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"Spiegels" schnelle Rechercheure

Maxim Billers Buch "Esra" wurde 2007 per Gerichtsbeschluss aus dem Verkehr gezogen: Grund: Allzu deutlich war das reale Vorbild für eine Figur als Billers Ex-Freundin zu erkennen. Nun meldet der "Spiegel", dass das Werk in illegalen Download-Börsen aufgetaucht sei. Allerdings steht es dort schon seit vier Jahren.

Von Burkhard Müller-Ullrich |
    Ein Schriftsteller, der mit seiner Produktion sowohl den Bundesgerichtshof als auch das Bundesverfassungsgericht beschäftigt, der hat es zweifellos zu etwas gebracht im Leben. Und dann auch noch – vor vier Jahren war das – eine knappe Entscheidung mit einer sogenannten abweichenden Meinung, in der die einen Verfassungsrichter den anderen ein falsches Kunstverständnis vorwarfen. Man kann sicherlich sagen, dass Maxim Biller mit seinem höchstpersönlichen Liebesroman, in dem er seine Ex-Freundin so haargenau porträtierte, dass sie das Buch verbieten lassen konnte, den größtmöglichen Skandaleffekt auf der ohnehin recht weit gespannten Biller-Skala erreichte.

    Das Urteil der höchsten Instanz, mit dem das Buch definitiv aus dem Verkehr gezogen wurde, fiel im Oktober 2007. Im Dezember 2007, genau am 13. nachts um 0.36 Uhr, lud ein Benutzer namens "koma", was übrigens ein Anagramm von Amok ist, den kompletten Buchtext als .PDF-Datei per Internet an einen der versteckt-vertrackt-verruchten Orte des BitTorrent-Netzwerks. Dort gibt es so manches Ungesetzliches, und man muss schon ein etwas risikobereiter Computer-Nerd sein, um auf diese Orte zuzugreifen, denn vorher muss man sich von suspekten Seiten, bei deren Aufruf jedes Virenschutzprogramm Alarm schlägt, eine besondere Software herunterladen und so manche Sicherheitsmaßnahme willentlich umgehen.

    Offenbar hat der "Spiegel" knapp vier Jahre dafür gebraucht, um sich das mal von jemandem, der sich in der Hackerwelt, in der alle Wörter auf z enden, auskennt, vorführen zu lassen. Nur so ist zu erklären, dass knapp vier Jahre, nachdem Billers Buch ins Netz gestellt wurde, der "Spiegel" meldet, dass Billers Buch ins Netz gestellt wurde. Und, weitere Pointe, dass Billers Verlag Kiepenheuer und Witsch das nicht nur nicht gut findet, sondern sich – wie es so schön heißt – rechtliche Schritte vorbehält. Denn natürlich hat der Verlag laut Vertrag mit seinem Autor das Recht, den Text exklusiv zu vermarkten. Zwar haben die Gerichte einen Strich durch diese Verlagsrechnung gemacht, aber das heißt natürlich nicht, dass jemand anderes den Text für lau veröffentlichen darf.

    Die Drohung mit rechtlichen Schritten seitens des Verlags ist allerdings so albern wie die Formulierung des Spiegel, es sei "eine ironische Wendung", dass der Verlag, der erst durch alle Instanzen für die Veröffentlichung stritt, sie nun verhindern will. Es ist doch klar, dass jeder Verlag versucht, gegen Raubdrucke vorzugehen – wenn er kann. Bloß meistens kann er nicht, und gegen wen Kipenheuer und Witsch klagen und welchen Server in welchem Land er beim BitTorrent-Netzwerk abschalten lassen soll, dass wüsste Verlagschef Helge Malchow wohl selber gern.