Jette Steckel, Jahrgang 1982, wird schon 2007 von Kritikern in der Zeitschrift "Theater heute" zur "Nachwuchsregisseurin des Jahres" gewählt, 2008 mit dem Eysoldt-Preis für junge Regisseure ausgezeichnet. Und im selben Jahr ist sie beim Festival des Regienachwuchses "Radikal jung" dabei. In Köln hat sie letztes Jahr Dea Lohers "Fremdes Haus" inszeniert, da sah die Kritik einerseits Klarheit, andererseits Bedeutungsschwere. Was Jette Steckel jetzt mit einer Dramatisierung von Juli Zehs Roman "Spieltrieb" in die Halle Kalk des Kölner Schauspiels gesetzt hat, geht eindeutig in Richtung "Klarheit".
Juli Zehs Buch von 2004: im Vordergrund die Geschichte um Ada und Alev, die sich "Urenkel der Nihilisten" nennen, ohne Werte und Glauben, die einen Lehrer aus reiner Lust am Spiel mit einem sexuellen Missbrauch erpressen, den sie selbst anzetteln. Im Hintergrund Irak-Krieg und Terror.
Jette Steckels Inszenierung findet vor dem Hintergrund einer Wirtschaftskrise statt. Juli Zehs einleitende Ich-Erzählerin stellte schon 2004 Was-wäre-wenn-Vergleiche aus einer probeweise angenommen Nihilisten-Urenkel-Sicht an: Politik, Liebe, Ökonomie und letztlich auch Moral als Wettkampf oder Gesellschaftsspiel. Eingebettet in allgemeinere Überlegungen:
"Was, wenn die Urenkel der Nihilisten längst ausgezogen wären aus dem staubigen Devotionalienladen, den wir unsere Weltanschauung nennen? - - Wenn sie die halb leergeräumten Lagerhallen der Wertigkeiten und Wichtigkeiten, des Nützlichen und Notwendigen, Echten und Rechten verlassen hätten, um auf Wildwechseln in den Dschungel zurückzukehren, dorthin, wo wir sie nicht mehr sehen, geschweige denn erreichen können?"
Wer schon beim Roman das Gefühl hatte, hinterher zu stolpern, der wird es hier noch einmal haben. Das ist anfangs einfach zu dicht, zu schnell, zu trocken.
Aber Regie und Bühnenbild finden konsequente Bilder: Wie Bernhard Studlar, dessen Roman-Dramatisierung die "Kölner Fassung" verwendet, legen sie eine Geometrie zu Grunde, aber nicht die Dreieckskonstellation, die schon Juli Zeh beschwört, sondern den "Kasten": Einzige Kulisse sind Sportkästen auf einem aufgezeichneten Rechteck auf dem Bühnenboden: Sie sind Sporthalle, gefrorener Teich, Bett ... - und werden dabei gleichzeitig in ihrer geometrischen Anordnung von oben gefilmt und auf die Rückwand projiziert, mal in Echtzeit, mal im Zeitraffer. Oben beengen sie Ada, während sie unten wie besessen um den "Sportplatz" läuft.
Während der Missbrauchs-Szenen werden hinter den stehenden Schattenrissen der "echten" Schauspieler die nackten Körper in Aktion an die Wand projiziert: Rücken an Rücken stemmen sie sich hoch. Von oben gefilmt, ist das eine ausdrucksvolle Geste des Ausgeliefert-Seins, körnig, ruckhaft, aber leicht durch die entsprechende Begleitmusik.
Jette Steckel bringt auch Humor rein - manchmal zu viel, besonders anfangs. Psychologisch zugespitzt, aber nicht realistisch, sind die Charaktere - gottlob - alle; aber Carlo Ljubeks Alev beispielsweise wirkt auch ein bisschen gedrechselt, weniger glatt als im Buch.
"Ich habe mich als Kind entschlossen, das Diktum Babels nicht zu akzeptieren. Wie Sie bestimmt wissen, sind die meisten Dinge des Lebens eine Frage des Willens, des Willens zur Macht."
Seine Intelligenz hat hier etwas Debiles, fast Affenartiges, wenn er versucht, mit einem kleinen Kasten auf einen großen zu springen. Das ist zwar eine gekonnte Gratwanderung zwischen Lustig-Harmlos- und Gefährlich-Sein, aber vor allem im Ganzen ein bisschen zu manieriert.
Später verdichten sich Rhythmus, Atmosphäre und Choreografie extrem, auch dadurch, dass Jette Steckel den Einbruch in die Intimsphäre zum Formprinzip erhebt: Die Privat-Szenen zwischen dem Lehrer und seiner Frau gehen ohne Bruch in die Missbrauchsszenen mit den Schülern über. Oder das Saallicht geht kurz an, Alev macht das Publikum zu Mittäter oder Opfer, nichts daran ist auch nur andeutungsweise witzig.
Und Ada? Anna Blomeier balanciert mit Leichtigkeit zwischen "Prototyp" und nachvollziehbarem menschlichem Wesen. Eiskalt ist ihre Ada nicht. Eher das Rädchen, das automatisch in einem Getriebe mitläuft - aber eben nur mit dem ihres eigenen Gehirnes.
