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SPE vor Europawahl 2019
"Wir haben mit Frans Timmermans einen richtig guten Kandidaten"

Die Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) will über 27 Prozent bei der Europawahl 2019 erreichen, erklärte ihr Generalsekretär Achim Post im Dlf. Schließlich solle ihr designierte Spitzenkandidat Frans Timmermans der neue Präsident der EU-Kommission werden, so der SPD-Politiker.

Achim Post im Gespräch Jürgen Zurheide |
    Post steht lächelnd vor einer weißen Wand und scheint mit jemandem zu sprechen.
    Achim Post, Generalsekretär der Sozialdemokratischen Partei Europas, zeigte sich im Dlf zuversichtlich mit Blick auf die Europawahl im Mai 2019 (dpa/ Heinl)
    Jürgen Zurheide: Die europäischen Sozialdemokraten, da sieht es etwas anders aus als bei der CDU, da ist viel von Hoffnung und Aufbruch die Rede. Die europäischen Sozialdemokraten, nun ja, die müssen erst mal sich wieder sammeln, denn ihnen bläst der Wind heftig ins Gesicht. Heute wird der Spitzenkandidat bestimmt, Frans Timmermans wird es werden, den haben wir heute in der Sendung schon mal vorgestellt, und jetzt möchte ich mit Achim Post reden, für die SPD im Bundestag und Generalsekretär der europäischen Sozialdemokraten. Guten Morgen, Herr Post!
    Achim Post: Ja, schönen guten Morgen, ich grüße Sie!
    Zurheide: Was ist denn Ihr Rezept gegen die Depression, die die Sozialdemokraten in Europa überall oder fast überall erfasst hat?
    Post: Ach, ich kann eine Depression überall oder fast überall nicht erkennen. Wir sind ja gerade in Portugal, da regiert der Sozialdemokrat oder, wie es hier heißt, Sozialist António Costa. Der hat Wahlen im nächsten Jahr, liegt in Umfragen mit ungefähr 40 Punkten zu 25 gegenüber den Konservativen. Also es sieht sehr unterschiedlich aus in Europa. Es gibt natürlich auch Länder, wo es schwieriger ist, aber hier in Portugal oder auch im Nachbarland Spanien sind wir ganz zuversichtlich.
    Jeden Punkt hart verhandeln
    Zurheide: Mit welchen Themen wollen Sie denn in den Wahlkampf gehen, was stellen Sie in den Mittelpunkt?
    Post: Frans Timmermans wird ja heute gewählt, wie Sie gerade gesagt haben. Es ist eigentlich klar erkennbar, dass die großen Schwerpunkte natürlich sind, a) das soziale Europa, aber auch mehr Steuergerechtigkeit. Die Sozialdemokraten und ihr Spitzenkandidat wollen, dass endlich auch die großen Digitalkonzerne - Apple, Amazon und andere - Steuern bezahlen, was sie bisher nicht machen, also zwei große Themen: ein soziales Europa und soziale Gerechtigkeit auch in der Steuerfrage.
    Zurheide: Weiß das auch Olaf Scholz? Da hat man manchmal Zweifel.
    Post: Das weiß der auch. Ich arbeite ja in meiner Funktion im Deutschen Bundestag, zuständig für Haushalt und Finanzen, eng mit Olaf Scholz zusammen. Ich meine, in Europa ist es einfach so: Wir haben einen tollen Koalitionsvertrag in Deutschland, den die SPD stark geprägt hat, aber daran müssen sich nicht die anderen 27 Länder halten, sondern die haben eigene Koalitionsverträge. Also man muss jede Frage und jeden Punkt, den man erreichen will, hart verhandeln. Das ist schwierig in Europa.
    Frankreich als Extrafall
    Zurheide: Nun sind wir damit ja genau bei der spannenden Frage, dass die Politik gelegentlich nette Vorschläge hat, und wenn man dann nach Frankreich schaut - wir haben es auch in dieser Sendung mehr als einmal behandelt -, da gehen die Menschen auf die Straße, weil sie auch der Politik nicht mehr glauben, dass das umgesetzt wird. Wie wollen Sie denn diese Lücke schließen? Das ist ja auch ein Problem, das Sozialdemokratie zumindest in Deutschland nach meiner Beobachtung hat. Wie wollen Sie diese Glaubwürdigkeitslücke schließen?
    Post: Frankreich ist noch mal ein Extrafall, den man sich genau angucken muss. Da geht es ja auch in erster Linie um die Politik von Macron. Das ist zwar ein Pro-Europäer, aber nicht gerade ein Sozialdemokrat - Punkt eins. Punkt zwei: Sie haben recht, das A und O bei allem ist die Frage der Glaubwürdigkeit. Ich glaube, dass man das so machen muss, wie eigentlich seit vielen Jahren hätte machen müssen. Man muss klar sagen, was man will - das habe ich gerade gesagt. Bei zwei Themen muss er sagen, wie man das erreichen will und wenn man es nicht ganz erreicht, woran es gelegen hat. Aber man darf natürlich keine falschen Hoffnungen wecken, aber das machen wir auf diesem Kongress nicht, und Frans Timmermans, den Sie ja schon vorgestellt haben, ist ein pragmatischer niederländischer Sozialdemokrat, der macht das schon gar nicht.
