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Spielraum bei der Einkommensteuer

Gerade einmal drei Tage hat es gedauert, bis in der Union die Freude über den großen Wahlsieg in Ernüchterung umschlug. Denn plötzlich müssen sich CDU und CSU durch die bloße Andeutung einer möglichen Steuererhöhung gegen den Verdacht wehren, sie könnten die Wähler betrogen haben.

Von Verena Herb |
    Die Reaktionen aus der Wirtschaft sind einhellig und wenig überraschend: Steuererhöhungen muss – wie bisher – eine klare Absage erteilt werden, meint der Präsident des Industrie- und Handelskammertages, Eric Schweitzer. Eine Mehrbelastung komme Firmen und Beschäftigte teuer zu stehen: Einige 100.000 Arbeitsplätze könnten dann schnell in Gefahr geraten, sagte Schweitzer der "Bild"-Zeitung.

    Auch der Generalsekretär des Zentralverbands des deutschen Handwerks ZDH, Holger Schwanneke, appelliert an die Union, eine Steuerpolitik zulasten der mittelständischen Wirtschaft darf es nicht geben, und ist damit gleicher Meinung wie der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Fuchs, Ehrenvorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand seiner Partei:

    "Steuererhöhungen halte ich für äußerst problematisch. Wir und die Bundeskanzlerin haben den Bürgern persönlich versprochen, das nicht zu tun. Und das ist auch nicht nötig. Denn wir haben kein Einnahmeproblem, wir haben ein Ausgabeproblem."

    Der Wirtschaftsflügel der CDU reagiert empört auf die Spekulationen, dass die Parteiführung schon im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen über Zugeständnisse bei der Erhöhung des Spitzensteuersatzes nachdenke. So kritisiert Josef Schlarmann, Bundesvorsitzender der CDU-Mittelstandsvereinigung am Mittag im Deutschlandfunk Parteikollegen wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und den nordrhein-westfälischen Parteivize Armin Laschet. Beide hatten Steuererhöhungen zumindest nicht ausgeschlossen. Josef Schlarmann:

    "Wer jetzt schon im Vorfeld diese Positionen, die wir im Bundestagswahlkampf eingenommen haben, teilweise räumt, in dem er das in die öffentliche Debatte einführt, der will natürlich Steuererhöhungen. Und alle die, die sich dort jetzt zu Wort gemeldet haben und sagen, wir müssen jetzt darüber nachdenken und wir müssen kompromissbereit sein, die können sie gleich in das Lager der Steuererhöher setzen."

    Immer mehr Stimmen melden sich zu Wort, die vor einem Glaubwürdigkeitsverlust der Union warnen. Hermann Gröhe, der Generalsekretär, beeilte sich, Meldungen der "Bild"-Zeitung zu dementieren, nach denen er in internen Gesprächen den CDU-Wirtschaftsflügel darauf vorbereitet haben soll, dass Steuererhöhungen als Verhandlungsmasse durchaus in die Koalitionsgespräche eingebracht werden könnten. Es gelte uneingeschränkt das Wahlprogramm: Steuererhöhungen lehnt die CDU ab.

    Doch schaut man nach im Wahlprogramm, wird deutlich: An keiner Stelle findet sich eine eindeutige Ablehnung einer Einkommensteuererhöhung. Allerdings klar formulierte Positionen zu Erbschafts- und Vermögenssteuer.

    Im Bezug auf die Einkommensteuer, die sowohl SPD und Grüne bei Besserverdienenden erhöhen wollen, bestünde also ein gewisser Spielraum. Und könnte somit ein Lockmittel sein, um die Sozialdemokraten an den Verhandlungstisch zu bekommen. Johannes Kahrs, Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, erklärte ohne Umschweife in unserem Programm die Forderungen seiner Partei:

    "Für uns ist es natürlich wichtig, dass wir den Spitzensteuersatz bekommen, den wir uns vorstellen. Dann wird man sich das Thema Kurzarbeit, Werkverträge angucken müssen, um auf dem Arbeitsmarkt ein bisschen mehr Ordnung zu schaffen."

    Und – das wäre ein wohl zentrales Anliegen:

    "Wenn die eine Partei den Bundeskanzler stellt, dann muss die andere Partei den Finanzminister stellen."

    Womit die SPD an zentraler Position säße, was die Steuerpolitik angeht.