Nicht nur die Sportwelt hielt am Samstag den Atem an, als der dänische Nationalspieler Christian Eriksen im Spiel gegen Finnland bei der Fußball-Europameisterschaft zusammenbrach und auf dem Platz wiederbelebt werden musste. Nachdem es aus dem Krankenhaus eine erste Entwarnung gab, wurde das Spiel fortgesetzt. Wohl auf Wunsch der Spieler, die jedoch sichtlich unter Schock standen.
"Es ist sicherlich entscheidend, die Spieler in die Entscheidung einzubinden. Aber natürlich ist der Kontext, in dem sie das tun, sehr, sehr schwierig gewesen", sagte Jonas Baer-Hoffmann im Dlf. "Wenn man es heute betrachtet, wäre es bestimmt sinnvoll, in Zukunft andere Regeln zu finden, dass man das Spiel erst einmal absagt, in Ruhe die Situation betrachtet und dann mit den Spielern entscheidet, wie es weitergeht. Die Spieler aus der Situation rauszunehmen und erst einmal etwas Abstand zu gewinnen und dann zu überlegen, welche Möglichkeiten es gibt, wäre wahrscheinlich die bessere Variante gewesen."
Situation wird "nicht einfacher werden"
Baer-Hoffmann ist seit Januar 2020 Generalsekretär der internationalen Profifußballspieler-Gewerkschaft "Fifpro". Die Organisation vertritt nach eigenen Angaben weltweit mehr als 65.000 Fußballer in 65 Mitgliedsverbänden. Nach dem Spiel hatten er und seine Organisation auch Kontakt zu beiden Mannschaften, die sich "beispielhaft" verhalten hätten. "Die Situation ist wahnsinnig schwierig und das wird in den nächsten Tagen nicht einfacher werden", sagte Baer-Hoffmann.
Das Spiel soll auch fortgesetzt worden sein, weil Eriksen selbst seine Teamkollegen aus dem Krankenhaus heraus dazu ermutigt haben soll. "Aber was erwartet man von ihm, was er sonst den Spielern sagen sollte? Er hat bestimmt zu einem gewissen Teil auch versucht, zu beruhigen", sagte Baer-Hoffmann und erinnerte an den Anschlag auf den Bus von Borussia Dortmund vor dem Champions-League-Spiel gegen den AS Monaco und an den Rassismus-Vorfall im Spiel zwischen Paris St.-Germain und Basaksehir Istanbul. "In jeder dieser Situationen ist ad hoc vor Ort entschieden worden, wie es in dem Spiel weitergeht. Und jedes Mal sind die Spieler in einer enorm schwierigen Situation gewesen. Und es ist eben nicht eine Situation, die nur alle zehn Jahre passiert, sondern es gibt jetzt sicherlich drei, vier Fälle. Und deswegen müssen da Regeln her. Da müssen einfach unabhängigere, distanziertere Entscheidungen her, in der die Spieler und deren Position zentral eingebunden sind, aber sie nicht in der dramatischen Situation selber gefragt werden."
"Prozess der Entscheidung verändern"
Der UEFA wolle Baer-Hoffmann im Fall Eriksen aber nicht unterstellen, die Situation ausgenutzt zu haben. "Wir haben nicht gehört, dass dort irgendwie unangemessen auf die Spieler eingewirkt wurde. Die Rahmenbedingungen erlauben keine Entscheidung, die nicht enormen psychologischen Druck mit sich bringt. Und dem muss man vorbeugen, indem man einfach den Prozess der Entscheidung verändert."
Unverantwortlich fand Baer-Hoffmann, dass die TV-Kameras so lange auf den am Boden liegenden Eriksen gehalten haben und die Bilder in der Nachberichterstattung sogar noch einmal wiederholt wurden. "Seine Familie und seine Kinder werden das jetzt wahrscheinlich über Jahre hinweg immer wieder sehen", sagte er. "Diese Bilder sollten nicht ausgestrahlt werden. Mann muss einfach schneller weggehen und dass das dann noch einmal wiederholt wird, ist unverantwortlich."