    "Mindestlohn deutlich zu niedrig in Deutschland"
    Zurheide: Jetzt kommen wir mal zu einer anderen Frage: Mindestlohn. Heute Morgen in dieser Sendung hatten wir Peter Bofinger, der ist Mitglied des Sachverständigenrates, er hat gesagt, der Mindestlohn, zumal in Deutschland, könnte und müsste eigentlich dringend deutlich erhöht werden, nicht so in diesen kleinen Schritten. Jetzt zitiere ich noch mal: Olaf Scholz hat auch mal von 12 Euro gesprochen, wohlwissend, dass es da Kommissionen gibt, die gerade 30 oder 40 Cent mehr pro Stunde machen, was zwar viel für die Menschen ist, aber unterm Strich eben ihnen nicht das Gefühl gibt, wirklich wertgeschätzt zu werden. Wie kommt man aus auch dieser Glaubwürdigkeitslücke raus?
    Post: Erst mal glaube ich, dass Sozialdemokraten, gerade die SPD, bei der Frage Mindestlohn sehr glaubwürdig sind, denn wir haben das durchgesetzt gegen harten Widerstand. Sie erinnern sich, was alles an die Wand gemalt wurde, was passieren würde an Arbeitsplatzverlusten, wenn es den Mindestlohn gibt. Und zum anderen, ich sehe das genauso wie Professor Bofinger, der Mindestlohn ist deutlich zu niedrig in Deutschland, der muss steigen. Wir haben aber diese Mindestlohn-Kommission, da steht aber im Gesetz, dass das im Jahre 2020 überprüft werden kann, ob das eigentlich ein funktionierendes System ist. Ich bin dafür, dass man sich genau überlegt, wie man erreichen kann, dass die Mindestlöhne in Deutschland doch deutlich stärker steigen als zuletzt um 20, 30 Cent.
    "Alles andere als trübsinnig"
    Zurheide: Jetzt wird Herr Timmermans heute gekürt, ich glaube, da hat man keine Zweifel, nach Martin Schulz ist dann ein Niederländer Spitzenkandidat. Beim letzten Mal war es europaweit für die Sozialdemokratie 25 Prozent, das wäre inzwischen wahrscheinlich schon ein schönes Ergebnis, oder machen Sie jetzt auf Zweckoptimismus und sagen, das schaffen wir.
    Post: Ja, so ein Generalsekretär muss natürlich immer Zweckoptimismus machen, wenn es nötig wäre, ich glaube aber, dass wir erstens mit Frans Timmermans einen richtig guten Kandidaten haben, das hat er in den beiden letzten Tagen ja auf diesem Kongress schon gezeigt. Und es sind viele Leute hier - wir tagen in einer Universität -, viele junge Leute, die alles andere als trübsinnig sind, sondern die sind hoffnungsfroh. Ich glaube, wie bei jeder Wahl oder wie noch mehr bei Wahlen bisher, diese Wahl ist komplett offen, niemand weiß genau, wie das ausgeht. Für die Sozialdemokraten war das Ergebnis das letzte Mal europaweit gut, in Deutschland sogar sehr gut mit über 27 Prozent. Das ist unser Ziel, weil am Schluss ist völlig klar, wir wollen, dass der Sozialdemokrat Frans Timmermans der neue Präsident der EU-Kommission wird.
    "Die SPD muss selber wieder besser werden"
    Zurheide: Jetzt schauen wir ganz zum Schluss - das kann ich natürlich nicht anders machen heute Morgen - auch noch mal nach Deutschland. Ich hab's gerade schon angesprochen, die CDU macht einen Parteitag, wo richtig Debatten inszeniert werden, wo es unterschiedliche Personalvorschläge gibt, jetzt ist es Frau Kramp-Karrenbauer geworden. Ist das für Sie nicht genau die schwierigste Kandidatin, weil gegen Merz und Spahn hätten Sie sich besser profilieren können als SPD, oder sehe ich da was falsch?
    Post: Nein, die Frage höre ich natürlich ziemlich häufig. Ich glaube eigentlich, dass Parteien sich dann am besten profilieren können, wenn sie sich auf die eigene Stärke besinnen, auf die eigenen Schwerpunkte, und von daher glaube ich, das ist eine demokratische Entscheidung der CDU, knappe Entscheidung. Frau Kramp-Karrenbauer muss jetzt gucken, wie sie die Partei zusammenführt. Aus meiner Sicht ist das eigentlich ein Punkt, der eher von säkularer Bedeutung ist, also die SPD muss selber wieder besser werden.
    "Das Wichtigste in der Politik - Selbstbewusstsein"
    Zurheide: Und wie kann die SPD besser werden?
    Post: Das ist aus meiner Sicht nicht einfach, aber es ist nicht unmöglich. Wir brauchen Klarheit in den Positionen, das haben wir ja gerade besprochen, wir brauchen auch mehr Mut. Wir müssen sagen, was wir über den Koalitionsvertrag hinaus umsetzen wollen, und wir brauchen - das ist das Wichtigste in der Politik - Selbstbewusstsein. Und Sie merken ja im Interview mit mir, ich bin selbstbewusst, die europäischen Sozialdemokraten sind das, und die SPD wird das auch wieder.
    Zurheide: Achim Post war das, SPD-Bundestagsabgeordneter und Generalsekretär der europäischen Sozialdemokraten, aus Lissabon, wo das Wetter offensichtlich besser ist als in Deutschland. Herzlichen Dank heute Morgen für das Gespräch!
    Post: Danke schön, alles Gute, tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.