Man stelle sich Folgendes vor: Ein talentierter Fußballer möchte zu einem neuen Verein wechseln. Auf den üblichen Kanälen machen seine Wechselabsichten die Runde. Ein interessierter Sportvorstand ruft beim Berater des Fußballers an. Wenig später finden sich alle Parteien am Verhandlungstisch wieder, der Vertrag wird unterschrieben. Der erwähnte Berater bekommt eine Provision vom neuen Klub seines Mandanten, kassiert aber gleichzeitig als Berater des Spielers ab. Ein klarer Interessenskonflikt.
Im Extremfall kassiert ein Vermittler sogar von allen Parteien – so geschehen 2016, als der berühmte Berater Mino Raiola laut den „Football Leaks“-Enthüllungen insgesamt 41 Millionen Britische Pfund von Manchester United, Juventus sowie Paul Pogba beim Wechsel seines Klienten erhielt.
FIBA stellt Interessenskonflikte unter Strafe
„Diese Praktiken mit Interessenkonflikten bestehen seit 30 Jahren oder mehr. Und die nationalen und internationalen Verbände haben das nie unter Kontrolle gebracht“, sagt Philippe Renz, Schweizer Sportanwalt von Renz & Partners. Doch mittlerweile tut sich in einigen Sportarten etwas. Der Basketball-Weltverband FIBA hat zum 1. Januar 2022 ein neues Reglement erlassen, das Interessenskonflikte unter Strafe stellt.
„Den Trend sehen wir schon seit ein paar Jahren in verschiedenen Sportarten. Im Eishockey in Europa, in den meisten Ländern, werden die Agenten nur noch durch die Spieler bezahlt. Im Rugby fängt es auch an. Im Handball möchte der internationale Verband im Sommer auch alle Interessenskonflikte abschaffen. Im Fußball ist die FIFA auch dran, das zu machen.“
FIFA plant Beschränkung von Provisionen
Geplant ist unter anderem auch, die Provisionen zu beschränken, die FIFA will die Reform bis September umsetzen, wie Gabriele Marcotti, Kolumnist des US-Sportsenders ESPN, erklärt: „Von all den Dingen, die bemängelt werden, alles vom Spielplan bis zu Wettbewerbsreformen, ist natürlich eine Beraterreform, das einfachste, das man durchboxen kann. Denn jeder im Fußball sieht die Berater als Schuldige für alles Mögliche. Niemand wird sich beschweren, wenn man die Berater reglementiert.“
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Marcotti sieht Themen wie Provisionsbeschränkungen und auch das Unterbinden von Interessenkonflikten aber kritisch, denn aus seiner Sicht könne es immer Wege geben, um diese zu umgehen. Zumal die FIFA auch keine Ermittlungsbehörde sei, die alles aufdecken könne. Für ihn sei Transparenz am wichtigsten. „Warum können wir nicht totale und volle Transparenz haben? Denn wenn wir volle Transparenz haben, dann müssen wir uns nicht zu sehr sorgen. Jeder wird zur Rechenschaft gezogen für die Entscheidungen, die er trifft.“
Konkret heißt das: Werden etwa Transfers abgeschlossen, dann könnte aufgeschlüsselt werden, wer an dem Deal beteiligt war und wie viel er für seine Dienste kassiert hat. Wirtschaftet jemand doppelt in die eigene Tasche, würde eine transparente Auflistung dies aufdecken. Die FIFA selbst kann das aber nur bei internationalen Transfers umsetzen. Viele Machenschaften spielen sich im nationalen Rahmen, auch im Jugendfußball ab.
Nationale Verbände müssten kontrollieren
Die nationalen Verbände wie der Deutsche Fußball-Bund müssen die Umsetzung vor Ort bewerkstelligen. Kicker-Reporter Benjamin Hofmann sagt dazu: „Die Frage ist: Wie scharf wird das dann lokal, national wirklich durchgedrückt? Wie sind da die Kontrollen?
Ich kann mich eigentlich mit Blick auf das DFB-Sportgericht an quasi keinen Fall erinnern, in dem es mal um eine Beraterthematik ging. Das ist offenbar ganz, ganz selten der Fall. Die meisten haben ja auch kein Interesse daran, da etwas zur Sprache zu bringen und da was zu Tage zu fördern. Am Ende: Es sieht blöd für die Vereine, es sieht blöd für die Vermittler und es sieht blöd für die Spieler aus.“
Widerstand und Zusammenschluss von machtvollen Beratern
Zudem ist der Widerstand machtvoller Spielervermittler wie Raiola enorm. Sie könnten versuchen, gegen die Reform juristisch vorzugehen, speziell mit Blick auf das Kartellrecht. Außerdem haben sich einige der mächtigsten Berater in dem Schweizer Verein „The Football Forum“ zusammengeschlossen. Auch der Vorstand der Deutschen Fußballvermittlervereinigung plädiert dafür, aus dem europäischen Dachverband der Spielervermittler „auszutreten und Mitglied von ‚The Football Forum‘ zu werden“, wie es im Jahresbericht des Gremiums steht.
Ein starker Zusammenschluss vieler erboster Berater, die ihre Marktmacht nutzen, könnte seine Wirkung zeigen, meint Hofmann: „Man hat ganz gut gesehen, wie da agiert wird. Es gab vor einigen Monaten mal ein paar relativ mysteriöse Tweets – die kamen so ein bisschen wie Ziegen aus dem Busch – von Zlatan Ibrahimović und Gareth Bale. Da ging es um das Thema EA Sports und die FIFA und die Bildverwertungsrechte.
Da stellte sich schnell heraus, dass eigentlich hinter diesen Fragen, die die Stars aufgeworfen haben in der Öffentlichkeit – ‚Wer bezahlt eigentlich dafür, dass die FIFA Geld kassiert von EA für die Bildrechte an meiner Person?‘ – die Berater der beiden dahinterstanden. Ich kann mir schon vorstellen, dass es sich zu einem kleinen Krieg auswächst.“