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Spielmobil für Flüchtlingskinder
Spaß und Beziehungsarbeit

Seit einem Jahr kommt ein Darmstädter Spielmobil regelmäßig an Orte, an denen auch viele Flüchtlingskinder untergebracht sind. Die toben nicht nur gern, sondern wollen zudem die deutsche Sprache lernen.

Von Ludger Fittkau |
    Flüchtlingskinder aus Syrien in Potsdam
    Flüchtlingskinder aus Syrien. (picture alliance / dpa / Foto: Ralf Hirschberger)
    Das große Hüpfkissen ist die Hauptattraktion. Nachdem es auf der Freifläche vor dem Darmstädter Falkenheim am Haardtring aufgeblasen ist, gibt es kein Halten mehr. Die Flüchtlingskinder aus Syrien oder Afghanistan purzeln kreischend übereinander, ein Mitarbeiter des "Rotzfrechen Spielmobils" hat große Mühe, Abstürze über den Rand des gut ein Meter hohen Luftkissens zu vermeiden. Ein beweglicher Junge springt problemlos vom schwankenden Kunststoff-Viereck herab.
    "Hallo. Ich heiße Sami. Ich bin zwölf Jahre alt und komme aus Syrien. Spielen und Spaß machen."
    "Kommst Du jede Woche hier her?"
    "Ja, ich komme jede Woche."
    Gleich nebenan bilden andere Kinder eine Schlange vor dem Essenstand. Spielmobil-Mitarbeiterin Rafika Benaissa verteilt Holzstöcke, an die sie sorgsam vorne einen Klumpen Brotteig befestigt hat. Die Kinder können das sogenannte Stockbrot über eine Feuerstelle halten und rösten. Ganz nebenbei wird ein frecher Junge, der sich vordrängen will, wieder nach hinten in die Warteschlange zurück komplementiert. Erziehung zu Geschlechtergerechtigkeit ist Teil des pädagogischen Programms des "Rotzfrechen Spielmobils" in Darmstadt, betont Rafika Benaissa, die selbst arabische Wurzeln hat:
    "Auch wenn man es vier, fünf, sechs oder zehnmal sagen muss – man muss viel Geduld dabei haben. Er stellt sich jetzt hier an, aber er wird merken, dass er nichts kriegt, er muss warten. Sie fragen auch immer wieso, warum, weil sie es nicht kennen, aber dann lernst Du es eben kennen."
    "Wie hat sich das mit der Sprache entwickelt, die letzten Wochen?"
    "Also ich muss sagen, für mich, ich bin ja schon seit dem letzten Jahr mit den Flüchtlingen zusammen und ich sehe eine sehr, sehr große Entwicklung. Es geht auch ganz schnell, die Kinder sind interessiert. Die haben da wirklich Bock drauf."
    Kinder wollen Deutsch lernen
    Seit einem Jahr fährt das Spielmobil in Darmstadt mehrmals in der Woche dorthin, wo Flüchtlinge untergebracht sind. Erst zu den provisorischen Massenunterkünften in den Turnhallen, die längst wieder geschlossen sind. Nun in die Nähe von Kasernenarealen und festen Gemeinschaftsunterkünften in mehreren Stadtteilen, in denen die geflüchteten Familien etwa aus Syrien inzwischen eigene Wohnungen beziehen konnten. Aus den "Feuerwehr-Einsätzen" der ersten Monate sind langsam kontinuierliche Beziehungen zwischen dem Pädagogen-Team des Spielmobils und den Flüchtlings-Kids gewachsen. Eigentlich wollte man mit dem Spielmobil ursprünglich keine Sprachförderung betreiben, sondern einfach nur einen Freiraum bieten, so Projektkoordinator Ben Wagner:
    "Aber ihr Interesse ist - Deutsch lernen. Tatsächlich. Wenn man mit ihnen malt, wenn man mit ihnen spielt, sie wollen das auf Deutsch machen, sie erzählen ganz stolz, was sie können."
    "Ich heiße Musami. Ich heiße Mila. Ich bin Nur. Wir müssen hier spielen."
    "Ich komme aus dem Iran."
    "Und Du bist sechs Monate hier?"
    "In Deutschland bin ich ein Jahr, aber sechs Monate gehe ich zur Schule. Ich bin in der Heinrich-Heine-Schule, in der dritten Klasse."
    Kontakte zu Alteingesessenen nur selten
    Ganz bewusst packen die Spielmobil-Mitarbeiter das Luftkissen und andere Spielgeräte auf öffentlichen Flächen in der Nähe der Flüchtlingswohnungen aus. Denn es sollen auch andere Nachbarkinder vom Angebot profitieren, Begegnungen zwischen Flüchtlingsfamilien und Alteingesessenen auf diesem Weg gefördert werden. Das klappt nicht immer, aber mit wachsenden Sprachkenntnissen werden die spielerischen Kontakte mit den Einheimischen für die jungen Syrer oder Afghanen unterdessen immer leichter. An der Feuerstelle rätselt an diesem Nachmittag auch ein blondes Brüderpaar aus der Nachbarschaft gemeinsam mit den Flüchtlingskindern darüber, wie lange man wohl Stockbrot über die Glut halten muss, damit man rein beißen kann:
    (Junge) "Eine Stunde."
    "Eine Stunde?"
    (Anderer Junge) "Nein, ich schätze so fünf bis zehn Minuten. Darf nicht zu schwarz werden."
    Jetzt naht der Winter und das Spielen draußen wird schwieriger. Dennoch wird noch bis Mitte November das Angebot zumindest in der Außenanlage des Darmstädter Heimes des Jugendverbandes "Die Falken" aufrechterhalten. Wenn es zu kalt wird, besteht dann die Möglichkeit, auch in das beheizbare Holzhaus zu wechseln. Projektkoordinator Ben Wagner:
    "Wir sind auch sehr davon überzeugt, dass wir eine Arbeit machen, wo es sehr auf Kontinuität ankommt. Das wir eine Beziehungsarbeit machen, die sehr viel Zeit und menschlichen Kontakt braucht. Und da kann man im Winter nicht drei Monate pausieren, nur weil das Wetter nicht mitspielt. Dann fängt man im Sommer wieder von vorne an. Und deshalb gilt es einfach, dran zu bleiben."