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Spiel um die Regierung

In den Niederlanden war die stärkste Partei gleichzeitig noch nie so schwach. Die Rechtsliberalen von Mark Rutte kommen nur auf 31 der insgesamt 150 Sitze. Und noch nie haben sich so viele Stimmen auf so viele Parteien verteilt. Für eine erfolgreiche Regierungsbildung ist das mehr als schwierig.

Von Kerstin Schweighöfer |
    "Noordeinde" heißt der Arbeitspalast von Königin Beatrix mitten im historischen Zentrum von Den Haag. Auf dem Dach weht die rot-weiß-blaue Flagge – ein Zeichen dafür, dass die Monarchin hinter ihrem Schreibtisch sitzt.

    Vor dem hohen schmiedeeisernen Gitter warten Schaulustige, in der Hoffnung, einen bekannten Politiker zu Gesicht zu bekommen. Denn in den letzten Wochen war es hier ein Kommen und Gehen: Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen empfing die Königin die Fraktionsvorsitzenden aller Parteien.

    Mark Rutte von der rechtsliberalen VVD-Partei kam zu Fuß, alle anderen wurden vorgefahren", weiß Eisverkäufer Martijn Pektemer. Sein Eiswagen steht direkt vor dem Palast und ist für die Bürger von Den Haag zu einer festen Institution geworden. Schon seit 1984 verkauft die Familie Pektemer hier Eis.

    Hinter der Scheibe hängen Fotos der ehemaligen Ministerpräsidenten und Eiskunden Wim Kok und Jan Peter Balkenende. Und ganz links, über dem Schokoladeneis, prangt bereits ein Schnappschuss von Mark Rutte – für den Eisverkäufer der nächste Premierminister der Niederlande:

    Noch allerdings ist es nicht soweit. Denn gleich vier Parteien haben bei den Wahlen zwischen 20 und 30 der insgesamt 150 Parlamentssitze erobert: Größte Partei sind die Rechtsliberalen mit 31 Sitzen, dicht gefolgt von den Sozialdemokraten mit 30. Die Christdemokraten, einst unangefochten an der Spitze mit 41 Sitzen, sind weit abgerutscht auf 21. Sie mussten sich sogar von Geert Wilders mit seiner islamfeindlichen "Partei für die Freiheit" PVV überrunden lassen: Die konnte die Zahl ihrer Mandate fast verdreifachen auf 24 und ist nun drittstärkste Kraft im Parlament.

    Damit hat die PVV zwar den größten Wahlerfolg erzielt – aber ob sie mitregieren wird, ist fraglich: Die größten Chancen werden einem Zentrumkabinett eingeräumt aus Rechtsliberalen, Sozialdemokraten und Christdemokraten. Oder einem Mitte-Links-Kabinett aus Rechtsliberalen, Sozialdemokraten, Linksliberalen und den Grünen. Zwar ist auch das noch alles andere als sicher. Aber, so schimpft Wilders: "Wir werden ausgeschlossen, man behandelt uns wie Aussätzige!":

    "Unvorstellbar, eine Schande ist das! Wieso halten wir in diesem Land überhaupt noch Wahlen ab! Die Stimmen von 1,5 Millionen PVV-Wählern werden ignoriert! Die politische Elite versucht, uns aufs Abstellgleis zu manövrieren!"

    Inzwischen allerdings muss sich Wilders von den anderen Parteien vorwerfen lassen, sich ganz bewusst in die Opposition manövrieren zu lassen, um keine Regierungsverantwortlichkeit auf sich nehmen zu müssen.

    Denn der sogenannte "Formateur", der in den Niederlanden nach möglichen Koalitionen sucht, hatte als erstes eine Kombination aus der PVV von Wilders, den Rechtsliberalen von Rutte und den Christdemokraten untersucht. Damit scheiterte er zwar an den Christdemokraten: Die wollen erst dann mitverhandeln, wenn sich die beiden anderen grundsätzlich einig geworden sind – eine Bedingung, auf die weder Rutte noch Wilders eingehen wollten. Doch als die Koalitionsverhandlungen nach zwei Wochen völlig festgefahren waren, gab Rutte nach:

    "Am vergangenen Mittwoch reichte er Wilders im Parlament überraschend die Hand und rief ihn auf, sich doch erst einmal zu zweit an einen Tisch zu setzen, um dann die Christdemokraten einzubeziehen. Doch Wilders lehnte ab. Wonach es für Rutte eine klare Sache war: Wilders versucht, in die Rolle des Märtyrers und Opfers zu schlüpfen."

    Die niederländischen Wähler haben auch das mit Langmut zur Kenntnis genommen – auch vor dem Palast Noordeinde:

    "Ich bin gespannt, wie lange es dieses Mal dauert, bis wir wieder eine Regierung haben", meint Eisverkäufer Martijn:

    Vielleicht werde sogar der Rekord von 1977 gebrochen. Damals dauerten die Koalitionsverhandlungen 208 Tage!

    "Das haben wir damals ja auch überlebt!", erinnert sich ein älterer Herr lachend.
    "Das Leben ging einfach weiter."