Archiv

Spielergewerkschaft nach Eriksen-Kollaps
"Es müssen neue Regeln her"

Der Anschlag auf den Bus des BVB, der Rassimus-Vorfall in Paris, der Zusammenbruch von Christian Eriksen: In all diesen Fällen ist ad hoc entschieden worden, wie es weitergeht. Dieser Entscheidungsprozess müsse verändert werden, sagte Jonas Baer-Hoffman von der Spieler-Gewerkschaft FIFPro im Dlf.

Jonas Baer-Hoffmann im Gespräch mit Marina Schweizer |
Players arriving to field after match break after Christian Eriksen, 10 DEN collapse during the UEFA EURO, EM, Europameisterschaft,Fussball 2020 Championship Group B match between Denmark and Finland on June 12, 2021 in Copenhagen, Denmark. Tomi Hnninen/Newspix24 PUBLICATIONxNOTxINxFINxSWExNORxAUT Copyright: xTomixHänninenx np24thth1216398149
Die dänischen Spieler kommen nach dem Kollaps von Christian Eriksen zurück auf das Feld. Die Finnen applaudieren. (IMAGO / Newspix24)
Nicht nur die Sportwelt hielt am Samstag den Atem an, als der dänische Nationalspieler Christian Eriksen im Spiel gegen Finnland bei der Fußball-Europameisterschaft zusammenbrach und auf dem Platz wiederbelebt werden musste. Nachdem es aus dem Krankenhaus eine erste Entwarnung gab, wurde das Spiel fortgesetzt. Wohl auf Wunsch der Spieler, die jedoch sichtlich unter Schock standen.
"Es ist sicherlich entscheidend, die Spieler in die Entscheidung einzubinden. Aber natürlich ist der Kontext, in dem sie das tun, sehr, sehr schwierig gewesen", sagte Jonas Baer-Hoffmann im Dlf. "Wenn man es heute betrachtet, wäre es bestimmt sinnvoll, in Zukunft andere Regeln zu finden, dass man das Spiel erst einmal absagt, in Ruhe die Situation betrachtet und dann mit den Spielern entscheidet, wie es weitergeht. Die Spieler aus der Situation rauszunehmen und erst einmal etwas Abstand zu gewinnen und dann zu überlegen, welche Möglichkeiten es gibt, wäre wahrscheinlich die bessere Variante gewesen."
Jonas Baer-Hoffmann, der Generalsekretär der internationalen Profifußballer-Gewerkschaft "Fifpro"
Jonas Baer-Hoffmann, der Generalsekretär der internationalen Profifußballer-Gewerkschaft "Fifpro" (zdf/imago)

Situation wird "nicht einfacher werden"

Baer-Hoffmann ist seit Januar 2020 Generalsekretär der internationalen Profifußballspieler-Gewerkschaft "Fifpro". Die Organisation vertritt nach eigenen Angaben weltweit mehr als 65.000 Fußballer in 65 Mitgliedsverbänden. Nach dem Spiel hatten er und seine Organisation auch Kontakt zu beiden Mannschaften, die sich "beispielhaft" verhalten hätten. "Die Situation ist wahnsinnig schwierig und das wird in den nächsten Tagen nicht einfacher werden", sagte Baer-Hoffmann.
 Yussuf Poulsen, Simon Kjaer, Thomas Delaney, Andreas Christensen og Jonas Wind mens Christian Eriksen faar behandling under EM landskampen mellem Danmark-Finland i Parken, Koebenhavn loerdag den 12. juni 2021. , Copenhagen Denmark *** Yussuf Poulsen, Simon Kjaer, Thomas Delaney, Andreas Christensen and Jonas Wind while Christian Eriksen receives treatment during the European Championship international match between Denmark Finland in the Park, Copenhagen Saturday 12 June 2021, Copenhagen Denmark PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: Ritzau/Scanpix LiselottexSabroex COP101 spdk20210612-225515-L
Eine ethisch-moralische Bankrotterklärung
Die UEFA zeigte der dänischen Nationalmannschaftzwei Möglichkeiten auf: entweder sofort weiterzuspielen oder am Folgetag. Beide Möglichkeiten seien barbarisch, kommentiert Klaas Reese.
Das Spiel soll auch fortgesetzt worden sein, weil Eriksen selbst seine Teamkollegen aus dem Krankenhaus heraus dazu ermutigt haben soll. "Aber was erwartet man von ihm, was er sonst den Spielern sagen sollte? Er hat bestimmt zu einem gewissen Teil auch versucht, zu beruhigen", sagte Baer-Hoffmann und erinnerte an den Anschlag auf den Bus von Borussia Dortmund vor dem Champions-League-Spiel gegen den AS Monaco und an den Rassismus-Vorfall im Spiel zwischen Paris St.-Germain und Basaksehir Istanbul. "In jeder dieser Situationen ist ad hoc vor Ort entschieden worden, wie es in dem Spiel weitergeht. Und jedes Mal sind die Spieler in einer enorm schwierigen Situation gewesen. Und es ist eben nicht eine Situation, die nur alle zehn Jahre passiert, sondern es gibt jetzt sicherlich drei, vier Fälle. Und deswegen müssen da Regeln her. Da müssen einfach unabhängigere, distanziertere Entscheidungen her, in der die Spieler und deren Position zentral eingebunden sind, aber sie nicht in der dramatischen Situation selber gefragt werden."

"Prozess der Entscheidung verändern"

Der UEFA wolle Baer-Hoffmann im Fall Eriksen aber nicht unterstellen, die Situation ausgenutzt zu haben. "Wir haben nicht gehört, dass dort irgendwie unangemessen auf die Spieler eingewirkt wurde. Die Rahmenbedingungen erlauben keine Entscheidung, die nicht enormen psychologischen Druck mit sich bringt. Und dem muss man vorbeugen, indem man einfach den Prozess der Entscheidung verändert."
Unverantwortlich fand Baer-Hoffmann, dass die TV-Kameras so lange auf den am Boden liegenden Eriksen gehalten haben und die Bilder in der Nachberichterstattung sogar noch einmal wiederholt wurden. "Seine Familie und seine Kinder werden das jetzt wahrscheinlich über Jahre hinweg immer wieder sehen", sagte er. "Diese Bilder sollten nicht ausgestrahlt werden. Mann muss einfach schneller weggehen und dass das dann noch einmal wiederholt wird, ist unverantwortlich."