Politikverdrossenheit entgegenwirkt. Sondern man kann doch nicht sagen, wenn ich in Sachen Asyl nicht das bekomme, was ich möchte, dann hätte ich ganz gerne irgendwas beim Thema Rente.
    Heuer: Keine konkrete Forderung, mit der Sie sagen würden, das ebnet den Weg?
    Mattheis: Nein! Wir haben Koalitionsvereinbarungen und ich fand, an verschiedenen Stellen war das ein hartes Ringen um den richtigen Weg. Wir für uns und unsere Mitglieder haben dann gesagt, wir wollen auf dieser Grundlage diese Große Koalition eingehen, und ich glaube, das ist die Grundlage, die auch weiterhin gelten sollte.
    Heuer: Hilde Mattheis, SPD-Bundestagsabgeordnete vom linken Flügel ihrer Partei. Frau Mattheis, haben Sie Dank fürs Gespräch.
    Mattheis: Sehr gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.