Die Inszenierung überzeugt vor allem durch klare Bilder und eine lockere und zugleich präzise Ensemble-Arbeit über die ganze Distanz. Den Kölnern ist die nächste Jette-Steckel-Inszenierung bald zu wünschen.
Juli Zehs Buch von 2004: im Vordergrund die Geschichte um Ada und Alev, die sich "Urenkel der Nihilisten" nennen, ohne Werte und Glauben, die einen Lehrer aus reiner Lust am Spiel mit einem sexuellen Missbrauch erpressen, den sie selbst anzetteln. Im Hintergrund Irak-Krieg und Terror.
Jette Steckels Inszenierung findet vor dem Hintergrund einer Wirtschaftskrise statt. Juli Zehs einleitende Ich-Erzählerin stellte schon 2004 Was-wäre-wenn-Vergleiche aus einer probeweise angenommen Nihilisten-Urenkel-Sicht an: Politik, Liebe, Ökonomie und letztlich auch Moral als Wettkampf oder Gesellschaftsspiel. Eingebettet in allgemeinere Überlegungen:
"Was, wenn die Urenkel der Nihilisten längst ausgezogen wären aus dem staubigen Devotionalienladen, den wir unsere Weltanschauung nennen? - - Wenn sie die halb leergeräumten Lagerhallen der Wertigkeiten und Wichtigkeiten, des Nützlichen und Notwendigen, Echten und Rechten verlassen hätten, um auf Wildwechseln in den Dschungel zurückzukehren, dorthin, wo wir sie nicht mehr sehen, geschweige denn erreichen können?"
Wer schon beim Roman das Gefühl hatte, hinterher zu stolpern, der wird es hier noch einmal haben. Das ist anfangs einfach zu dicht, zu schnell, zu trocken.
Aber Regie und Bühnenbild finden konsequente Bilder: Wie Bernhard Studlar, dessen Roman-Dramatisierung die "Kölner Fassung" verwendet, legen sie eine Geometrie zu Grunde, aber nicht die Dreieckskonstellation, die schon Juli Zeh beschwört, sondern den "Kasten": Einzige Kulisse sind Sportkästen auf einem aufgezeichneten Rechteck auf dem Bühnenboden: Sie sind Sporthalle, gefrorener Teich, Bett ... - und werden dabei gleichzeitig in ihrer geometrischen Anordnung von oben gefilmt und auf die Rückwand projiziert, mal in Echtzeit, mal im Zeitraffer. Oben beengen sie Ada, während sie unten wie besessen um den "Sportplatz" läuft.
Während der Missbrauchs-Szenen werden hinter den stehenden Schattenrissen der "echten" Schauspieler die nackten Körper in Aktion an die Wand projiziert: Rücken an Rücken stemmen sie sich hoch. Von oben gefilmt, ist das eine ausdrucksvolle Geste des Ausgeliefert-Seins, körnig, ruckhaft, aber leicht durch die entsprechende Begleitmusik.
Jette Steckel bringt auch Humor rein - manchmal zu viel, besonders anfangs. Psychologisch zugespitzt, aber nicht realistisch, sind die Charaktere - gottlob - alle; aber Carlo Ljubeks Alev beispielsweise wirkt auch ein bisschen gedrechselt, weniger glatt als im Buch.
"Ich habe mich als Kind entschlossen, das Diktum Babels nicht zu akzeptieren. Wie Sie bestimmt wissen, sind die meisten Dinge des Lebens eine Frage des Willens, des Willens zur Macht."
Seine Intelligenz hat hier etwas Debiles, fast Affenartiges, wenn er versucht, mit einem kleinen Kasten auf einen großen zu springen. Das ist zwar eine gekonnte Gratwanderung zwischen Lustig-Harmlos- und Gefährlich-Sein, aber vor allem im Ganzen ein bisschen zu manieriert.
Später verdichten sich Rhythmus, Atmosphäre und Choreografie extrem, auch dadurch, dass Jette Steckel den Einbruch in die Intimsphäre zum Formprinzip erhebt: Die Privat-Szenen zwischen dem Lehrer und seiner Frau gehen ohne Bruch in die Missbrauchsszenen mit den Schülern über. Oder das Saallicht geht kurz an, Alev macht das Publikum zu Mittäter oder Opfer, nichts daran ist auch nur andeutungsweise witzig.
Und Ada? Anna Blomeier balanciert mit Leichtigkeit zwischen "Prototyp" und nachvollziehbarem menschlichem Wesen. Eiskalt ist ihre Ada nicht. Eher das Rädchen, das automatisch in einem Getriebe mitläuft - aber eben nur mit dem ihres eigenen Gehirnes.
Die Inszenierung überzeugt vor allem durch klare Bilder und eine lockere und zugleich präzise Ensemble-Arbeit über die ganze Distanz. Den Kölnern ist die nächste Jette-Steckel-Inszenierung bald zu wünschen.